'Die c-Moll Messe ist tief in unsere innere Biographie eingeschrieben'

18. Jänner 2009 in Aktuelles


Georg Ratzingers 85. Geburtstag: das Konzert der Regensburger Domspatzen in der Sixtina, die freie Papstrede und die Glückwünsche von Bischof Gerhard Ludwig Müller.


Vatikan (kath.net/RV/Bistum Regensburg) Mit einem Festkonzert in der Sixtinischen Kapelle ist der frühere Regensburger Domkapellmeister und Papstbruder, Prälat Georg Ratzinger, zu seinem 85. Geburtstag geehrt worden. Georg Ratzinger, der den renommierten Chor über 30 Jahre lang geleitet hatte, hatte am 15. Jänner Geburtstag.

In Anwesenheit von Benedikt XVI. führten die Regensburger Domspatzen am Samstag unter der Leitung von Domkapellmeister Roland Büchner in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan die c-Moll Messe von Wolfgang Amadeus Mozart auf. Dieses Musikstück hatte sich Georg Ratzinger gewünscht.

Der weltbekannte Knabenchor aus der Bayerischen Domstadt wurde vom LÓrfeo Barockorchester aus Linz begleitet. Mit diesem einzigartigen Konzert, das auch am Folgetag vom Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wird, ehrten die Regensburger Domspatzen ihren langjährigen Domkapellmeister. Die Planung und Durchführung des Festkonzertes finanzierten, wie seit Jahrzehnten üblich, die Regensburger Domspatzen durch Spenden sowie durch den Vertrieb von Ton- und Bildträgern des Konzertes.

Zu Beginn des Festkonzertes gratulierte Bischof Gerhard Ludwig Müller im Namen der gesamten Diözese Regensburg Georg Ratzinger in einem Grußwort und hob dabei hervor, welch große Ehre es sei, dass die Regensburger Domspatzen in der Sixtinischen Kapelle dieses Konzert zu Gehör bringen dürften. Geistliche Musik ergötze nicht, sondern vergöttliche, indem sie den Menschen auf seine Erfüllung in der Liebe Gottes verweise.

Geistliche Musik sei Singen und Aufspielen zur Hochzeit Christi mit seiner Kirche, erklärte der Regensburger Oberhirte; am selben Tag wurde er vom Papst gemeinsam mit zehn Erzbischöfen zum Mitglied des Päpstlichen Rates für die Kultur ernannt.

Georg Ratzinger wird Ehrendomherr

Als Zeichen seines Dankes für die Treue von Domkapellmeister em. Georg Ratzinger zur Kathedrale von Regensburg und den Regensburger Domspatzen gab Bischof Gerhard Ludwig Müller folgendes bekannt:

„Auf Grund seiner herausragenden Verdienste um die würdige Gestaltung der Liturgie der Kathedrale und den Chor der Regensburger Domspatzen ernenne ich nach Anhörung des Domkapitels den Domkapellmeister i. R. an der Domkirche St. Peter zu Regensburg Hochwürdigsten Herrn Apostolischen Protonotar Hon.-Prof. Dr. h.c. Georg Ratzinger, Kanonikus im Kapitel des Kollegiatsstiftes zu den heiligen Johann Baptist und Johannes Evangelist zu Regensburg zum Ehrendomherren des St. Peters-Domes des Bistums Regensburg.“

Die offizielle Ernennung findet im Rahmen einer feierlichen Pontifikalvesper anlässlich des Geburtstages von Georg Ratzinger am 25. Januar 2009 im Regensburger Dom statt.

In einer Ansprache dankte Benedikt XVI. den Musikern für das Geschenk des herausragenden Konzertes. Der Papst erinnerte an seine Familie und die gemeinsame Kindheit und Jugendzeit in den schwierigen Jahren der Wirtschaftskrise und des Weltkriegs. Er wünschte ihm weiterhin Freude und Zufriedenheit und die Hilfe durch die erbarmende Liebe Gottes.

Wir dokumentieren hier das Transskript der frei gehaltenen deutschsprachigen Rede des Papstes:

Lieber Georg, liebe Freunde,

es sind also fast 70 Jahre, dass Du die Initiative ergriffen hast und wir miteinander nach Salzburg gefahren sind und in der herrlichen Abteikirche Sankt Peter die c-Moll Messe von Mozart gehört haben.

Obwohl ich damals noch ein ziemlich einfältiger Bub war, habe ich doch mit Dir begriffen, dass wir mehr als irgendein Konzert erlebt hatten, dass es gebetete Musik, dass es Gottesdienst war, in dem wir etwas von der Herrlichkeit und der Schönheit Gottes selbst angerührt hatten, von ihr berührt worden waren.

