Weihbischof von Rio de Janeiro wird Sekretär des Familienrates

in Weltkirche


Karl Josef Romer wird Nachfolge von Gil Hellín, dem neuen Erzbischof von Burgos Interview mit Romer über die Kirche in Brasilien


Vatikan (kath.net/Zenit.org/KiN)
Weihbischof Karl Josef Romer von Riode Janeiro, gebürtiger Schweizer, wurde von Seiner Heiligkeit Papst JohannesPaul II. zum Sekretär des Päpstlichen Familienrates ernannt.

Bischof Romer war bereits 1997 Vorsitzender der Organisationskommission fürdas päpstliche Weltfamilientreffen in Rio de Janeiro, bei dem etlicheMillionen Familien mit dem Heiligen Vater zusammentrafen. Hierbei arbeiteteer auch mit der Organisation des Internationalen Theologenkongresses überdie Familie zusammen.

Der 69-jährige Bischof wurde in Benken in der Schweiz geboren und ging mit"fidei donum" 1965 in die Mission in die Erzdiözese San Salvador in Bahía.

Im Oktober 1975 ernannte ihn Papst Paul VI. zum Weihbischof von Rio deJaneiro. Bislang war er auch Herausgeber der brasilianischen Ausgabe derinternationalen Kulturzeitschrift "Communio". Innerhalb der brasilianischenBischofskonferenz war er Mitglied der Kommission für die kirchliche Lehre.

Er tritt die Nachfolge von Bischof Francisco Gil Hellín (61) an, der am 28.März zum Erzbischof von Burgos in Spanien ernannt wurde.

Der Päpstliche Familienrat unter der Leitung von Alfonso Kardinal LópezTrujillo wurde 1981 von Papst Johannes Paul II. zur Förderung derFamilienseelsorge und des Familienapostolates eingerichtet und ist dieAusführung des kirchlichen Lehramts, nach dem zur Erfüllung derapostolischen Bildungsmission der Kirche für christliche Familien Hilfevorgesehen ist.

Den Statuten zufolge fördert und koordiniert er die Seelsorge, die mit derAufgabe der "Fortpflanzung mit Verantwortung" zu tun hat. Außerdem obliegtihm auch die Koordination der Initiativen zur Verteidigung des menschlichenLebens in allen Stadien seines Daseins.

"Auch Brasilien ist ein Missionsland" - dennoch viele neue BerufungenGlauben, Kirche und soziales Engagement in Brasilien

Karl Josef Romer,Weihbischof der Erzdiözese Sao Sebastiao do Rio de Janeiro und Pater JesusHortal SJ, Rektor der Päpstlichen Universität von Rio de Janeiro sprachenmit dem internationalen katholischen Hilfswerk "Kirche inNot/Ostpriesterhilfe".

Es geht um die Erneuerung des Katholizismus in Brasilien, das steigendeInteresse am Priesteramt und das wachsende missionarische und sozialeEngagement der Laien und um die Bedeutung der Pfingstkirchen. "Kirche inNot/Ostpriesterhilfe" hat die Katholiken Brasiliens in den letzten zehnJahren mit mehr als 40 Millionen Euro unterstützt.

FRAGE: Ist Brasilien noch das größte katholische Land der Erde?

REKTOR HORTAL: In absoluten Zahlen stimmt das. Nach der letzten verfügbarenStatistik aus dem Jahr 1991 sind mehr als 83 Prozent der Brasilianerkatholisch - das sind fast 122 Millionen Menschen. Aber 1940 hat derKatholikenanteil noch 95 Prozent betragen und heute, zehn Jahre nach derletzten Erhebung, sind sicher weniger als achtzig Prozent katholisch.Weniger als die Hälfte der Brasilianer sind praktizierende Katholiken. AuchBrasilien ist heutzutage ein Missionsland Kein Zweifel.

FRAGE: Woran liegt das?

