Das Konzil, die Kirche und ihre Journalisten und Medien

18. Mai 2009 in Weltkirche


Anstatt dass weiterhin katholische Journalisten dem Zeitgeist verfallen, müssen die Zeitgeist-Vertreter für die Kirche gewonnen werden – Von Bernhard Müller / Vatican-Magazin


Rom (kath.net/Vatican-Magazin)
Der Blick auf die Kioske lehrt: Katholische Presse findet in Deutschland nicht mehr statt. Dabei ergäbe sich eine Summe in astronomischer Höhe, wenn man die Millionen addierte, mit denen die Bischöfe in den zurückliegenden Jahrzehnten kirchliche Medien subventioniert haben. Am Geld kann es also nicht liegen. Liegt es vielleicht am System – oder gar am Personal? Wie ist es um den Nachwuchs bestellt, der nun schon seit Jahrzehnten durch die mit Kirchensteuermitteln finanzierte Publizistenausbildung geht?

Das Zweite Vatikanum hat einen hohen Anspruch an die Journalisten gestellt, die im Auftrag der Kirche oder ganz einfach als christgläubige Laien Medienarbeit betreiben – wo auch immer. Gerade die Publizistik – und weniger der Altarraum - ist ein Feld, wo der mündige Laie das allgemeine Priestertum der Gläubigen in besonderer Weise verwirklichen kann. Hat sich der katholische Journalismus in Deutschland die Vorgaben des letzten Konzils zu Eigen gemacht und zumindest ansatzweise umgesetzt? Oder verwechselt man journalistische Professionalität mit der Anpassung an den Geist der Zeit? Eine notwendige Diskussion, die der folgende Beitrag nochmals beleben will.

Hier lesen Sie meinen zweiten Anlauf zu diesem Beitrag. Das erste Manuskript nämlich stand noch ganz unter dem Eindruck der beispiellosen Medienkampagne gegen Papst Benedikt XVI., die im Januar ohne rationalen Grund, sondern nur aus Anlass seiner Gnadengeste gegenüber den „Lefebvre“-Bischöfen losgetreten worden war. Auch ausgewiesene katholische Journalisten hatten sich daran aktiv beteiligt. Nicht zuletzt an sie wandte sich deshalb später der Papst, als er im März in seinem Brief an alle Bischöfe klagte: „Betrübt hat mich, dass auch Katholiken, die es eigentlich besser wissen konnten, mit sprunghafter Feindseligkeit auf mich einschlagen zu müssen glaubten“.

Darum hatte ich diesen ersten Aufsatz noch mit der Frage beginnen lassen, was tasmanische Teufel, ein siebzig Zentimeter langes Beuteltier, und die katholische Presse in Deutschland gemeinsam hätten. Beide litten an einer schrecklichen Krankheit, gab ich danach selbst die Antwort. Beide litten an einem mysteriösen Gesichtskrebs, der sie akut vom Aussterben bedrohe.

Die Geschichte ließ sich gut weitererzählen. Die katholischen Medien müssten auf den Operationstisch. Eine große Krebsoperation sei notwendig. Danach werde die deutschsprachige katholische Publizistik nicht mehr das sein, was sie vorher war - der Eingriff werde Spuren hinterlassen, vielleicht ein hängendes Augenlid, eine starke Delle im Operationsbereich und womöglich eine nicht mehr ganz intakte Mimik. Sie werde dem Bild des Gekreuzigten ähneln, den sie zu verkünden den Auftrag habe.

Solches Selbstbewusstsein, das die katholischen Kratzer im Gesicht nicht versteckt, könnte neue Vitalität verleihen und den katholischen Publizisten trotz seiner sichtbaren „Behinderung“ zum gesuchten Ratgeber werden lassen.

Es war ein starker Vergleich, wie ich fand. Meine Frau aber riet mir von solch einem drastischen Einstieg ab. Schon kam ich ins Wanken. Dann aber wurde mir bald wieder klar, dass die Qualität katholischer Medien für die Welt und die Kirche dennoch zu wichtig sind, als dass man sie nicht einmal höchst kritisch betrachten müsste. Also versuchte ich es noch einmal.

