Gott ist kein ‚Macher’

7. Juni 2009 in Spirituelles


Biblische Betrachtungen zum Dreifaltigkeitssonntag von P. Thomas Rosica CSB.


Toronto (www.kath.net/Zenit)
Eine der wichtigsten Dimensionen unseres einen und dreifaltigen Gottes ist die Liebesgemeinschaft, die für uns Menschen im Geheimnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit zum Vorbild wird. Für die Christen ist die Dreifaltigkeit das wichtigste Symbol des gemeinschaftlichen Miteinanders, das sich wesentlich durch die Vielfalt auszeichnet, die sie in sich trägt.

Wenn sich unser Glaube auf diesem trinitarischen Geheimnis gründet, das grundsätzlich ein Geheimnis des Gemeinschaft ist, dann müssen sich alle unsere irdischen Bemühungen und Initiativen auf den Aufbau menschlichen Miteinanders hin orientieren, das immer ein Abbild von Gottes reichem trinitarischen Leben ist.

Die für das Fest der Dreifaltigkeit, Lesejahr B, liturgisch vorgegebenen Lesungen aus dem Buch Deuteronomium (4,32-34;39-40) bieten einen exzellenten Ansatzpunkt, um in die Tiefen des Geheimnisses der Dreifaltigkeit vorzudringen. Hier finden sich die ermutigenden Worte des Moses an sein Volk Israel, die wir auf uns wirken lassen können: „Dort werdet ihr den Herrn, deinen Gott, wieder suchen. Du wirst ihn auch finden, wenn du dich mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele um ihn bemühst. Wenn du in Not bist, werden alle diese Worte dich finden.

In späteren Tagen wirst du zum Herrn, deinem Gott, zurückkehren und auf seine Stimme hören. Denn der Herr, dein Gott, ist ein barmherziger Gott. Er lässt dich nicht fallen und gibt dich nicht dem Verderben preis und vergisst nicht den Bund mit deinen Vätern, den er ihnen beschworen hat“ (Deut 4,29-31). Der ganze Abschnitt spricht von der besonderen Beziehung zwischen Gott und Israel, der Einzigartigkeit von Israels besonderer Berufung und der Einzigartigkeit des Gottes Israels.

Nach einer ganzen Reihe von rhetorischen Fragen richtet sich Moses mit dem vollem Bewusstsein, dass Gott allein der Gott Israels ist, an das Volk. um es mit der Frage nach seinem Gott herauszufordern: „Forsche doch einmal in früheren Zeiten nach, die vor dir gewesen sind, seit dem Tag, als Gott den Menschen auf der Erde schuf; forsche nach vom einen Ende des Himmels bis zum andern Ende: Hat sich je etwas so Großes ereignet wie dieses, und hat man je solche Worte gehört?

Hat je ein Volk einen Gott mitten aus dem Feuer im Donner sprechen hören, wie du ihn gehört hast, und ist am Leben geblieben? Oder hat je ein Gott es ebenso versucht, zu einer Nation zu kommen und sie mitten aus einer anderen herauszuholen unter Prüfungen, unter Zeichen, Wundern und Krieg, mit starker Hand und hoch erhobenem Arm und unter großen Schrecken, wie es der Herr, euer Gott, in Ägypten mit euch getan hat, vor deinen Augen? Das hast du sehen dürfen, damit du erkennst: Jahwe ist der Gott, kein anderer ist außer ihm“ (Deut 4,32-35).

Der Sendungsauftrag des Matthäus

Die majestätische Abschiedsszene am Ende des Matthäusevangeliums (Mt 28,16-20) versetzt uns in die letzten Augenblicke, die Jesus auf Erden erlebt hat. Er wartet mit seinem großen Sendungsauftrag an die Kirche auf: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,19-20).

Dieser große apostolische Sendungsauftrag umfasst einen Dienst, der eindeutig pastoral ausgerichtet ist: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“. Liturg isch gesehen heißt das: „Tauft sie“, und prophetisch meint: „Lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ Begleitet wird das alles von der zugesagten Nähe des Herrn bis zum Ende der Zeiten.

Diese Szene gibt uns einen Vorgeschmack von dieser endgültigen ruhmreichen Wiederkunft des Menschensohns (vgl. Mt 26,64), wenn sein Triumph allen offenbart werden wird. Jetzt aber offenbart er sich den Jüngern, die ausgesandt sind, um dies allen Völkern zu verkünden und sie dahin zu führen, dass sie an Jesus glauben und seinen Geboten zu gehorchen vermögen. Diese alle Welt umgreifende Autorität ist dem auferstandenen Jesus gegeben (vgl. Mt 28,18). Er ist es, der den elf Aposteln eine wahrhaft universale Sendung anvertraut. Sie sollen alle Völker zu Jüngern Jesu machen.

Die Taufe ist das Gnadenmittel für den Eintritt in die Gemeinschaft mit dem Auferstandenen, der Kirch e. „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ ist wahrscheinlich der deutlichste Ausdruck des trinitarischen Glaubens im Neuen Testament. Es mag die Taufformel der Gemeinde des Matthäus gewesen sein; aber vor allem benennt sie die Wirkung der Taufe: die Gemeinschaft der Getauften mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist.

Trinitarische Sprache

Die Sprache von Vater und Sohn ist Sprache der Beziehung und erinnert uns daran, dass sowohl für Gott als auch für uns selbst, die wir nach dem Abbild Gottes geschaffen sind, Beziehung und Gemeinschaft an erster Stelle stehen. Weder Gott noch wir können über das definiert werden, was wir tun und können. Gott ist ein Lebendiger, nicht ein Macher, und dasselbe gilt auch für uns, die wir lebendige Menschen sind und nicht menschliche Roboter. Dies ist ein Thema der Theologie, aber auch - wie bei aller guten Theologie - ein ganz praktisches Anliegen.

