Am Ende bleibt nichts als Leere

27. November 2009 in Interview


Im Gespinst des Relativismus verfangen: Der ehemalige Hochgradfreimaurer Burkhardt Gorissen legt im Interview dar, warum er die Loge verlassen und sich wieder dem Christentum zugewandt hat - Von Manfred Ferrari / Vatican Magazin


Rom (kath.net/ vatican-magazin)
Ein deutscher Freimaurer tritt aus der Loge aus und schreibt ein Buch, in dem er sich engagiert zum Christentum bekennt. Burkhard Gorissen, Autor von Hörspielen und Dokumentarsendungen, war elf Jahre Mitglied verschiedener Logen im Umkreis von Köln. Er ist der erste Hochgradfreimaurer Deutschlands, der seinen Austritt öffentlich bekannt macht und mit seinem Buch „Ich war Freimaurer“ (Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2009) Einblicke in die Denkweise und die Rituale der heutigen Freimaurerei gibt. Einst hatte ihm der katholische Glauben keine Antwort auf drängende Fragen des Lebens gegeben. Für ihn war der Katholizismus im Mittelalter stecken geblieben.

Er suchte nach einer tieferen geistigen Heimat, in der sich die menschlichen Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verwirklichen ließen. Die Freimaurer leugnen seit jeher ab, dass es sich bei ihnen um eine religiöse Gruppierung handelt. „Wir haben mit der Vorgestrigkeit der Religionen nichts zu tun“, erklärte ihm der Meister vom Stuhl noch vor seinem Eintritt. Dennoch bezeichnet der den Freimaurern nahe stehende Steyler Missionar Alois Kehl die Logen als „Gemeinschaft der Glaubenden“.

Doch Gorissen warnt in seinem Buch vor Theologen, die das freimaurerische Gedankengut verharmlosen. Aus dem katholischen Umfeld nennt er dabei neben Alois Kehl die Professoren Hans Küng und Herbert Vorgrimmler. Ihnen wirft der Autor vor, die Differenzen zwischen der katholischen Lehre und dem Gedankengut der Freimaurerei bewusst herunterzuspielen.

Im Gespräch mit den VATICAN-magazin erklärt er die Gründe seines Austritts aus der Loge und warnt vor dem „Lügengespinst des Relativismus“, in dem auch viele aufrichtige Idealisten in den Logen gefangen bleiben.

Innerhalb der Freimaurerei haben Sie eine steile Karriere gemacht. Was hat Sie bewogen, in eine Loge inzutreten?

Gorissen: Der erste Impuls war Neugier. Natürlich war es mein Wunsch, die freimaurerischen Geheimnisse zu erfahren. Genauso war ich interessiert, einen Ort des guten Gesprächs zu finden, wo ein intellektueller Erfahrungsaustausch stattfindet. Die Werbung der Freimaurer, ein humanistischer Freundschaftsbund zu sein, imponierte mir sehr. Das geht, denke ich, fast jedem Außenstehenden so. Innerlich verspürte ich den Wunsch, mein spirituelles Vakuum zu füllen. Dabei war ich weder an Spiritismus noch an flacher New-Age-Esoterik interessiert. Immerhin werben die Freimaurer ausdrücklich damit, durch rituelle Arbeiten das Wesen des Menschen zu begreifen.

Im Grunde begegnen wir dort dem alten Satz von Protagoras, der Mensch sei das Maß aller Dinge, den die Materialisten mit Beginn der Neuzeit wieder aufgegriffen und zu Markte getragen haben. Darüber, dass dieser krude Denkansatz zu inneren Verheerungen führen kann, habe ich mir bei meinem Eintritt keine Gedanken gemacht. Im Gegenteil, ich fühlte mich angekommen im Reich Goethes und Voltaires. Erst als ich danach die hohle Phraseologie des Relativismus ausgelotet hatte, erkannte ich meinen Irrtum. Bis zur endgültigen Loslösung verging dann noch einmal eine ganze Weile.

Zudem klebte ich an den Idealen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Obwohl ich wusste, dass Freiheit und Gleichheit Gegensatzpaare sind, glaubte ich damals, sie durch das mildernde Element der Brüderlichkeit verbinden zu können. Was ich damals schlichtweg ausgeklammerte, war die Wahrheit, dass die Freiheit ein Gnadengeschenk Gottes ist und wir als Gleiche unter Gleichen in diese Freiheit gestellt sind, um uns in der Brüderlichkeit, sprich Nächstenliebe, so wie im Glauben zu bewähren. Ich vergaß – wie viele andere Freimaurer auch – zu fragen: Freiheit wovon und wofür?

Man spekuliert viel über das Wesen der Freimaurerei. Was ist wirklich geheim an dieser Geheimgesellschaft?

Gorissen: Das wissen die Maurerbrüder selbst nicht. Wer diesem Bund angehört, ist sogar stolz darauf, dass jeder eine andere Antwort darauf gibt. Diesem Beliebigkeitssyndrom begegnen wir in der Freimaurerei ständig. Die Großloge der „Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland“ legt beispielsweise ausgesprochenen Wert darauf, Freimaurer bildeten keine Geheimgesellschaft, sondern eine Gesellschaft mit einem Geheimnis.