Unter katholischen Publizisten begegnet einem nämlich immer wieder eine merkwürdig grassierende Angst, sich zur eigenen Kirche zu bekennen. Eigentlich ist sie ganz unerklärlich. Denn haben wir nicht die stärksten Geschichten, die größten Schätze, plus Wein, (Mann und) Weib und den schönsten Gesang, plus der ungeheuren Nachricht von der Unsterblichkeit unserer Seelen? Von der Tür zur Ewigkeit, die Christi Auferstehung uns geöffnet hat? Wovor also Angst haben?

Das Gütezeichen eines „guten“ katholischen Journalisten ist dennoch eine offenbar im Freundeskreis ebenso wie bei öffentlichen und halböffentlichen Meetings geäußerte innere Distanz zur Lehre der Kirche. „Seien Sie versichert, ich glaube längst nicht alles, was die Kirche lehrt!“ „Sie brauchen nicht anzunehmen, dass ich der Pressesprecher des Papstes bin!“ Verzagte Verkünder, denke ich mir dabei, die die Sache Jesu ähnlich wie die Jünger am Karsamstag für eine „verlorene Sache“ ansehen.

Es ist eine Furcht vor der Welt.
Und es ist nicht wenig, sondern viel Furcht, viel zu viel. Manche haben die Hosen gestrichen voll. Andere glauben an gar nichts und freuen sich diebisch, bei den doofen Katholiken einen krisensicheren Job gefunden zu haben. Manchmal packt mich da auch einfach das Mitleid: Wie schwach und beladen Angst doch macht! Wie viel Kraft sie dem Einzelnen raubt und wie viel Macht sie dem Bösen gibt.

Die Kirche hat immer wieder - vor allem seit dem Zweiten Vatikanum, vor allem auch in den Verlautbarungen der letzten Päpste - eine eindeutige Erwartung gegenüber „ihren“ Journalisten formuliert: Sie sollen sich Jesus Christus zum Vorbild machen, regelmäßig an der Eucharistiefeier teilnehmen und Richtschnur ihrer Lebens- und Berufsgestaltung soll der Katechismus sein.

Die katholischen Journalisten in Deutschland sehen das heute jedoch mehrheitlich anders. Sie berufen sich darauf, letztlich nur ihrem Gewissen verpflichtet zu sein. Was ich aufgrund eigener Erfahrung seit langem vermutete, wurde kürzlich durch eine Eichstätter Studie bestätigt, bei der über 180 katholische Journalisten – allesamt Mitglieder der Gesellschaft katholischer Publizisten (GKP) - über ihr Selbstverständnis befragt wurden. Das Ergebnis zeigt zum einen, dass die Kollegen meist einen Hochschulabschluss im Studienfach Theologie vorweisen können und die von der katholischen Kirche vertretenen Dogmen und Lehrmeinungen sehr genau kennen. Zum anderen aber auch, dass sie oft nicht mit diesen übereinstimmen. Katholische Kirche bedeutet demnach für den durchschnittlichen katholischen Journalisten in erster Linie „Gemeinschaft der Glaubenden“.

Aus der Untersuchung geht auch hervor, dass katholische Journalisten mit ihrer Arbeit nicht missionieren oder verkündigen wollen. Auf den Punkt bringt das der FAZ-Kirchenredakteur Daniel Deckers, der davon spricht, katholische Journalisten müssten Distanz zu Kirche wahren: „Ich muss eben katholisch sein, um die katholische Kirche von innen heraus beschreiben zu können, aber ich muss in der Art und Weise, wie ich es beschreibe, schon von meinen Überzeugungen abstrahieren.“ Glaube und Beruf trennt er klar: „Es gibt keinen katholischen Journalisten. Ich bin Katholik und Redakteur, kein katholischer Redakteur.“

Die Untersuchung ergab, dass sich über sechzig Prozent der GKP-Mitglieder weder explizit als Botschafter Christi begreifen noch durch ihre Arbeit anderen das Wort Gottes näher bringen wollen. Daher verwundert es nicht, dass sie auf die Frage, welche Aufgaben ihnen in ihrem Beruf sehr wichtig sind, zu über 63 Prozent angeben, komplexe Sachverhalte erklären zu wollen und möglichst neutral und präzise zu informieren, wogegen nicht einmal ein Fünftel (19,1 Prozent) die katholische Lehre vermitteln will. Selbst die direkt bei kircheneigenen Medien arbeitenden Publizisten verstehen sich nach dem Ergebnis der Untersuchung nicht als Beauftrage der Kirche, sondern als Journalisten.