Nach dem Krieg sind wir noch wiederholt nach Salzburg gefahren, um die c-Moll Messe zu hören, und so ist sie tief in unsere innere Biographie eingeschrieben.

Die Überlieferung erzählt, dass Mozart diese Messe in Einlösung eines Gelübdes komponiert hat: Als Dank für seine Hochzeit mit Constanze Weber. Und so erklären sich auch die groβen Sopransoli, in denen Constanze dann dazu berufen war, dem Dank und der Freude Stimme zu geben – gratias agimus Tibi propter magnam gloriam tuam – Dank für Gottes Güte, die sie berührt hatte.

Vom streng liturgischen Standpunkt her kann man einwenden, dass diese groβen Soli die Nüchternheit der römischen Liturgie etwas verlassen, aber man kann auch dagegen fragen: Hören wir darin nicht die Stimme der Braut, der Kirche, wovon uns gerade Bischof Gerhard Ludwig gesprochen hat?

Ist es nicht eben die Stimme der Braut, die ihre Freude über das Geliebtsein durch Christus und ihre Liebe darin zum Klingen bringt und somit uns als lebendige Kirche vor Gott hin trägt, in ihrem Dank und in ihrer Freude? Mozart hat in die alles Individuelle überschreitende Größe dieser Musik und der Heiligen Messe seinen ganz persönlichen Dank hineingelegt.

In dieser Stunde haben wir mit Dir Gott gedankt im Erklingen dieser Messe für die 85 Jahre Leben, die er Dir nun geschenkt hat. Professor Hommes hat in dem Programmheft eindringlich dargestellt, dass der Dank dieser Messe nicht ein oberflächlicher und leicht hingeworfener Dank eines Rokokomenschen ist, sondern dass in dieser Messe auch die ganze Tiefe seines Ringens, seines Suchens nach Vergebung, nach der Erbarmung Gottes zum Ausdruck kommt, und dann aus diesen Tiefen heraus umso strahlender sich die Freude über Gott erhebt.

Die 85 Jahre Deines Lebens sind auch nicht immer leicht gewesen. Als Du zur Welt kamst, war die Inflation kaum zu Ende und die Menschen, auch unsere Eltern, hatten alles verloren, was sie gespart hatten. Dann kam die Weltwirtschaftskrise, die Nazidiktatur, der Krieg, die Gefangenschaft.

Und dann haben wir mit neuer Hoffnung und Freude in einem zerschlagenen und ausgebluteten Deutschland unseren Weg begonnen. Und auch da haben immer wieder schwierige Steilwände, dunkle Passagen nicht gefehlt, aber immer wieder war von neuem die Güte Gottes zu spüren, die Dich gerufen und geführt hat.

Von Anfang an, sehr früh, ist bei Dir diese doppelte Berufung sichtbar geworden, zur Musik und zum Priestertum, beide ineinandergreifend; und so bist Du Deine Wege geführt worden und gegangen, bis Dir die Vorsehung die Stelle in Regensburg bei den Regensburger Domspatzen geschenkt hat, in der Du priesterlich der Musik dienen konntest und der Welt und den Menschen die Freude an Gott durch die Schönheit der Musik und des Gesanges vermitteln durftest.



Auch da gab es Mühsal genug – jede Probe ist eine Mühsal, wir ahnen es und wissen es, auch andere Mühsal ... Aber dann war es immer wieder groß und schön, wenn der Chor leuchtend ertönte und in die weite Welt hinein die Freude, die Schönheit Gottes getragen hat.

Dafür danken wir dem lieben, gütigen Gott heute mit Dir und danken Dir selber, dass er es so geführt hat, dass Du Deine ganze Kraft, Deine Disziplin, Deine Freude, Deine Phantasie und Deine Kreativität in diese 30 Jahre hineingelegt hast und uns so immer wieder zu Gott hin geführt hast.

Aber natürlich und vor allem freuen wir uns in dieser Stunde auch, dass dieser Chor, der seit über 1.000 Jahren ohne Unterbrechung in der Kathedrale zu Regensburg das Lob Gottes singt, obwohl er der älteste Kirchenchor der Welt ist, der ununterbrochen so besteht, auch heute jung ist und mit junger Kraft und Schönheit uns das Lob Gottes gesungen hat.