Die Antwort auf die Frage, worin es denn bestehe, ist jedoch immer gleich: Das könne jeder bei der Initiation in diesen Bund nur selbst erfahren. Daran schließen sich facettenreiche Erklärungen Einzelner an. Was sie alles bei ihrer Aufnahme erlebt haben wollen, dient jedoch meist der Befriedigung persönlicher Eitelkeiten. Wie überhaupt die Eitelkeit ein großes Thema in der Freimaurerei ist.

Im Übrigen können Sie alle Rituale, die Zeichen, Passwörter und Griffe im Internet finden. Wer will, kann bei Internetanbietern oder auf Flohmärkten Logenutensilien wie Bijous oder Schurze erwerben. Die Freimaurer kokettieren sogar damit, kein Geheimnis mehr zu besitzen. Das ist in früheren Jahren ganz sicher anders gewesen, obwohl es bereits im neunzehnten Jahrhundert eine Freimaurerschrift gab, in der es hieß, alle Geheimnisse seien längst der Öffentlichkeit bekannt. Deshalb stelle ich die These auf, dass sich der einstmals machtvolle Geist der Freimaurerei verabschiedet und eine Larve zurück gelassen hat.

Sie haben im Laufe von elf Jahren Mitgliedschaft viele Logenbrüder und -schwestern kennengelernt. Was für ein Typ Mensch frequentiert die Logen?

Gorissen: Zunächst einmal sind es suchende Menschen, die sich von der Freimaurerei Antworten auf die letzten Fragen erhoffen. Nun kann diese Suche verschiedene Gründe besitzen. Einige erhoffen sich einen gesellschaftlichen Aufstieg oder geschäftliche Beziehungen. Andere möchten magische Spökenkiekerei betreiben.

Für wieder andere ist es ein Geselligkeitsverein oder sie sind stolz darauf, in einer Reihe mit großen Namen wie Mozart, Lessing und so weiter zu stehen. Aus diesem Sammelsurium verschiedener Charaktere setzt sich dann eine esoterische Laienspieltruppe zusammen, die ein absurdes Ritualtheater aufführt. Dabei verfallen einige dem Irrglauben, sie seien einem hochmagischen Orden beigetreten, wo sie geheime Weisheiten erhaschen könnten. Doch die vermeintlichen Zauberlehrlinge müssen, wenn sie ehrlich sich selbst gegenüber sind, erkennen, dass sie in einen leeren Raum geführt wurden, von dem aus eine Tür zum nächsten Raum offen steht.

So durchschreitet der Maurer das Gradsystem – immer in der Hoffnung, Erkenntnis zu gewinnen, und kommt doch nur von einem leeren Raum in den nächsten – am Ende bleibt nichts als Leere. Seelische und metaphysische Leere.

Seit dem Kirchenbann von Papst Clemens XII . von 1738 ist es Katholiken verboten, aktives Mitglied einer Loge zu sein. Was hat die Kirche zu diesem Verbot veranlasst?

Gorissen: Glaubt jemand allen Ernstes, ein Papst hätte einen Kirchenbann gegen die Freimaurer ausgesprochen, wenn diese sich lediglich als humanistischer Freundschaftsbund präsentiert hätten? Wir dürfen nicht das freimaurerische Gottesbild vergessen. Von dem „Großen Baumeister aller Welten“ sagen die Freimaurer, darunter könne sich jeder vorstellen, was er gerade mag. Und dennoch entpuppt sich dieser große Architekt bei genauerem Hinsehen als der Demiurg der Gnostiker.

Das lässt sich schon ganz einfach daraus ableiten, dass die Freimaurer Gott als einen Schöpfer sehen, der sich nach der Schöpfung von dieser abgewandt hat und sozusagen ins Dunkel seiner eigenen Geschichte zurückgefallen ist. So wird ein Freimaurer immer nach wissenschaftlichen Erklärungen suchen.

Diese reduziert man dann wieder auf die Beliebigkeitsformel, dass jeder glauben kann, was er will, um letztlich bei der Frage stehen zu bleiben, was sich wohl in der Nanosekunde vor dem Urknall ereignet haben könnte. Auf jeden Fall muss man festhalten, dass die Freimaurerei das Christentum als Ausdruck einer geschichtlichen Epoche ansieht. Damit wird jeder Erlösungsgedanke verneint. Dem kann kein Christ ernsthaft zustimmen – erst recht nicht der oberste Hirte.

Immer wieder gab es Kontakte zwischen den Logen und hochrangigen Vertretern der katholischen Kirche, wie zum Beispiel zwischen dem Wiener Kardinal Franz König und dem österreichische Großmeister Kurt Baresch. Ist ein Dialog zwischen den Freimaurern und der katholischen Kirche sinnvoll oder vielleicht sogar notwendig?