In der für die Kirche entscheidenden Frage der Evangelisation, so fasst Nicole Stroth in „Communicatio
Socialis“ (Heft 4/2007) das Ergebnis der Studie zusammen, „besteht ein gravierender Unterschied zwischen den Erwartun gen der katholischen Kirche und dem Aufgabenverständnis der katholischen Journalisten. Die Befragten nutzen die Medien nicht, um die katholische Lehre zu verbreiten.“

Autorin Stroth kritisiert in diesem Zusammenhang in der kircheneigenen Medienfachzeitschrift allerdings nicht ihre Kollegen, sondern die Erwartungshaltung der Kirche, weil sie „diesbezüglich einem katholischen Journalisten zuviel zumutet“ und „die Bedeutung eines guten Journalismus“ verkenne, „der nichts mehr mit tendenziöser Berichterstattung gemein haben darf.“ Nur weil ein Journalist katholisch und von seinem Glauben überzeugt sei, dürfe er sich nicht als bloßes Sprachrohr der „Amtskirche“ instrumentalisieren lassen.

Sein Gradmesser sei vor allem das Zielpublikum, das Informationen erwarte und keine intentionale Beeinflussung, die letztlich weder dem Ansehen des Journalismus noch der katholischen Kirche zugute käme. Das sieht auch die bis vor wenigen Wochen amtierende Vorsitzende der „Gesellschaft katholischer Publizisten“, die ZDF-Kirchenredakteurin Michaela Pilters, ähnlich. Entscheidend
sei nicht, „in missionarischem Eifer stets einen Bibelvers parat zu haben oder lautstark den Papst zu verteidigen - es sind vielmehr die eigene Glaubwürdigkeit und die Selbstverständlichkeit, mit der christliche Gesichtpunkte in unsere Beurteilungen und Entscheidungen einbezogen werden“.

Zwar spricht der deutsche „Medienbischof“ Gebhard Fürst von einem „Verkündigungsauftrag“ katholischer Medien. Doch er relativiert den Begriff, indem er mahnend hinzufügt, dabei dürfe das Verständnis von Verkündigung „nicht zu eng gefasst werden“. Es gelte das grundsätzliche Ziel, „eine möglichst große Zahl von Menschen anzusprechen und sich ihnen als einladende, glaubwürdige, ,interessante’ Kirche zu erweisen“.

Wenn ich ihn richtig verstehe, glaubt er, die alte praktizierte Art der Kirche, „Sinnangebote zu machen“, müsse umgestellt werden. Es gehe um „die mediale und kommunikative ,Anschlussfähigkeit’ der Kirche an die unterschiedlichen Vorstellungen verschiedener Gesellschaftsgruppen im Hinblick auf Lebenssinn, Weltanschauung, Sprache und Ästhetik oder Stilistik“.

Von den kirchlichen Medienschaffenden verlangt er als Vorsitzender der Publizistischen Kommission der deutschen Bischöfe einen „Spagat nach vielen Richtungen“. Die „zentrale Herausforderung“ besteht für ihn darin, „dass die Medienkommunikation in kirchlicher (Mit-)Verantwortung gesellschaftlich
anschlussfähig und menschendienlich wird“.

Richtig einzuordnen vermochte ich diese Aussage erst, als ich dieser Tage in meiner Bistumszeitung las, wie Bischof Fürst den Missionsauftrag grundsätzlich deutet: „Ich weiß, dass die Begriffe Mission und missionarisch missverständlich und durch die Geschichte der Kirche belastet sind. Darum werbe ich für mein Verständnis dieser Worte: Wir befinden uns in einem pastoralen Suchprozess. Dessen Ziel muss es sein, dass die Kirche sozial, ethisch, ästhetisch und intellektuell bewohnbar bleibt oder wird.“ Danach muss er mir einen kleinen Seufzer meiner Eltern und Großeltern einfach noch einmal verzeihen.

