28. August 2009 in Österreich
In der Debatte um die Ehrung der Wiener Abtreibungsklinik sind die politischen Fronten klar. Von SPÖ und Grünen hagelt es Kritik an Schönborns Brief und der "rückschrittlichen Kirche".
Wien (kath.net) "Es gibt beim Jubiläum des Ambulatoriums am Fleischmarkt, wo jedes Jahr zahlreiche Abtreibungen durchgeführt werden, nichts zu feiern." Das sagte die Frauensprecherin der ÖVP Wien, Barbara Feldmann (Foto), zur Ehrung der Klinik durch die Wiener SPÖ in einer Aussendung.
Am dritten September ist im Wiener Rathaus ein feierlicher Cocktailempfang im Stadtsenatssitzungssaal für Mitarbeiter der Abtreibungsklinik geplant, weil diese seit genau 30 Jahren besteht. Kardinal Christoph Schönborn hat in einem persönlichen Brief an den Wiener Bürgermeister Michael Häupl darum gebeten, die Veranstaltung abzusagen, kath.net hat berichtet..
Die Organisatorin, SP-Stadträtin Sonja Wehsely, ließ bereits wissen, dass eine Absage keine Option sei, wie die Presse berichtet. Sie und die SPÖ bestünden auf dem Recht der Frau auf Selbstbestimmung: Alle Versuche, dieses Recht anzutasten, sind indiskutabel. Bürgermeister Häupl ist nach Angaben der Zeitung über das Schreiben des Kirchenoberhauptes not amused und feile noch an einer Antwort.
Die ÖVP-Frauensprecherin Feldmann bezeichnete die geplante Feier im Rathaus als deplaziert. Schwangere in Not benötigten Hilfe, Beistand und flankierende soziale Maßnahmen. Derartige Maßnahmen würden von der Stadt noch nicht umfangreich genug angeboten.
"Anstatt der Feier einer Tätigkeit, hinter der die Notsituationen und der persönliche und soziale Stress vieler Frauen stehen, sollte die Stadt Wien endlich jene Maßnahmen setzen, die seit den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts versprochen, bis dato aber noch nicht umgesetzt wurden", so die VP-Politikerin weiter. In der Stadt Wien gibt eine SPÖ-Alleinregierung.
Feldmann forderte, dass endlich eine seriöse Studie in Auftrag gegeben werde, die untersucht, was Frauen zu einer Abtreibung veranlasst. Weitere Anliegen sind ein umfangreiches Beratungsangebot sowie ein Sozialprogramm für Frauen, die sich letztlich für ihr Kind entscheiden. "Dafür muss aber auch Geld in die Hand genommen werden. Die Entscheidung der Frauen für das Kind muss ermöglicht und unterstützt werden.
Grüne Vana: Durchaus ein Grund zum Feiern
Dem widersprach die Stadträtin Monika Vana von den Grünen. Das Ambulatorium am Fleischmarkt biete Frauen ein Angebot, das nicht mehr weggedacht werden kann und darf. 30 Jahre Bestehen des Ambulatoriums sind durchaus ein Grund zum Feiern, wurde doch hier vielen Frauen Rat und Unterstützung in einer schwierigen Lebenssituation geboten."
Kirche und ÖVP dürften den Frauen nicht das Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper absprechen. "Vielmehr gilt es, Schwangerschaftsabbrüche endlich in allen öffentlichen Spitälern zu ermöglichen und auf Krankenschein anzubieten", legt die Grünpolitikerin ihre Ziele offen.
SPÖ-Bundesfrauengeschäftsführerin Mautz: Schönborn überschreitet eine Grenze
Im Stundentakt ergingen dann im Laufe des Freitags die weiteren Kommentare der politischen Vertreter von Rot und Grün. Einhelliger Tenor dabei war, dass an der Fristenregelung nicht gerüttelt werden dürfe, da sie zur "Selbstbestimmung der Frau" gehöre. Die Kirche habe kein Recht zur Kritik.
So äußerte sich SPÖ-Bundesfrauengeschäftsführerin
Andrea Mautz in einer Aussendung: "Es ist höchste Zeit, dass die Katholische Kirche das
Selbstbestimmungsrecht der Frauen akzeptiert und die Fristenregelung nicht mehr in Frage stellt." Mit dem Brief an Häupl "überschreitet Schönborn definitiv eine Grenze, die nicht akzeptabel ist", meinte Mautz.
"Die Fristenregelung steht nicht zur Debatte und wir werden keinerlei Rückschritte dulden", so die SPÖ-Bundesfrauengeschäftsführerin. Sie kritisierte auch die katholische Position zur Verhütung und forderte in diesem Punkt eine "zukunftsweisende" Auseinandersetzung, da sich die Kirche "der Realität der Menschen verschließe".