Euch, liebe Domspatzen, ein herzliches „Vergelt’s Gott“, dem Domkapellmeister, allen, besonders auch dem Orchester und den Solisten, die uns den Originalklang der Mozartzeit wieder geschenkt haben. Ein herzliches „Vergelt’s Gott“ Ihnen allen!

Weil menschliches Leben immer unvollendet bleibt, solange wir auf dem Wege sind, ist in allem menschlichen Dank auch immer wieder Erwartung, Hoffnung und Bitte enthalten; und so bitten wir heute den gütigen Gott, dass er Dir, lieber Georg, noch einige gute Jahre schenken möge in denen Dir weiterhin Freude an Gott und durch die Musik geschenkt ist und Du den Menschen als Priester dienen darfst; und wir bitten ihn, dass wir einmal alle in das himmlische Konzert hineingehen dürfen und dort endgültig Gottes Freude erfahren.

Georg Ratzinger wurde am 15. Januar 1924 in Pleiskirchen bei Altötting geboren. 1935 tritt er in das Traunsteiner Gymnasium und in das Erzbischöfliche Studienseminar ein. Nach dem Krieg besucht Georg Ratzinger 1946 zusammen mit seinem Bruder Joseph das Priesterseminar der Erzdiözese München und Freising.

Am 19. Juni 1951 erfahren beide Brüder die Priesterweihe durch Kardinal Michael von Faulhaber. Zum 1. September 1951 beginnt Georg Ratzinger seine Tätigkeit als Musikpräfekt im Erzbischöflichen Knabenseminar in Freising, im November des gleichen Jahres beginnt er das Studium der Kirchenmusik an de Münchener Musikhochschule.

Im Februar 1964 tritt Georg Ratzinger sein Amt als Domkapellmeister am Regensburger Dom an und wird Leiter der Regensburger Domspatzen in der Nachfolge von Dr. Theobald Schrems. Während seiner Amtszeit von 1964 bis 1994 erfährt Domkapellmeister Georg Ratzinger zahlreiche Ehrungen, bringt Hunderte von Konzerten zur Aufführung und verewigt diese in Ton- und Fernsehaufnahmen.

„Die musica sacra im sakramentalen Geschehen öffnet unsere Herzen für Gott, seine Schöpfung und die Schönheit seiner Offenbarung in Jesus Christus“, schrieb Bischof Gerhard Ludwig Müller in seinem Gratulationsbrief an Georg Ratzinger. Der Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter, Hochwürdigster Herr Apostolischer Protonotar,
lieber Mitbruder im priesterlichen Dienst,

zu Ihrem heutigen Ehrentag möchte ich Ihnen, sehr geehrter Hochwürdigster Herr Apostolischer Protonotar meine herzlichsten Glück- und Segenswünsche übermitteln. Ihr 30jähriges Wirken als Leiter der Regensburger Domspatzen wird in den Herzen der Gläubigen unvergessen bleiben.

Die geistliche Musik ist Gebet. Dort nämlich, wo der Mensch mit seinem Sprechen an die Grenzen seines Ausdrucks in der Gottesverehrung gelangt, eilt ihm die Musik mit ihrem inneren Einklang zu Hilfe und legt Zeugnis ab für die Schönheit alles Geschaffenen.


Die musica sacra im sakramentalen Geschehen öffnet unsere Herzen für Gott, seine Schöpfung und die Schönheit seiner Offenbarung in Jesus Christus. In diesen Dienst haben Sie sich mit großer Hingabe und Aufopferung viele Jahrzehnte gestellt. Dafür gilt Ihnen mein besonderer Dank!

Ganz persönlich bedanken möchte ich mich für Ihr Wirken als Priester in der Kirche Jesu Christi. So vielen Menschen haben Sie den Weg gewiesen zum Heil, das in Jesus Christus endgültig zu uns gekommen ist.

Durch das Wort der Verkündigung und durch die Spendung der Sakramente sind Sie Zeuge der alles verändernden Kraft unseres Herrn und Erlösers, dem wir uns vertrauensvoll überantworten dürfen. Der Weinberg des Herrn ist Ihre Heimat. Sein Schutz und Segen soll Sie noch über viele Jahre begleiten und Ihnen die Freude seiner Gegenwart schenken.

All das Gute, das Sie gewirkt haben, möge der Herr Ihnen vergelten. Mit meinem bischöflichen Segen verbinde ich noch einmal all meine guten Wünsche zu Ihrem 85. Geburtstag!

Gerhard Ludwig Müller
Bischof von Regensburg



Foto: (c) Bistum Regensburg


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