Jesusmaria! Jesusmariaundjosef!! Denn solchen akademischen Umschreibungen des klaren Missionsauftrags Christi an seine Apostel („Seid Menschenfischer!“) fehlt ja nicht nur das Feuer und jede innere Kraft. Dass die Kirche den Menschen das ewige Heil zu verkünden hat und die Seele jedes Einzelnen vor der ewigen Verdammnis zu bewahren suchen soll, das wagt nicht einmal mehr der Medienbischof zu formulieren. Wie sollte
man es dann von den Journalisten erwarten?


Dabei steht für mich, wenn ich die Worte Jesu in der Heiligen Schrift überdenke, außer Zweifel, dass die Sendung der Kirche nicht kulturell austauschbar ist und in unserem neuen Informationszeitalter nicht einfach durch ein paar soziologische Sprachfiguren und Floskeln ersetzt werden sollte und könnte. Deshalb kann die Prämisse der katholischen Medien nicht die „Anschlussfähigkeit“ an die verschiedenen Zeitgeistgruppen sein, sondern es kann nur um die Rettung der Seelen im klassischen Sinne gehen. Was denn sonst? Oder soll die Katholizität der Journalisten einfach einmal ausgesetzt werden, sobald sie sich an ihren PC setzen?

Ich will aus den katholischen Medienleuten beileibe keine Zeloten und Fanatiker des Glaubens machen. Im Gegenteil, ohne Witz geht gar nichts. Aber Witz ist gerade bei den Agenten der Anschlussfähigkeit höchste Mangelware. Katholische Journalisten sollen auch nicht raffinierte Werbestrategen der Kirche sein, doch ihr Hauptcharakterzug sollte die Leidenschaft für die Wahrheit sein. Die Kirche ist gefordert, zukünftig in den Medien, wo Religion nur noch als Gemisch aus esoterischem New-Age-Brei, Christentum und Buddhismus vorzukommen scheint, ein profiliertes und provozierendes Zeugnis abzulegen.

Aber sogar der Mainzer Kardinal Karl Lehmann warnte bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischöfe im letzten Jahr in Fulda vor missionarischen Medienaktivitäten gutgesinnter Gläubiger: „Druckerschwärze und Kamera, Mikrofon und Mattscheibe, Plakate und Lautsprecher erreichen für sich noch nichts.

Sie können sogar abspenstig machen. Auch muss nicht jeder predigen oder missionarisch verkündigen.“ Dies sei Sache der Apostel. Stimmt! Doch was ist, wenn die Apostel ihrer Aufgabe nicht mehr nachkommen? Na servus, lässt sich da nur noch sagen.

Doch das ist nicht alles. Anstatt nämlich - bei aller Schwäche der Präsentation - den missionarischen Einsatz, die Leidenschaft für das Gute und die Opfer für das Apostolat engagierter Mitchristen zu würdigen und Hilfe anzubieten, werden sie von vielen Apostelnachfolgern einfach ignoriert. Auf dem Studientag zum Thema „Medien“ – ebenfalls während der Tagung der deutschen Bischöfe im September 2008 - fand sich kein lobendes Wort für jene, die aus eigenem Antrieb - ob im Internet wie auf kath.net oder im Fernsehen bei K-TV – zur Verbreitung der Frohen Botschaft beitragen. Deren Engagement im Internet liest sich dann in einem KNA-Beitrag etwa so: „Hier tummeln sich kirchliche Gruppen oder Einzelkämpfer jedweder Couleur“. Es sei „Wildwuchs“, dem die offizielle kirchliche Internetpräsenz unter katholisch.de „außer solider Information bislang nichts entgegenhalten“ könne.

