Zur Echtheit des Paulusgrabes

30. Juni 2009 in Aktuelles


Spektakulärer hätte Benedikt XVI. das von ihm ausgerufene Paulus-Jahr nicht beenden können. Von Paul Badde / Die Welt.


Rom (kath.net/Die Welt) „Auch ungewöhnliche Wunder tat Gott durch die Hand des Paulus“, heißt es in der Apostelgeschichte des Lukas. „Sogar seine Schweiß- und Taschentücher nahm man ihm vom Körper weg und legte sie den Kranken auf; da wichen die Krankheiten, und die bösen Geister fuhren aus.“ Nicht nur für Gläubige muss nun die Entdeckung von Teilen der Kleider des Apostels als archäologische Sensation sondergleichen bezeichnet werden.

Doch nicht nur das. Das christliche Rom wurde mit Kaiser Konstantin im vierten Jahrhundert quasi über den Apostelgräbern neu gegründet und errichtet. Die Barockkuppel des Petersdoms über dem Grab des Apostelfürsten gibt der Stadt der Päpste darum bis heute ihr unvergleichliches Profil.

Und Benedikt XVI. ließ es sich deshalb am Sonntagabend auch nicht nehmen, selbst und höchstpersönlich zu verkünden, was erste Erkundungen des Sarkophages in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern inzwischen ans Licht gebracht haben – auch wenn bislang vor allem nur als Lichtbilder auf den Bildschirmen diverser Rechner.

Wir sind hier versammelt beim Grab des Apostels“, begann der Papst seine Predigt, „dessen Sarkophag unter dem Papstaltar kürzlich Gegenstand einer sorgfältigen wissenschaftlichen Analyse geworden ist. In den seit Jahrhunderten verschlossenen Sarkophag wurde eine winzige Öffnung gebohrt, durch die sich eine Spezialsonde ins Innere führen ließ, wo sie Spuren von kostbarem purpurfarbenen Leinen zu Tage förderte, besetzt mit Blattgold, und von einem blauen Textil mit Leinenfasern.

Außerdem rote Weihrauchkörner, eiweiß- und kalkhaltige Substanzen, und winzige Knochenfragmente, deren C-14-Untersuchung durch Experten (denen die Herkunft der Objekte nicht mitgeteilt worden war) ergab, dass sie einer Person gehörten, die im 1. oder 2. Jahrhundert gelebt hat. Dies scheint die einmütige und unangefochtene Tradition zu bestätigen, dass wir es hier mit den sterblichen Überresten des Apostels Paulus zu tun haben. All dies erfüllt uns mit tiefer Bewegung.“

Spektakulärer hätte Benedikt XVI. das von ihm ausgerufene Paulus-Jahr nicht beenden können. Dennoch muss gerade bei ihm als selbstverständlich gelten, dass er die Untersuchung nicht aus taktischem oder gar medialem Kalkül betrieben hat, sondern mit jener wissenschaftlichen Neugier, die schon sein theologisches Werk durchzieht. Tatsächlich hat er mit dem Schritt zwar einmal mehr das Gesetz des Handelns wieder an sich gezogen – doch die aufrichtige Nähe des Nachfolgers Petri zum Apostel Paulus, der keine Nachfolger hatte, überwiegt ganz offensichtlich alle seine anderen Motive.

Hier sieht er nun, dass Paulus wie ein König begraben wurde oder – wahrscheinlicher - nach seinem Tod umgebettet worden war, als dessen Verehrung im vierten Jahrhundert den Umbau der kleinen Gedenkstätte auf einem antiken römischen Friedhof an der Via Ostiense in eine große Basilika unumgänglich werden ließ.

Der Verdacht, dass davor vielleicht zu einem Riss der Tradition für die Identität des Apostelgrabes gegeben haben könnte, kann danach vernünftigerweise nur als absurd eingeschätzt werden. Es war nicht der heilige Dingdong, der hier begraben worden war.

So liegen hier also nun wirklich die sterblichen Überreste des Apostels Paulus so vor uns wie die des Petrus, dessen Grab erst von Pius XII. in umfangreichen Grabungen in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts unter dem Hauptaltar von Sankt Peter erstmals freigelegt wurde. Hier aber haben wir wohl einen viel reicheren Umfang der Fundstücke vor uns.

Petrus hatte Jesus von Nazareth in der Nacht vor dessen Hinrichtung verlassen und verleugnet und keiner hat die frühe Kirche schärfer verfolgt als Paulus. Er „hatte eine Wut ohne gleichen gegen die werdende Kirche entfesselt“, sagte Bernhard von Clairvaux im 12. Jahrhundert, „doch dann wurde Paulus zum Glauben geführt durch den Sohn Gottes selbst. Im Gegenzug zu so großen Schandtaten wurde er mit überragenden Gütern überhäuft und zum auserwählten Werkzeug gemacht, den Namen des Herrn vor Völker und Könige und die Söhne Israels zu tragen.“

An dieser Geschichte wird die Wiederentdeckung des Grabes nichts ändern. Sie wird viele Erkenntnisse vertiefen und die Erinnerung an den Anfang der Christenheit auf neue Weise beleben. Die erste Sondierung vom Innern des Sarkophages kann daher nur begriffen werden als die Lektüre einer ersten Seite eines neuen Buches, das damit nun aufgeschlagen wurde.

Die Sondierung war ein Pilotprojekt, dem gewaltige Untersuchungen noch folgen werden, wie Kardinal Andrea Cordero Lanza di Montezemolo verraten hat, der Erzpriester von Sankt Paul vor den Mauern:„Für Forscher und Archäologen ist das eine schwierige Herausforderung. Zuerst müsste der Papstaltar, der unmittelbar über dem Grab steht, zerstört und der Baldachin eventuell zur Seite gerückt werden. Der Sarkophag ist riesig, man könnte ihn nicht an Ort und Stelle untersuchen, sondern müsste ihn nach außen schaffen.“

Hier ist alles tonnenschwer und eine Aufgabe für schwerstes Gerät und feinste Pinzetten. Dieser Prozess wird die Wissenschaft gewiss noch Jahre beschäftigen. Hier hat alles seine Weile. Dass der Papst grünes Licht für die Sondierung gegeben hatte, wurde ja erstmals in der WELT schon vor zwei Jahren berichtet.

Und schon vor vier Jahren hatten wir einen allerersten Bericht über die Wiederentdeckung des Paulusgrabes mit den Worten beendet: „Paulus selbst begriff sich schon zu seinen Lebzeiten als ‚Duft, der von Jesus Christus ausgeht’. Vielleicht bewegt diese Erinnerung den neuen deutschen Papst ja bald, den Sarkophag noch einmal ganz freilegen zu lassen – oder zumindest das Ventil in dieser christlichen Wunderlampe zu öffnen, damit der Duft und die Erkenntnis dieses Heiligen die Basilika und das Europäische Haus noch einmal neu erfüllt wie Rauch aus einem Weihrauchfass.“

Große Agenturen taten die Sache damals gleich als Falschmeldung ab, während fürsorgliche Kollegen einer großen Schwesterzeitung dem Korrespondenten schon einen Sonnenstich bescheinigten. Danach trösten wir uns heute umso freudiger an dem Hohen Lied der Liebe des Paulus und freuen uns mit dem Nachfolger des Petrus von Herzen, dass er von seinem Mitapostel nun endlich einige Tücher gefunden hat, um mit ihnen hoffentlich bald wieder die bösen Geister zu vertreiben – nachdem er uns schon jetzt damit von unserem Sonnenstich völlig geheilt hat.

Foto: Paulus gemalt von Giotto, © Paul Badde


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