REKTOR HORTAL: Viele führen das vor allem auf das Wachstum der Sektenzurück. Aber am schnellsten wächst die Zahl derer, die angeben, "ohneReligion" zu sein. Wir vermuten, dass heute schon dreizehn Prozent derBrasilianer keine Religion haben. Das heißt nicht, dass sie Atheisten sind,sondern, dass sie keiner Glaubensgemeinschaft angehören. Viele sind über diePropaganda der Sekten beunruhigt. Mich beunruhigt das nicht. Wenn einigeLeute Protestanten sind, beten sie zumindest denselben Gott an wie wir. Siebekommen dieselbe Taufe, sprechen dasselbe Glaubensbekenntnis. Das tun dieMenschen "ohne Religion" nicht. Bedrohlich ist weniger deren absolute Zahl,sieben Millionen, als das Wachstum.

FRAGE: Aber auch die "Sekten" wachsen. Was verstehen Sie darunter?

REKTOR HORTAL: Man muss deutlich die traditionellen evangelischen Kirchenwie Lutheraner, Baptisten, Reformierte usw. von den Sekten unterscheiden.Diese traditionellen protestantischen Kirchen haben wenig Anhänger, knappdrei Prozent, und auch sie verlieren an die Sekten. Aber die neuenDenominationen, vor allem die Pfingstkirchen, wachsen sehr schnell. 1991waren die Pfingstkirchen bereits doppelt so stark wie die traditionellenprotestantischen Kirchen.

WEIHBISCHOF ROMER: Das ist wahr, es ist aber nicht wahr, wie es immer heißt,dass die Sekten den großen Beutezug machen und die katholische Kircheaushöhlen. Die katholische Kirche hat in den letzten Jahren an bewusster,intensiver Arbeit zugenommen, sie hat aber einen Teil der Mitläufer an dieSekten verloren. Früher war fast das ganze Volk katholisch, aber wir hattennicht das Geld und nicht die Organisation, um in diesem riesigen Land mit180 Millionen Einwohnern überall präsent zu sein. So war es für die Sektensehr leicht, hier Fuß zu fassen. Außerdem hatten wir jahrzehntelang einengroßen Mangel an Priesterberufungen. Das hat sich jetzt sehr geändert.

FRAGE: Wird die Kirche gegen die Sekten aktiv?

WEIHBISCHOF ROMER: Wir arbeiten nicht direkt gegen die Sekten. Wir arbeitenfür das Volk. 1995 haben wir landesweit eine große Volksmission gestartet.Wir begannen in unserer Erzdiözese damit, zehntausend Laien - Frauen,Männer, Jugendliche, auszubilden. Später nannten wir sie "Missionare". Jetztsind es fast zwanzigtausend. Die Missionare besuchen Familien. In denletzten fünf Jahren haben wir etwa 250.000 Familien je dreimal besucht. Wirbringen ihnen die Bibel und das Kreuz Jesu Christi, das feierlich im Hausaufgestellt wird. Sie bekommen ein wunderschönes Bild der Heiligen Familie.Seitdem ist der Besuch der Gottesdienste in den 250 Gemeinden Rios starkangestiegen. Besonders wertvoll ist uns bei all diesen Aktivitäten die Hilfeaus Europa, besonders von "Kirche in Not/Ostpriesterhilfe". "Kirche in Not"gibt uns die Möglichkeit, Laien und Priester auszubilden.

FRAGE: Die Evangelisierungs-Offensive deutet ein Defizit im Glaubenswissender Katholiken an. Trifft das zu?

REKTOR HORTAL: Einer wissenschaftlichen Befragung der Jugend Rio de Janeiroszufolge glauben 61 Prozent an Reinkarnation. Afrobrasilianische Kulte habenlaut Statistik nur wenige Anhänger, aber an die Geistwesen derafrobrasilianischen Kulte glauben 33,6 Prozent. Viele Katholiken undProtestanten sind beides. Am Sonntag gehen sie zur Kirche, aber am Freitagzum Tereiro, das ist der Platz für afrobrasilianische Kulte. Wenn man siefragt, was sie sind, antworten sie: "katholisch", "baptistisch" usw., aberpraktisch ist das nicht ihre Religion. An Gnome, Elfen usw. glauben 13Prozent. Das ist unsere religiöse Wirklichkeit.