Dennoch wollen einige Bischöfe offenbar, dass das gesamte kirchliche und katholische Medienfeld nur noch von „Profis“ beherrscht wird, die auf ihrer Gehaltsliste stehen. Vorgestellt habe ich das Profil dieser „Profis“ ja schon in der einschlägigen Eichstätter Untersuchung. Den allermeisten von ihnen geht eine Vorliebe für das traditionelle Proprium der katholischen Kultur vollkommen ab. Sie reagieren auf Marien- und Heiligenverehrung nicht selten allergisch, meist aber auch spöttisch, und sehen im Vatikan oft nur eine mittelalterliche Macht- und Zensurbehörde. Ihr missionarischer Eifer - falls vorhanden - erschöpft sich jedenfalls meist fast nur noch in umwelt- und entwicklungspolitische Debatten, in Fragen zur Einbürgerung oder dem Potpourri neuer Korrektheiten, wie sie die neue Brüsseler Zivilreligion mit ihren Gender-Vorgaben bereithält.

In dieser Korrektheit lassen sich katholische Journalisten meist von keinem Kollegen übertreffen. Sie sind nicht homophob - Gott behüte! –, nicht antisemitisch , bekennende Mülltrenner mit stets wachem Blick auf das Ozonloch am Himmel. Fast immer aber fehlt es vielen von ihnen ganz schlicht an Mut, zum unverkürzten katholischen Glauben zu stehen. Daher auch das ständige Bemühen, nicht als katholisch, sondern als weltoffen wahrgenommen zu werden. Dass dabei jedes Profil verloren geht, die Schätze der Kirche und des Glaubens vergraben statt gehoben werden, braucht nicht zu verwundern.



Verwundern muss allerdings, dass die verantwortlichen Bischöfe nach weit mehr als zwanzig Jahren einschlägiger Erfah rung nicht sehen wollen, wohin ihre subventionierte Medienarbeit führt. Ich beobachte jedenfalls auch unter den Nutzern kircheneigener Medien eine wachsende Entfremdung zur Kirche und eine zunehmende Unwissenheit über den Glauben.

Dass mancher Oberhirte wie auch viele einfache Gläubige über antikirchliche Kampagnen in den säkularen Medien klagen, erscheint mir mehr als begründet. Doch wenn man den Ursachen dieser Kampagnen nachgeht - da kann man zurückgehen bis zu den umstrittenen Bischofsernennungen in den achtziger Jahren in Köln, Chur oder St. Pölten - sie lagen immer in der Kirche selbst. Es waren Angestellte der Kirche mit ihrem spezifischen Fachwissen, die oft unter Verletzung der Wahrheits- und Fairnesspflicht die innerkirchlichen Auseinandersetzungen angeheizt und in die säkularen Medien getragen haben.

Dabei sind leider nicht selten die katholischen Medien, wenn auch oft versteckt, so doch treibende Kraft.
Auch die Katholische Nachrichten-Agentur hat sich da nicht immer rühmlich hervorgetan. Dass es sich die Kirche jährlich Millionen kosten lässt, eine eigene Informationsagentur für kirchliche und säkulare Medien anzubieten, ist mehr als angemessen.

Doch dass dort in den Redaktionen offenbar eine subtil dosierte political und kirchliche correctness praktiziert wird, die mir oft auf kirchenpolitisch ideologischer Grundlage zu basieren scheint, ist weniger angemessen. Bei der täglichen Lektüre des Basisdienstes der KNA wundere ich mich seit Jahren, was dort alles als mitteilungsrelevant und nicht mitteilungsrelevant erachtet wird. Bestimmte Vorkommnisse finden in der kirchlichen Presse einfach nicht statt. Wenn in Belgien eine Versammlung der dort lebenden jüdischen Gemeinde mit 35 Teilnehmern stattfindet, gibt es einen ausführlichen Bericht im Tagesdienst der KNA. Wenn einem Bischof im schwäbischen Maria Vesperbild achtzehntausend Gläubige lauschen, erscheint darüber keine Zeile - ich muss mir schon eigens den bayerischen Landesdienst besorgen, um darüber überhaupt etwas zu erfahren.

Wichtig dagegen ist, um ein aktuelles Beispiel anzuführen, die ausführliche Berichterstattung über die römische Städtetour, mit der ein Niederländer sein Geld macht. Er führt seine „Rompilger“ dreieinhalb Stunden auf der Route von Dan Browns „Illuminati“, und erklärt nicht nur das Versagen der Päpste, sondern auch die von Geheimbünden und mordlustigen Priestern gelenkte katholische Kirche. Natürlich bietet die KNA hierzu abrufbereite Fotos an, damit die Geschichte ansprechend präsentiert werden kann. Wie gesagt, eine wichtige Geschichte. Denn sie lief am 1. April 2009 über den KNABasisdienst.