Wenn man über Gottes inneres Leben in der Dreifaltigkeit in Form von Gottes Schaffenskraft spricht führt das in der Rede über die Menschen, die nach dem Abbild Gottes geschaffen sind, dazu, analog vorzugehen. Diejenigen, die sagen: „Im Namen des Schöpfers, des Erlösers und des Erhalters“ irren sich, wenn sie Gott über seine Wirkungen definieren wollen und nicht über seine Person an sich. Gott ist ein lebendiges Wesen; er steht mit uns in einer innigen Beziehung.

Unser Gott ist nicht erstarrt, und Gott ist nicht für sich selbst. Gott ist Kommunikation zwischen Vater, Sohn und Heiligen Geist. Das ist das tiefe Geheimnis, an das die Liturgie beim Fest der Heiligen Dreifaltigkeit erinnern möchte: die unfassbare Wirklichkeit Gottes und die Art und Weise, wie dieses Geheimnis sich uns erschlossen hat. Die Dreifaltigkeit feiert den Frieden und die Einheit der göttlichen Personen, zwischen denen der Reige ntanz der Liebe, auf Griechisch „perichoresis“, für immer weitergeht. Diese Einheit ist ein Tanz des Lebens und der Beziehungen, die alle Aspekte des menschlichen Lebens einbezieht.

Wir müssen ständig nach dieser Einheit und diesen Frieden Gottes streben: Jesus und der lebenspendende Geist schenken einen Frieden, den theologische Kontroversen niemals zu geben vermögen. Auch wenn die Theologie absolut notwendig ist, würden wir gut daran tun, mehr zu beten und Gott mehr zu lieben, als zu versuchen, mehr über unseren trinitarischen Gott herauszubringen! Tröstlich: Für das Miteinander in Liebe ist ein vollständiges rationales Verstehen nicht notwendig.

Hören wir von der heiligen Katharina von Siena das berühmte Gebet von ihrem Dialog mit der göttlichen Vorsehung: „O Gott, ewige Dreifaltigkeit, was konntest du mir mehr geben als dich selber. Gut über allen Gütern, Schönheit über aller Schönheit. O ewige Dreifaltigkeit, du hast uns dir zur Ehre geschaffen, damit wir an deiner unaussprechlichen Schönheit teilhaben, o Abgrund der Liebe. In dieser unaussprechlichen Liebe bist du Mensch geworden, und der Mensch wurde Gott.

Wir sind dein Abbild, und du bist das Unsere. O ewiger Gott, o Abgrund der Liebe, du hast meine Finsternis nicht angesehn. Bevor du uns schufest, war dein Blick auf uns, mein Herr, mein Gott, o meine Liebe. O ewige Dreifaltigkeit, o Abgrund der Liebe, wie der Hirsch lechzt nach dem lebendigen Wasser, so ersehnt sich meine Seele, dich in Wahrheit zu sehen, mein Herr, mein Gott, o meine Liebe. O ewiger Gott, o Abgrund der Liebe, in deinem Licht habe ich das Licht erkannt. In dir habe ich die Liebe gefunden, mein Herr, mein Gott, o meine Liebe.“

Die Liebe kommt mit der Verzauberung durch all die rätselhaften Eigenschaften dessen, den sie liebt, nie an ein Ende. Dies ist unser Ansatz für die Annäherung an das trinitarische Geheimnis. Wir müssen Gott mehr lieben. Wir wollen an diesem Fest darum beten, dass wir vom Werk der Einheit des Heiligen Geistes Gottes ergriffen werden. Die Herrlichkeit Gottes ist diese stufenförmige Steigerung der Offenbarung der Dreifaltigkeit.

Viele Male in unserem Leben erleben wir diese Offenbarung und die trinitarische Präsenz Gottes durch die Tiefen der Liebe, der Kommunikation und der Beziehung zu anderen Menschen. Unser Gott ist reich an Beziehung, an Kommunikation und Liebe zu allen Menschen. Dieser Gott vermittelt uns, was die Dynamik des trinitarischen Lebens bedeutet: Es dreht sich alles um Kommunikation, Beziehung und Zuneigung. Die Qualität unseres christlichen Lebens basiert auf der Nachahmung des inneren Lebens der Dreifaltigkeit.

Die Grundlage unseres Glaubens ist der trinitarische Dialog, die trinitarische Kommunikation und der „Tanz des Lebens“. Und auch wenn w ir uns mit dem Verständnis der Heiligen Dreifaltigkeit immer wieder auseinandersetzen müssen, bezeugen wir sie immer dann mit unseren Händen, wenn wir das Kreuzzeichen machen.

Die Worte, die bei der Taufe über uns gesprochen wurden, werden zu den Worten, mit denen wir im Namen der Dreifaltigkeit segnen. Hierin liegt die Bedeutung dieses einzigartigen Gottes, der in drei Personen lebt.

[P. Thomas Rosica CSB ist Direktor der kanadischen Filmproduktionsfirma Salt and Light und Berater des Päpstlichen Rates für die Sozialen Kommunikationsmittel. Er lehrt als Professor für Heilige Schrift an der Theologischen Fakultät des St. Michael College in Toronto, Kanada. Seit Juli 2006 ist er Mitglied des Generalrates der Priesterkongregation des heiligen Blasius. Aus dem Englischen übersetzt von Angela Reddemann]


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