Vier Jahre lang haben die alten Ratzinger-Gegner schweigen müssen

27. März 2009 in Interview


kath.net veröffentlicht den vollen Wortlaut des Interviews von Kardinal Meisner in der "Bild"-Zeitung in der autorisierten Fassung


Köln (kath.net/PEK)
In einem Interview mit Andreas Englisch für die BILD-Zeitung vom 27. März äußerte sich Erzbischof Joachim Kardinal Meisner zur Afrika-Reise des Papstes und den dabei gestellten Fragen zur Aids-Problematik und zu den öffentlichen Reaktionen im „Fall Williamson“. Nachstehend der volle Wortlaut des Interviews in der von Kardinal Meisner autorisierten Fassung:

BILD: Verschärft der Papst durch das Kondomverbot die Aidsgefahr?

Erzbischof Joachim Kardinal Meisner: Dem Papst wurde unterstellt, er habe alle Welt aufgefordert, keine Kondome zu benutzen. Das hat er aber gar nicht getan. Der Papst hat keinen Mann, der wahllos mit Frauen schläft, aufgefordert, jetzt auch noch auf Kondome zu verzichten.

Vielmehr hat er darauf hingewiesen, dass man dafür sorgen muss, dass solche Männer auf ihren unverantwortlichen Umgang mit Sexualität verzichten. Er verlangt eine „Humanisierung der Sexualität“, wie der Papst das genannt hat. Dazu muss man, wie das die Kirche tut, die Armut bekämpfen und vor allem die Frauen stark machen.

BILD: Die Verteilung von Kondomen hilft also nicht?

Meisner: Wir dürfen Afrika nicht auf AIDS reduzieren und den Kampf gegen AIDS nicht auf die Kondome. Daher wird es von vielen Afrikanern als Hohn empfunden, wenn jetzt die Spanier bloß mal eben eine Million Kondome nach Afrika rüberschicken, Europa aber gegen die skandalöse Armut des Kontinents viel zu wenig tut.

BILD: Kondome helfen nicht?

Meisner: Wenn man bloß Kondome verteilt und dann meint, das AIDS-Problem gelöst zu haben, dann ist das unglaublich naiv und kann das Problem tatsächlich dadurch verschlimmern, dass der frauenverachtende Lebensstil mancher Machos bloß noch hemmungsloser um sich greift.

Meinen Sie übrigens, dass ein solcher Macho sich ernsthaft vom Papst zur Benutzung von Kondomen überreden lassen würde? Das ist doch völlig realitätsfern. In Uganda hat man eine Kampagne für Kondomgebrauch gemacht. Die hat die Infektionsrate nicht verringert. Dann hat man eine Kampagne für Treue in der Ehe und die Stärkung von Familien gestartet, und damit wurden messbare Erfolge erzielt. Das wissen alle Experten.

BILD: Weihbischof Jaschke verlangt Kondome zur Lebensrettung zu nutzen.

Meisner: Weihbischof Jaschke hat vor allem darauf hingewiesen, dass man die Kirche nicht immer in diese Kondomecke stellen sollte. Der Papst plädiert als Oberhaupt der katholischen Kirche für eheliche Treue. Das ist ohne jeden Zweifel die sicherste Methode gegen AIDS. Soll er denn den Menschen zusätzlich noch gute Tipps geben, wie man fremdgeht, ohne sich anzustecken?

BILD: War das Gesuch nach Klärung der Bundeskanzlerin im Fall Williamson an Papst richtig?

Meisner: Ich finde, dass eine der größten Fehlleistungen die öffentliche Papstschelte der Bundeskanzlerin war. Sie war offensichtlich von ihren Mitarbeitern nicht darüber informiert worden, dass die von ihr geforderte Klarstellung durch den Papst bekanntlich bereits eine Woche zuvor geschehen war. Auch der Ton war völlig unangemessen. Ich weiß von vielen Katholiken – und Protestanten –, die deswegen aus der CDU ausgetreten sind. Sicher kann man mal Fehler machen. Es gab Pannen im Vatikan. Auch die Kanzlerin hat einen Fehler gemacht. Ich kann da nur sagen: Zeigen Sie Größe und entschuldigen Sie sich, Frau Bundeskanzlerin!

BILD: Wieso unterstellte man dem Papst Sympathien für Anti-Semiten?

Meisner: Das war eigentlich ein Medienskandal. Medien haben den Auftrag, schwer Verständliches erst mal verständlich zu machen. Darum heißen sie so. Das aber ist in diesem Fall vor allem in Deutschland völlig misslungen. Erst nach Wochen war allen klar: Der Papst hat keinen Holocaustleugner rehabilitiert. Der Papst wusste nichts von den unsäglichen Äußerungen Bischof Williamsons. Und die Aufhebung einer Exkommunikation ist auch keine Rehabilitierung. Der Mann darf jetzt vor allem wieder beichten und die heilige Kommunion empfangen.

BILD: Zerreißt man sich in der Kirche, wie der Papst schreibt?

Meisner: Vier Jahre lang haben die alten Ratzinger-Gegner schweigen müssen, weil alle Welt sich jetzt selbst davon überzeugen konnte, dass die absurden Karikaturen, die sie jahrzehntelang vom „Panzerkardinal“ gezeichnet hatten, in Wirklichkeit nicht stimmten. Da kam der Übermittlungsfehler bei der Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe. Und da sahen sie endlich wieder ihre Chance gekommen, gegen den Papst loszuschlagen. Jetzt warfen sie ihm zur Abwechslung mal nicht zu große Härte, sondern zu große Barmherzigkeit vor. Es gibt Leute, die wollen einfach nur dagegen sein.

BILD: Ist Papst Benedikt XVI. persönlich sehr verletzt?

Meisner: Jeder, der diesen eindrucksvollen Brief gelesen hat, wird von der Offenheit und Liebenswürdigkeit dieses Menschen auf dem Stuhl Petri berührt sein. Dieser Papst übt sein Amt ganz bewusst als der Mensch aus, der er ist. Papst Benedikt XVI. ist ein moderner Papst, der über eine hohe Sensibilität für die Sorgen und Nöte unserer Zeit verfügt. Dieses Feingefühl macht aber stets auch selbst verletzlich. Dass er das in dem Brief ganz freimütig anspricht, macht aus meiner Sicht den Menschen Benedikt XVI. ganz besonders sympathisch.

BILD: Warum greifen ausgerechnet Deutsche den Papst so heftig an?

Meisner: Wahrscheinlich haben die Deutschen ein Problem mit ihrem Selbstbewusstsein. Sie brauchen immer Sündenböcke. Vor allem haben sie ein schwieriges Verhältnis zu Autoritäten. Sie übertreiben es gerne. Früher vergötterte man die Obrigkeit, heute ist jede Autorität von vorneherein fragwürdig. Viele Deutsche merken es gar nicht, wie lächerlich wir uns in aller Welt mit dieser Papstmäkelei machen.

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