Zu wenig Interesse in den Redaktionen? Zu wenig Fotos angefordert? fragte ich mich, als ich denselben Beitrag am 6. April nochmals unter meinen KNA-Emails fand und am 8. April ein drittes Mal. Offenbar ein Festabonnement auf die Veröffentlichung jeder seiner kirchenkritischen Interviewäußerungen als KNA-Tagesmeldung, die ja nun seit Jahren wirklich keinen echten Neuigkeitswert mehr aufweisen, hat der Tübinger Theologe Hans Küng. Seine Aussagen erscheinen den KNA-Redakteuren offenbar ebenso gewichtig wie jene des Papstes. Auch dass in neutralen Meldungen mit abwertenden Adjektiven Menschen in Schubladen gesteckt werden, gehört leider zum Tagesgeschäft.

So fand ich erst kürzlich wieder einen Bischof mit dem Etikett „rechtskonservativ“ belegt und aus Lebensrechtler werden immer wieder „militante Lebensschützer“ gemacht. Es ist eine freiwillige Uniformierung. Die Schere im Kopf funktioniert. So finden Nutzer kirchlicher Medien fast nur noch angepasste Kirchenfunktionärsbeiträge, Hofberichterstattung aus dem katholischen Verbandswesen und irgendwelche Geschichten aus dem aufregenden Leben der Gemeinde vor Ort. Beiträge mit katholischem Profil findet man dagegen – abgesehen von der „Tagespost“ und anderen wenigen Medien, die sich fast durchweg Privatinitiativen verdanken und immer am Rand des Ruins entlang manövrieren - nur noch vereinzelt in liberalen Blättern wie „Die Zeit“, „Die Welt“ oder der „Frankfurter Allgemeinen“.

Dort finden sich immer noch Beiträge, die wegen ihres spezifischen Katholischseins in der Bistumszeitung des Medienbischofs allenfalls als stark gekürzte Leserzuschrift einen Platz hätten. Denn in den weltlichen Redaktionen ist das Gespür für die Brisanz der christlichen Botschaft immer noch nicht vollständig eingeschlummert. Und auch bei den Lesern nicht. Bis jetzt verkauft der Papst auf dem Titelblatt jede Zeitung noch immer besser als jede Massenkarambolage. „Der Papst geht immer!“ heißt es in den neuen online-Redaktionen. Deshalb wird er dort auch in immer neuen absurden Kombinationen bestens „verkauft“ - sei es mit Kondomen und anderen Falschmeldungen oder in diesen Tagen mit dem vernichtenden Urteil eines „Fernsehgerichts“ aus Holland (und der Freisprechung Osama bin Ladens). Trotzdem: Der Papst geht immer!

Denn er verkörpert ja auch wie kein Zweiter einen Fleisch gewordenen Widerspruch zum Geist jeder Zeit! Die Forderung an den katholischen Journalisten, die ich deshalb anmahnen möchte, verlangt keine unkritische kirchliche Berichterstattung. Sie verlangt, sich als Verkünder der Wahrheit zu sehen. Nicht zuletzt um der viel gepriesenen Glaubwürdigkeit wegen hat die Kirche zu Recht diese Erwartungen an ihre Pressearbeiter.

Daran ändert auch nichts, dass mancher kirchliche Auftraggeber und Amtsträger die innere Bereitschaft der Journalisten, der Lehre der Kirche dienen zu wollen, gern und irrigerweise mit Hofberichterstattung verwechselt. In vielen vatikanischen und diözesanen Amtszimmern gibt es auch heute noch eine „Heiden“-Angst vor freiem Journalismus. Kritik wird meist als „Nestbeschmutzung“, Offenlegung von Missständen als „Sabotage“ angesehen. Im Regal neben meinem Schreibtisch steht ein Aktenordner mit entsprechenden Zurechtweisungen.
Nur der Papst will die Kirche offenbar noch als Glashaus verstanden wissen, in dem nichts versteckt geschehen muss.