Gorissen: Wenn Sie als Freimaurer einen Tempel betreten, müssen Sie Jesus verleugnen. Dazu gibt es keine direkte Aufforderung und die meisten Logenbrüder wissen gar nicht, dass sie es im Stillen tun. Aber die Freimaurer stellen Jesus Christus auf eine Stufe mit Buddha, Platon, Konfuzius oder Zarathustra. Ganz deutlich wird das im Ritual des 32. Grades. Doch auch in allen anderen Graden verleugnet man die Gottessohnschaft Jesu Christi, indem man mit einer völlig falsch verstandenen Toleranz ein relativistisches Gottesbild propagiert.

Deshalb stellt sich die Frage, zu welchem Ergebnis ein solcher Dialog führen soll. Was die Freimaurer wollen, ist eine Art Light-Version des Christentums, eine Art Weltreligion, in der Jesus entgöttlicht wird.

Im neunzehnten Jahrhundert galten die Freimaurerlogen als besonders kirchenfeindlich. Dies zeigte sich besonders in Italien und in Frankreich. Wie ist deren Einstellung zur katholischen Kirche heute? Sucht die Freimaurerei den Kontakt zu ihr?

Gorissen: Auf jeden Fall ist sie an allem interessiert, was sie für ihre Zwecke nutzen kann. Dabei heiligt der Zweck die Mittel. Momentan verhält sich die Freimaurerei als Wolf im Schafspelz. Mit Blick auf die antikatholischen Auswüchse in früheren Zeiten könnte man zugespitzt behaupten, damals sei sie dahergekommen wie ein Schaf im Wolfspelz.

Einige Freimaurer sehen sich gern als Erben des Osiris- und Mithras-Kultes oder anderer archaischer Kulte. Doch das freimaurerische Gottesbild ist und bleibt gnostisch. Betrachten wir eine Aussage des französischen Kriminologen Alain Bauer. Der Ex-Großmeister der Großloge des „Grand Orient“, inzwischen zum innenpolitischen Berater von Präsident Sarkozy aufgestiegen, bezeichnet die Maçonnerie als „eine Art Kirche der Republik“.

Zu einer solchen Aussage würde sich kein deutscher Freimaurer hinreißen lassen. Dabei ist man in gewisser Weise ehrlich. Die Freimaurer wollen eine Art Weltreligion, wie eine Schrift des Freimaurerautors Rolf Appell beweist.

In Ihrem Buch unterscheiden Sie die Freimaurer in eher harmlose Mitglieder der drei ersten, blauen Grade und in Hochgradfreimaurer. Wo sehen Sie den Unterschied bei deren Einfluss auf die Gesellschaft?

Gorissen: Die Hochgradmaurer geben als Parole aus: „Vom Symbolismus zum Aktivismus“. Das impliziert deutlich eine Einflussnahme auf die Gesellschaft. Immer wieder wird betont, dies könne nur der Einzelne tun, nicht die Großloge als Ganzes. Wir müssen auch festhalten, dass im 30. Grad, dem Templer-Grad, der Aufzunehmende gelobt, Rache zu nehmen für Jacques de Molay, den letzten Großmeister des Templerordens, und seine Ordensbrüder. Dabei heißt es: „Wir wollen sie rächen gegen weltliche und geistliche Diktatur.“

Soweit, so löblich. Doch weiter heißt es dann: „Und dabei soll es gleichgültig sein, ob sie die päpstliche Tiara oder die Mönchskutte tragen oder ob ein Volksverführer das Gesetz mit Füßen tritt“. Das Unglaubliche, das hier passiert, ist, dass man den Papst gleichsetzt mit Diktatoren. Weiter wird gesagt: „Ein Tag unserer Rache war es, als allen Machthabern zum Trotz die Menschenrechte proklamiert wurden.“ Bei diesem Satz bleibt einfach der schale Nachgeschmack, dass die doch so wichtigen Menschenrechte als ein Akt der Rache definiert werden.

In Freimaurerkreisen wurden Sie wegen Ihres Buchs heftig angegriffen. Was war für Sie die Motivation, dieses „Bekennerbuch“ zu schreiben? Hoffen Sie, dass andere Freimaurer Ihrem Beispiel folgen?

Gorissen: Ich bete täglich dafür. Denn unter den Freimaurern gibt es etliche gutgesinnte Menschen, die einfach in diesem Räderwerk gefangen sind. Man darf nicht vergessen, dass die Freimaurerei eine Idealistenfalle ist. Leider bekomme ich einige empörte Zuschriften. Diese Maurerbrüder haben sich bereits so sehr im Lügengespinst des Relativismus verfangen, dass ihnen die Erkenntnis fehlt, wie sehr ein Mensch vom Glauben ergriffen werden kann.

Aber das muss nichts heißen, vor fünf Jahren hätte ich an eine solche innere Wandlung, wie ich sie erfahren durfte, auch nicht geglaubt. Meine eigene Erfahrung zeigt mir, wie wichtig das Gebet für scheinbar verlorene Seelen ist. Ich wünsche jedem Suchenden das beglückende Wissen von der Geborgenheit in Gottes Hand.

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