FRAGE: Wir sprachen schon vom Anstieg der Priesterberufungen. Woher kommtdas?

WEIHBISCHOF ROMER: So ganz begreifen wir es selbst noch nicht. Tatsache ist,dass das Interesse am Priesteramt in den letzten Jahren in ganz Brasilienexplodiert ist. Als ich vor fünfundzwanzig Jahren Bischof wurde, hatte dasPriesterseminar in meiner Diözese 12 Seminaristen. Jedes Jahr gab es eineeinzige Priesterweihe. Dann begannen wir die systematische Arbeit, nichtzuletzt das Gebet um Priesterberufungen. Wir kamen von einer Ordination proJahr auf zwei oder drei. Jetzt haben wir 140 Studenten im Priesterseminarunserer Erzdiözese, an denen wir viel Freude haben. Im Jahr 2000 hatten wiracht, letztes Jahr vierzehn Priesterweihen. In diesem Jahr werden esfünfzehn sein. So ähnlich ist das vielen der 280 Diözesen Brasiliens.

FRAGE: Äußert sich die neue Kraft der Kirche in Brasilien auch im sozialenEngagement?

WEIHBISCHOF ROMER: In Brasilien muss die pastoral-religiöse Arbeitwesentlich von sozialem Engagement begleitet sein. Um nur zwei Beispiele ausRio zu nennen: Es gibt jetzt über 1.500 Straßenkinder, die unter dem Schutzder Erzdiözese leben. Unsere Gläubigen leisten große Arbeit, um diese Kinderwieder in Familien zu integrieren - in ihre eigene oder eine andere Familie.Alle diese Kinder bekommen eine Schulausbildung, medizinische Hilfe,pädagogische Betreuung. Diejenigen, die 14 Jahre oder älter sind, lerneneinen Beruf.

Ein anderes Beispiel: Von Krankenhäusern kennt die große Mehrheit derBevölkerung nur die Fassade. Vielerorts muss eine Mutter, die einen Arzt fürihr krankes Kind braucht, ab vier Uhr morgens Schlange stehen. Oft kann espassieren, dass sie, wenn sie erst um fünf Uhr morgens kommt, schon dieNummer achtzig oder hundert in der Schlange ist und dass an diesem Tag nurvierzig oder fünfzig behandelt werden können. Wir haben jetzt schon mehr alsfünfzig Ärzte, die einen Tag oder einen Nachmittag in der Woche völligunentgeltlich in unsere Armenviertel, die Favelas gehen. Dort haben wirOrdensschwestern und andere Menschen mit einer gewissen medizinischenVorbildung, welche die Leute vorbereiten und die ernsteren Fälle dem Arztvorführen. Wir nennen solche Mediziner "Ärzte des Königreiches Gottes". Siesind eine große Hoffnung für uns.

FRAGE: Trotz all dieser Aktivitäten gewinnen die Sekten gerade auch unterden Armen Brasiliens Anhänger. Woran liegt das?

REKTOR HORTAL: Jedenfalls nicht am sozialen Engagement der Sekten, denn umsoziale Belange scheren sie sich überhaupt nicht. Sie proklamieren eine"Theologie des Wohlstands". Die Menschen gehen nicht dorthin, um die GüteGottes zu feiern, um Gott anzubeten, sondern um ihre aktuellen Probleme zulösen. Die Pfingstler versprechen, die Probleme von heute auch heute zubeseitigen. Sie versprechen materiellen Reichtum. Die Leute sind krank, siesind arbeitslos, sie sind depressiv. Die Sekten versprechen, dass dieseProbleme beseitigt werden, wenn man der Sekte beitritt und an sie spendet.Der Horizont der Ewigkeit fehlt. Man kann fragen, was Religion im Lebendieser Menschen überhaupt noch bedeutet: nur eine Maschine, um Wunder zukaufen. Ich gebe mein Geld und bekomme mein Coca Cola - ich gebe mein Geldund kaufe mein spezielles Wunder. Das widerspricht einer religiösen Haltung,einer Haltung der Anbetung und des Gottesdienstes.