In diesem Sinne hatte Joseph Ratzinger schon als Kardinal 1984 den Mut gefordert, „dass auch das Unbequeme gesagt wird“, wie den Mut, „auch Höheren gegenüber unerschrocken die Wahrheit“
auszusprechen. Der katholische Journalist muss also allen Reglementierungen unbedingt widerstehen können, die nicht Glaubensfragen betreffen. Kirchenjournalismus darf nicht zum Kriecherjournalismus verkommen, wie ich das in letzter Zeit häufig gegenüber „Donum vitae“ erlebt habe, dem antipäpstlichen Verein des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

Es sind Männer und Frauen gefragt, die von unbestechlicher Wahrhaftigkeit angetrieben werden. Die Meister einer allen zugänglichen Sprache sind. Und die schließlich, wie der Papst sagt, als katholische Journalisten „der Gewalt als Signum unserer Zeit eine Kultur der Menschlichkeit und der Milde aus dem Geist des heiligen Franz von Sales entgegenzusetzen wagen“. „Wir brauchen“, wie es der evangelische ZDF-Redakteur Peter Hahne
formuliert, „Hoffnungsträger, keine Bedenkenträger, Mutmacher, keine Panikmacher, Freudenboten, keine Angsthasen, Positionslampen, keine Irrlichter“.

Jede kirchliche Krisenzeit hat ihre eigenen Heiligen und Orden hervorgebracht, die eine Wende einleiteten. Wer wollte bezweifeln, dass die Kirche heute in einer Medien- und Verkündigungskrise steckt? Wie ein Franz von Assisi aber seine Kirche rettete, wie in Zeiten der Lepra Krankenorden entstanden, wie Predigerorden der europäischen Ketzerbewegung entgegen traten und die bilderstarken Jesuiten den nachreformatorischen
Bilderstürmen, so braucht es im Anbruch des digitalen Medienzeitalters unbedingt neue Medienheilige und vielleicht auch einen Medienorden. Oder, wenn dazu die Puste noch nicht reicht und der entsprechende Heilige noch nicht in Sicht ist, zumindest eine neue Bruderschaft der Begeisterung für die Wahrheit.

Der Spieß muss umgedreht werden. Anstatt dass weiterhin katholische Journalisten dem Zeitgeist verfallen, müssen die Zeitgeist-Vertreter für die Kirche gewonnen werden. Denn die Journalisten haben meist wunde Seelen. Ihre durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei nur 58 Jahren. Sie haben selten eigene Kinder, dafür aber Süchte und Sehnsüchte, die über dieses kurze Leben und den Tod hinausgehen. Da darf die Kirche nur unverdünnt ihre wahren Antworten anbieten. Wenn sie es tut, findet sie nicht nur neue Fürsprecher in den Medien, sondern sie macht Menschen glücklich und rettet ihre Seelen.

Die Kirche ist gefragt und gesucht in einer Zeit, in der sie medial bekämpft wird, gerade auch von ihren „Verfolgern“. Denn Journalisten wissen in dieser heillos durcheinander gewürfelten Zeit schneller vielleicht als andere, dass der rein säkulare Ansatz nicht mehr ausreicht und sie vermuten - sehr zu Recht -, dass diese katholische Kirche einen Schatz verborgen hält. Deshalb muss die Kirche ihre Wahrheiten selbstbewusster anbieten. Die katholischen Medien dürfen in dieser Zeit der Krise keine leisen Einschlafmelodien mehr auf ihren Tastaturen klimpern. Würde Paulus heute leben, wäre er Journalist. Immer noch würde er brennen und immer noch – wie ein guter Journalist – alles daran setzen, seine Kollegen eifersüchtig zu machen.

Wer denn, wenn nicht er, hat den größten „scoop“ aller Zeiten gelandet? Seine Geschichte aber ist immer noch der Brennstoff unter jedem katholischen Journalismus. Wir sitzen und träumen auf der unglaublichsten Nachricht der Weltgeschichte vor uns hin. Dies sollten wir allein schon aus purem Ehrgeiz begreifen. Viele, viele Leser werden sie uns aus den Händen reißen. Wir müssen nur anfangen, endlich wieder neu und nach allen Regeln unserer Kunst davon zu erzählen.


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