Grüne Frauensprecherin Schwentner: "Rückständig und frauenfeindlich"
In dieselbe Kerbe schlägt die Frauensprecherin der Grünen, Judith Schwentner: "Die Fristenlösung und das Selbstbestimmungsrecht der Frauen dürfen nicht angetastet werden. Das pro:woman-Ambulatorium hat viel für die psychische und physische Gesundheit von Frauen getan, das ist ein Grund zum Feiern." Sie argumentierte, dass Frauen vor Einführung der Fristenlösung "an den Folgen von illegalen Abtreibungen unter unwürdigen Bedingungen" litten und dass manche Frauen durch die Schwangerschaft gefährdet sind.
Die Vertreter der Kirche pflegten einen "rückständigen und frauenfeindlichen Umgang mit dem Thema Sexualität". Zudem sprach sie von einem "verbalen
Holzhammer", mit dem Kirchenvertreter medial "auf eine derart sensible Materie einzuhauen". Einen "besseren und kostengünstigeren Zugang zu Verhütungsmitteln" hält auch Schwendtner für eine Vorbeugung der Abtreibung.
Sozialistische Jugend: Abtreibung im ganzen Land auf Krankenschein
Aggressiv-kirchenfeindliche Töne verlauteten ebenso aus der Sozialistischen Jugend: "Die Katholische Kirche soll endlich damit aufhören, an der Fristenlösung zu rütteln und das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung in Frage zu stellen", forderte Christine Utzig, Frauensprecherin der Sozialistischen Jugend Österreich (SJÖ) in einer Aussendung.
"Schönborn und Co. sind derart weit von der Lebensrealität insbesondere von Frauen entfernt, dass sie sich in Wirklichkeit nicht mal anmaßen dürfen über die Situation von Frauen, die sich in einer schwierigen Lebenslage befinden, zu urteilen", so Utzig wörtlich.
Das 30-jährige Bestehen des Ambulatoriums pro:woman sei ein Anlass zu feiern, da die "kostenlose medizinische und psychologische Beratung und Hilfe des Ambulatoriums ein wichtiges Angebot für Frauen" sei, "das von niemandem, schon gar nicht von der Kirche, in Abrede gestellt werden darf."
Abtreibung sei ein "rückschrittliches und frauenfeindliches Kernthema der Kirche", das nur ihre "Bedeutungskrise" zeige. "Zukunftsweisend" wäre für Utzig folgende Forderung: "Schwangerschaftsabbrüche müssen in öffentlichen Spitälern in ganz Österreich und auf Krankenschein möglich sein." Die Kirche sei "als Dialogpartnerin ausgeschieden", da sie gegen Verhütungsmittel sei. "Vielmehr muss sich die Kirche endlich aus der Sexualerziehung zurückziehen", meinte Utzig abschließend.
ÖVP-Familienstaatssekretärin Marek: Gegen "Ignoranz und Grobheit" der Kritik
Als zu ernst für Cocktailpartys bezeichnet andererseits ÖVP-Familienstaatssekretärin Christine Marek die geplanten Feierlichkeiten im Rathaus. Sie äußerte außerdem ihr Befremden über die Reaktion der SPÖ auf das Schreiben von Kardinal Schönborn, das in der Aussendung als "Schreiben zur Fristenregelung" bezeichnet wird: Auch wenn man unterschiedlicher Meinung ist, so ist von einer Kanzlerpartei gerade bei einem derart wichtigen Thema Respekt und Ernsthaftigkeit in der Diskussion zu erwarten.
Kritisiert werden die Aussagen der SPÖ-Frauen: Wer vorgibt im Interesse der Frauen zu handeln, sollte in dieser sensiblen Frage nicht mit Ignoranz und Grobheit antworten.
Fristenregelung "absolut außer Streit"
Für die Familienstaatssekretärin "stand und steht die Fristenregelung absolut außer Streit", allerdings fehle es bis dato an flankierenden Begleitmaßnahmen. Sie frage sich, "warum es bis heute so schwierig ist, über Maßnahmen zu diskutieren, die Frauen bei dieser Entscheidung und vor allem auch in der Frage über Alternativen zu unterstützen und zu begleiten, so Marek.
Marek plant, im Herbst gemeinsam mit den Präsidenten der Ärztekammer und der Apothekerkammer eine Informationsbroschüre zu präsentieren. Diese Broschüre soll von Ärzten und in Apotheken beim Kauf eines Schwangerschaftstests ausgegeben werden und soll Alternativen zur Abtreibung aufzeigen, "ohne aber Druck auf die betroffenen Frauen auszuüben". Die Broschüre wurde unter Mitwirkung der Lebensschutzbeauftragten der Erzdiözese Wien, Stephanie Merckens sowie der Aktion Leben entwickelt.
Auch eine Informationsveranstaltung mit der Ärztekammer sei für den Spätherbst geplant. Dabei sollen "Ärztinnen und Ärzte für den Umgang mit Schwangeren in schwierigen Situationen sensibilisiert werden", da gerade diese die ersten Ansprechpartner seien.
Foto: (c) ÖVP Wien
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