Wie der Theologe Darwin den Glauben verlor

13. Februar 2009 in Chronik


Für Charles Darwin sind Schöpfungslehre und seine Evolutionstheorie unvereinbar - Von Karsten Huhn


Wien (kath.net/idea)
Eigentlich hätte Charles Darwin anglikanischer Priester werden sollen. Nachdem er sein Medizinstudium an der Universität Edinburgh nach drei Jahren abgebrochen hatte, schrieb Darwin sich am Christ’s College in Cambridge ein, um Theologie zu studieren.

Eine Zeit, die er in seiner nach seinem Tod veröffentlichten Autobiografie als „vollständig verschwendet“ bezeichnete. Nach drei Jahren beendete er das Studium als zehntbester von 178 Absolventen. Darwins eigentliche Leidenschaft während des Studiums galt jedoch dem Sammeln von Käfern. Zudem weckte die Lektüre von Alexander von Humboldts Reiseberichten in ihm den Wunsch, selbst auf Exkursion zu gehen.

Tatsächlich bot sich Darwin schon bald die Möglichkeit, an einer Forschungsreise teilzunehmen, während der er das entscheidende Material für seine Evolutionstheorie sammelte. In seiner Autobiografie schreibt Darwin über seine Reisejahre von 1831 bis 1836: „An Bord der ‚Beagle’ war ich ganz orthodox, und ich erinnere mich, von mehreren Offizieren (obgleich sie selbst orthodox waren) herzlich darüber ausgelacht worden zu sein, dass ich die Bibel als eine unwiderlegbare Quelle über irgendeinen Punkt der Moral zitierte … Ich war aber in dieser Zeit allmählich dahin gekommen einzusehen, dass dem Alten Testamente – mit seiner offensichtlich falschen Weltgeschichte, mit seinem babylonischen Turm, mit dem Regenbogen als Zeichen usw. und seiner Art, Gott Gefühle eines rachedurstigen Tyrannen zuzuschreiben – nicht mehr Glauben zu schenken sei als den heiligen Schriften der Hindus oder dem Glauben irgendeines Wilden. Die Frage trat damals ständig vor meinen Geist und ließ sich nicht verbannen.“

Darwins fromme Ehefrau

Nach der Rückkehr von seinen Forschungsreisen traf Darwin zwei wichtige Entscheidungen: Er entschied sich für die Laufbahn als Naturwissenschaftler und er heiratete seine Cousine Emma, mit der er zehn Kinder hatte.

Kurz nach der Trauung in einer anglikanischen Kirche schrieb Emma ihrem Mann einen Brief. Sie war besorgt, Darwins älterer Bruder Erasmus habe Charles’ Zweifel und Unglauben bestärkt und warnte ihren Ehemann vor einer Überbetonung des Zweifels: „Hoffentlich prägt die Gewohnheit, in der wissenschaftlichen Arbeit nichts zu glauben, bevor es bewiesen ist, nicht dein ganzes Denken: Es gibt auch Dinge, die nicht in derselben Art zu beweisen sind, deren Wahrheit über unser Fassungsvermögen geht. Ich möchte auch sagen, dass im Abweisen der (biblischen) Offenbarung eine Gefahr liegt, die auf der Gegenseite nicht besteht: Das ist die Sorge, undankbar zu sein, wenn Du leugnest, was zu Deinem Besten und zum Besten der ganzen Welt getan wurde und was Dich noch umsichtiger, vielleicht sogar besorgt machen sollte, ob Du Dir auch wirklich alle Mühe gegeben hast, um richtig urteilen zu können.“

Christliche Lehre ist abscheulich

Darwin war sich bewusst, dass seine Theorie der biblischen Schöpfungslehre widerspricht. Fast zwei Jahrzehnte zögerte er deshalb, seine Theorie über die Entstehung der Arten zu veröffentlichen. „Es ist, als ob man einen Mord gesteht“, schreibt er einem Freund. Mit dem Prinzip der natürlichen Auslese – so Darwins Überzeugung – sei ein Schöpfungsakt durch Gott nicht länger denkbar. Alles in der Natur sei das Ergebnis feststehender Gesetze. Bis 1849 besuchte Darwin mit seiner Familie den Gottesdienst. Danach begleitete er seine Frau und die Kinder zwar gelegentlich auf dem Weg zur Kirche, ging selbst aber nicht mehr hinein, sondern machte stattdessen einen Spaziergang.

In seiner Autobiografie schreibt Darwin: „So beschlich mich in sehr langsamer Weise der Unglaube, bis ich schließlich gänzlich ungläubig wurde. Er kam so langsam über mich, dass ich kein Unbehagen empfand, und niemals habe ich seit jener Zeit auch nur eine einzige Sekunde an der Richtigkeit meines Schlusses gezweifelt. Und in der Tat, ich kann es kaum begreifen, wie jemand, wer es auch sei, wünschen könne, die christliche Lehre möge wahr sein; denn, wenn dem so ist, dann zeigt der einfache Text (des Evangeliums), dass die Ungläubigen, und ich müsste zu ihnen meinen Vater, meinen Bruder und nahezu alle meine besten Freunde zählen, ewig Strafe verbüßen. Eine abscheuliche Lehre!“

War Darwin Atheist?

Trotz seiner theologischen Vorbehalte pflegte Darwin den Kontakt mit dem örtlichen Geistlichen, mit dem ihn auch nach dessen Wegzug nach Schottland eine Brieffreundschaft verband. Nachdem Darwin sich 1859 endlich zur Veröffentlichung seiner „Entstehung der Arten“ entschloss, erreichte ihn zudem eine Vielzahl von – nicht immer wohlgesonnenen – Anfragen. „Europaweit schreibt mir die Hälfte aller Idioten, um mir die dümmsten Fragen zu stellen“, beklagt sich Darwin in einem Brief. Einem seinem Kritiker antwortet er: „Es tut mir leid, Sie darüber informieren zu müssen, dass ich nicht an die Bibel als göttliche Offenbarung glaube und deshalb auch nicht an Jesus Christus als Gottes Sohn.“ In einem weiteren Brief Darwins heißt es: „Wissenschaft hat mit Christus nichts zu tun, ausgenommen dass die Haltung wissenschaftlichen Forschens einen vorsichtig macht, Beweise zuzulassen. Ich selbst glaube nicht, dass es jemals irgendeine Offenbarung gab.

Was das zukünftige Leben betrifft, muss jeder für sich selbst zwischen widerstreitenden, unklaren Wahrscheinlichkeiten abwägen.“

War Darwin ein Atheist? Er selbst lehnte diese Bezeichnung für sich ab: „(Mein) Urteil schwankt oft … Selbst in meinem stärksten Schwanken war ich nie ein Atheist in dem Sinne, dass ich die Existenz Gottes geleugnet hätte. Ich denke, dass im Allgemeinen (und mehr und mehr, desto älter ich werde), aber nicht immer, dass ein Agnostiker die treffendste Beschreibung für meine Geistesverfassung wäre.“


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