'Sexualität braucht Leitplanken'

19. Oktober 2009 in Österreich


Deutsche Religionsphilosophin Gerl-Falkovitz sprach in Wien über "Leibfeindlichkeit" und "Leibfreundlichkeit" und die kulturelle Leistung des Christentums


Wien (kath.net/sk)
Das Christentum hat die Bedeutung und die Einzigartigkeit des menschlichen Leibes herausgestellt, entgegen vielen anderen Traditionen, die den Körper bloß als „wesenlose Hülle“ sehen. Das betonte die deutsche Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz kürzlich bei ihrem Vortrag „Christentum: leibfeindlich – leibfreundlich?“ im Wiener Kulturzentrum Währing. Dass Schlagwörter wie „leibfeindlich“ oder „leibfreundlich“ angesichts heutiger kultureller Phänomene schwer zu definieren sind, zeigte Gerl-Falkovitz anhand konkreter Beispiele wie der massiven Zunahme von Essstörungen, der „Aufrüstung“ des Körpers durch Doping oder von Selbstverstümmelungen. Diese Tendenzen seien Indikatoren einer tiefen Verunsicherung gegenüber dem Leib, der zum bloßen Körper degradiert wurde.

Im christlichen Menschenbild „habe ich nicht bloß einen Körper“, den ich austauschen könnte, sondern „ich bin mein Leib“, unterstrich die Professorin für Religionsphilosophie und Vergleichende Religionswissenschaft an der TU Dresden. Es sei „das Fleisch“, das den Menschen einzigartig und letztlich zu einem unverwechselbaren „Ich“ mache. Das jetzige Leben ist nicht bloß ein vergänglicher „Schein“, wie es etwa die hinduistische und buddhistische Reinkarnationslehre sieht, sondern „ein einziges, reales Leben in meiner Leiblichkeit“.

Die Grundlage für diesen Zugang sieht Gerl-Falkovitz an der im christlichen Glauben einzigartigen „Fleischwerdung Gottes“. Bereits im Alten Testament wird der Leib positiv bewertet, und zwar in der Zweiheit der Geschlechter. Während Platon von der Teilung eines ursprünglich einheitlichen Menschen in zwei „Hälften“ ausgeht und das als Strafe der Götter beklagt, zeige der biblische Schöpfungsbericht von der Erschaffung des Menschen als Mann und Frau eine ganz andere Sicht: „Gehälftet sein ist Glück!“

Gerade im Umgang mit der Geschlechtlichkeit sieht Gerl-Falkovitz drei große kulturelle Leistungen des Christentums, die auch zentraler Punkt der Enzyklika Humane Vitae (1968) sind: Die Einehe, die Unauflöslichkeit der Ehe sowie die Offenheit für Kinder. Das Verhältnis zum Kind sei entscheidend für das Gelingen einer Beziehung. Der Anspruch der Unauflöslichkeit der Ehe trage zur „Sicherung eines fragilen Verhältnisses“ bei, indem „Rückzugsmöglichkeiten“ ausgeschlossen werden: „Wenn man von vorneherein eine Hintertüre offen hält, unterhöhlt das die Beziehung.“ Die monogame Ehe habe etwa zur „Stabilisierung und Kultivierung“ der Geschlechterbeziehungen beigetragen: Die Ehe erfülle damit nicht mehr bloß einen Zweck, etwa die Versorgung der Beteiligten, sondern habe einen „Sinn“ in sich selbst.

Kritisch äußerte sich Gerl-Falkovitz gegenüber der Gender-Theorie oder der virtuellen „Auflösung des Körpers“ im Internet, Beide laufen Gefahr, den Körper als bedeutungsloses „Instrument“ anzusehen, der „von sich selbst keine Aussage mehr macht“. Besorgt zeigte sie sich, dass die kulturellen Leitplanken für einen positiven Umgang mit Sexualität weggebrochen sind. Dies würde sich destruktiv auf Persönlichkeit und Beziehungen von Jugendlichen auswirke, die hier „in ein offenes Messer laufen“. Es gehe längst nicht mehr um die Frage von Verboten, sondern was eigentlich das Ziel sei. Hier habe das Christentum einen reichen Schatz an Antworten.



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