'Unser Kirche ändert sich, und zwar schnell und massiv'

26. November 2009 in Interview


"Wir sind Vermittler, nicht Wiederholer" – Warum "Radio Vatikan" kein Verkündigungssender ist - Kath.Net-Exklusiv-Interview mit P. Bernd Hagenkord, neuer Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan, über seinen neuen "Traumjob"


Rom (kath.net/rn)
P. Bernd Hagenkord ist seit wenigen Tagen der neue Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan. Kath.Net sprach mit ihm über „Radio Vatikan“, seine journalistischen Pläne und warum „Radio Vatikan“ kein Verkündigungsradio ist.

Kath.Net: Herr P. Hagenkord, Sie übernahmen vor wenigen Tagen das Amt des Chefredakteurs von "Radio Vatikan" von P. Eberhard von Gemmingen. Geht damit Ihr Traumjob in Erfüllung?

Hagenkord: Ich war ziemlich überrascht, als mein Ordensoberer mir sagte, ich solle doch als nächstes - nach meinen sechs Jahren als Jugendseelsorger in Hamburg - nach Rom zum Radio gehen. Nicht im Traum wäre mir das eingefallen. Aber jetzt, wo ich hier bin und die Arbeit lerne und die Menschen und die Stadt, jetzt muss ich schon sagen, dass es ein Traumjob ist.

Kath.Net: Wieviel Menschen erreicht "Radio Vatikan"? Wer hört "Radio Vatikan" im deutschen Sprachraum?

Hagenkord: Das weiß ich gar nicht so genau. Keine gute Antwort, ich weiß, aber ich habe keine andere. Zunächst ist der Sender ja nicht einer der wirklich großen Sender. Und da er auf deutsch auch nur 35 Minuten pro Tag zu hören ist, ist das Erfassen von Hörerzahlen auch schwer. Andererseits bekommen wir viel Mails von Hörerinnen und Hörern, die uns über das Internet hören oder per podcast. Oder die unseren Newsletter lesen. Das nimmt zu. Aber ich bin noch nicht lange genug dabei, um einen genauen Überblick zu haben.

Kath.Net: Wie finanziert sich "Radio Vatikan"?

Hagenkord: RV ist ein Sender des Heiligen Stuhles, bezahlen tut also der Papst. Das gilt für alle 40 Redaktionen und natürlich auch für den gesamten technischen Stab. Insgesamt arbeiten fast 400 Menschen hier. Und wir alle arbeiten für den Papst.

Kath.Net: In einem Interview mit der KNA sprachen Sie diese Woche davon, dass "Radio Vatikan" kein Verkündigungssender ist und Sie eine "professionelle Distanz" zum System bewahren müssen. Warum eigentlich nicht? Was ist "Radio Vatikan" sonst und warum brauchen Sie die "professionelle Distanz" zum System?

Hagenkord: Wir sind Vermittler, nicht Wiederholer. Der Papst und die ganze Kirche sprechen heute gleichzeitig in allen Sprachen, sozusagen. Derselbe Satz hat aber in Deutsch vielleicht eine ganz andere Bedeutung, sagen wir, weil bei uns Ökumene sehr wichtig ist, als er es in einem rein katholischen oder rein atheistischem Land. Also müssen wir vermitteln. Das können wir aber nur, wenn wir unsere Hörerinnen und Hörer verstehen. Und das können wir nur, wenn wir verstehen, worum es gerade geht. Da können wir, wenn wir unseren Auftrag ernst nehmen, nicht einfach nur wiederholen. Dazu bräuchte es keine Journalisten.

Noch etwas Anderes: gerade das Netz ist ja voller Meinungen. Und die ersetzten zunehmend die Fakten. Jeder, der was meint, macht einen Blog oder eine Seite. Da fehlt völlig die Distanz und die Professionalität. Wer uns hört oder liest, der kann sich im Gegenteil dazu auf beides verlassen.

Kath.Net: Wo sehen Sie die Zukunft für "Radio Vatikan"? Wird es Änderungen im "internen System" geben? Werden Sie versuchen, "neue Märkte" zu bearbeiten?

Hagenkord: Das muss ich erst noch schauen, das kann ich noch nicht direkt beantworten. Zum einen ist natürlich das Internet der Markt der Zukunft, Kurzwellenradio und die Mittelwelle sind bei uns in Zentraleuropa nicht wirklich Medien der Zukunft. Andererseits ändern sich die Änderungen da auch sehr schnell, wenn ich das einmal so ausdrücken darf. Ja, wir wollen die "neuen Märkte"
bearbeiten, werden aber genau sehen, wie wir das tun können und wollen.

Kath.Net: An "Radio Vatikan deutsch" gab es in der Vergangenheit manchmal Kritik, weil ab und zu auch kirchenkritische Stimmen zu Wort kommen durften, beispielsweise durfte Anfang 2009 Prof. Fuchs in Radio Vatikan die Zulassung von Frauen zum Priesteramt fordern. Etwa zum selben Zeitpuntk wurde dann Novartis-Chef Vasella als Kommentar von RV abgesetzt, weil Novartis Verhütungsmittel verkauft und auch bei der Forschung von embryonalen Stammzellen tätig ist. Wo sehen Sie die Grenzen, was in der Berichterstattung von "Radio Vatikan" vorkommen darf?

Hagenkord: Die Vergangenheit kann ich nicht kommentieren. Aber erst einmal gilt, dass es keine ideologischen Schranken gibt. Natürlich melden wir nicht jeden, der irgend etwas fordert, aber manchmal ist eine solche Forderung - um was auch immer es geht - Teil unserer kirchlichen Realität und dann gehört das in unser Programm. Zum anderen: Kritik ist ja nicht immer gleich Kritik. Wenn wir ein Programm so machen wollten, dass alle einverstanden wären, dann wäre das ja völlig nichtssagend. Sobald etwas interessant ist oder stark oder neu oder von uns Änderung verlangt, wehren sich viele. Und das heißt dann auf einmal "umstritten" oder so. Unser Kirche ändert sich, und zwar schnell und massiv. Da ist es ein Gebot der Redlichkeit, genau hinzusehen und zu berichten, was aus unserer Sicht - und wir sind ja nicht irgendein Sender, sondern der Sender des Papstes - wichtig und berichtenswert ist. Was genau das ist, dafür gibt es keine benennbaren Grenzen, dass muss von Fall zu Fall unterschieden und entschieden werden.

Kath.Net: Letzte Frage: Wie beurteilen Sie die Amtszeit von Papst Benedikt?

Hagenkord: Dazu steht mir kein Urteil zu.

Kath.Net: Danke für das Interview und Gottes Segen für Ihre Arbeit!

Foto: (c) www.sankt-ansgar-schule.de


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