FRAGE: Die Haltung der Anbetung ist besonders stark bei der in Brasilienjetzt sehr populären Katholischen Charismatischen Erneuerung, derenbekanntester Exponent der "singende Priester" Marcelo Rossi ist. War dieKirche in Brasilien vielleicht lange Zeit zu sehr auf soziale und politischeVeränderungen fixiert - Stichwort: Theologie der Befreiung - und hat diespirituellen Bedürfnisse der Menschen vernachlässigt?

WEIHBISCHOF ROMER: Vielleicht nicht die Kirche aber ganz große Teile derKirche. Vielerorts ist man sich heute bewusst geworden, dass man zwar diesozialen Aktivitäten nicht vermindern darf, aber vor allem ganz klar dasEvangelium verkündigen muss und zwar nicht im Namen einer Ideologie, sei eseines krassen Amerikanismus, sei es eines Marxismus, wie es früher leidergeschehen ist. Das hat bei vielen Menschen den Glauben teilweise ausgehöhlt.Jahrelang waren große Teile der Kirche hier zu einseitig und jetzt schlägtdas Pendel eben in wenig in die andere Richtung aus.

Marcelo Rossi feiert Gottesdienste mit teilweise zwischen einer halbenMillion und einer Million Teilnehmern, die ihm stundenlang zuhören. Da wirdviel gesungen. Rossi appelliert sehr stark an die lateinische Gefühlsart. Erverkündet schon die rechte Lehre, aber auf eine sehr herzliche Art, mit vielGesang und Bewegung. Derlei ist noch nicht die Lösung, aber ein wichtigerBeitrag.

FRAGE: Welche Bedeutung hat die Katholische Charismatische Erneuerung inBrasilien?

REKTOR HORTAL: Einige Soziologen glauben, dass die katholischenCharismatiker schneller wachsen als die protestantischen Pfingstler. Das istmöglich. Auf alle Fälle sind sie die am meisten sichtbare Bewegung inBrasilien. Es gelingt ihnen, viele Menschen von den Sekten zurückzuholen.Alle drei katholischen Fernsehsender Brasiliens werden von derCharismatischen Erneuerung getragen.

FRAGE: Wie sehen Sie die Zukunft des Katholizismus in Brasilien, was sinddie dringendsten Aufgaben?

WEIHBISCHOF ROMER: Wir müssen ganz gewiss eines erreichen: Der Laie muss einFührungsbewusstsein haben. Der Laie darf nicht bloß vom Priester geführtwerden. Er muss entdecken, wie er das Evangelium in die Welt übersetzt, wieer es bezeugt oder sogar verkündigt.

REKTOR HORTAL: Vor ein paar Monaten fragte ein Meinungsforschungsinstitut,welchen Institutionen die Brasilianer vertrauen: 30 Prozent sagten:katholische Kirche, 15 Prozent vertrauen den Zeitungen, 11 Prozentprotestantischen Gemeinschaften, ebenso viele dem Fernsehen - dem nationalenParlament: 1 Prozent, den politischen Parteien: 0 Prozent. Bei denBrasilianern, die nicht an Institutionen glauben, hat also die katholischeKirche bei weitem die höchste Glaubwürdigkeit. Unsere Wirklichkeit ist eineWirklichkeit mit vielen Schatten, aber auch vielen Hoffnungen. Wir habengroße Fähigkeiten zur Erneuerung.

Karl-Josef Romer ist 1932 in St. Gallen/Schweiz geboren. Während des ZweitenVatikanischen Konzils warben brasilianische Bischöfe um Priester aus Europa.Der 1958 zum Priester geweihte Romer, inzwischen als Theologieprofessorhabilitiert, folgte dem Ruf nach Brasilien, wo er 1975 zum Bischof geweihtwurde. Er ist heute Weihbischof für die Erzdiözese Sao Sebastiao do Rio deJaneiro.

Pater Jesus Hortal Sánchez SJ, ist Rektor der Päpstlichen KatholischenUniversität von Rio de Janeiro, einer der bedeutendsten brasilianischenUniversitäten.


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