Schweiz: Das Ende der Generalabsolution

14. Jänner 2009 in Schweiz


Dekret der Schweizer Bischofskonferenz: "Das persönliche und vollständige Bekenntnis und die Absolution bilden den einzigen ordentlichen Weg, auf dem ein Gläubiger, der sich einer schweren Sünde bewusst ist, mit Gott und der Kirche versöhnt wird."


Freiburg (kath.net/SBK) Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) hat in einem Dekret die Generalabsolution im Rahmen einer Bußfeier als ordentliche Form der Sündenvergebung des Einzelnen untersagt. Eine gemeinschaftliche Lossprechung ist nur noch in Todesgefahr erlaubt. Die SBK bezieht sich dabei auf das 2002 von Papst Johannes Paul II. als Motu Proprio erlassene Apostolische Schreiben Misericordia Dei.

„In allen kirchlichen Verlautbarungen zu Bussgottesdiensten wurde betont, dass diejenigen, welche sich schwerer Schuld bewusst sind, im Hinblick auf die Versöhnung mit Gott und der Kirche zur Einzelbeichte gehen müssen“, heißt es in dem Dekret der SBK. „Die Bussfeier mit Generalabsolution ist nicht eine der ordentlichen Formen des Empfangs des Sakramentes der Versöhnung, sondern hat den Charakter einer Ausnahme (vgl. can. 960). Die Todesgefahr stellt in den Schweizer Diözesen derzeit den einzigen Fall dar, welcher die Erteilung der Generalabsolution rechtfertigt.“

„Das Zugeben eines Fehlers ist wie das Ausspucken eines Stücks, welches den Hals verstopft, bevor man vom geweihten Priester, der Christus repräsentiert, den Zuspruch erhält: «Deine Sünden sind dir vergeben». Es liegt in unserer menschlichen Struktur, dass wir sagen müssen, was sich in unserem Innersten eingegraben hat, um davon befreit zu werden und das Wort zu vernehmen, welches uns in unserer Identität als Mann und Frau vollkommen wiederherstellt“, schreibt Abbé François-Xavier Amherdt, Professor für Pastoraltheologie an der Universität Freiburg, in seinem Begleitartikel. Nicht die Bussfeiern sollen abgeschafft werden, sondern die Bedeutung der Einzelbeichte neu entdeckt werden.


Das Dekret der SBK im Wortlaut:

Einleitung

Mit Datum vom 15. März 1989 veröffentlichte die Schweizer Bischofskonferenz die Partikularnormen, die sich auf can. 961 CIC beziehen. Am 7. April 2002 veröffentlichte Papst Johannes Paul II. das als Motu Proprio erlassene Apostolische Schreiben Misericordia Dei MD), in dem er anordnet, dass die Bischofskonferenzen den Text der Normen im Licht dieses Schreibens zu aktualisieren haben (MD 6). Mit diesem Erlass kommt die Schweizer Bischofskonferenz der Aufforderung nach.

Vergebung im Leben der Kirche

Auf vielfältige Weise schenkt Gott dem Menschen Vergebung (vgl. KKK1 1434–1449). Besondere Bedeutung haben dabei gemeinsame Bussgottesdienste. Die häufige Verknüpfung der Bussgottesdienste mit der Generalabsolution hat in verschiedenen Schweizer Diözesen
dazu geführt, dass sich diese Gottesdienstform in ihrem ursprünglichen Sinne kaum entwickeln konnte. Im Bussgottesdienst bekennt sich eine Gemeinschaft von Gläubigen vor Gott schuldig. Am Schluss der Feier wird Gott um Vergebung gebeten (deprekative Form).

In allen kirchlichen Verlautbarungen zu Bussgottesdiensten wurde jedoch betont, dass diejenigen, welche sich schwerer Schuld bewusst sind, im Hinblick auf die Versöhnung mit Gott und der Kirche zur Einzelbeichte gehen müssen.

Das Sakrament der Versöhnung

Die Höchstform der vergebenden Begegnung mit Christus ist der Empfang des Sakramentes
der Versöhnung. Die Kirche kennt zwei ordentliche Formen dieses Sakraments:

•Die Feier der Versöhnung für einzelne und
•die gemeinschaftliche Feier der Versöhnung mit Bekenntnis und Lossprechung der einzelnen.

Wir Bischöfe haben im Dezember 2007 dazu das Hirtenschreiben «Impulse zur Erneuerung der Einzelbeichte im Rahmen der Busspastoral» veröffentlicht, das wir allen in der Seelsorge Stehenden und allen Gläubigen zur Vertiefung empfehlen.

Die Gestalt des Sakraments der Versöhnung hat sich im Lauf der Geschichte immer wieder gewandelt. Was sich aber nicht geändert hat – von den Zeugnissen im Neuen Testament zu den Kirchenvätern und allen Entwicklungen –, ist das Erfordernis des persönlichen Bekenntnisses.

Die Vergebung ist ein persönliches Geschenk Gottes an jeden einzelnen Menschen. Dieses Geschenk kann nur empfangen, wer sich schuldig bekennt. Deshalb gehört das persönliche Bekenntnis wesentlich zum Sakrament der Versöhnung.

Die Bussfeier

In der Bussfeier im gottesdienstlichen Rahmen, der nicht notwendig ein Priester vorstehen muss, gehen die Gläubigen den Weg der christlichen Busse und Bekehrung ausdrücklich als Gemeinschaft. Deshalb kann hier besonders die soziale Dimension von Schuld und Sünde zum Ausdruck gebracht werden. Gottes Vergebung wird durch eine deprekative Bitte
zugesagt.

Die Bussfeier mit Generalabsolution ist nicht eine der ordentlichen Formen des Empfangs des Sakramentes der Versöhnung, sondern hat den Charakter einer Ausnahme (vgl. can. 960). Die Todesgefahr stellt in den Schweizer Diözesen derzeit den einzigen Fall dar, welcher die Erteilung der Generalabsolution rechtfertigt. Die anderen bisher ins Feld geführten «ausserordentlichen Fälle» sind von Misericordia Dei für die Erteilung der Generalabsolution ausdrücklich ausgeschlossen worden.

Dekret

(Erlassen nach Massgabe von can. 455 § 2 CIC durch die 281. Ordentliche Versammlung der Schweizer Bischofskonferenz am 3. September 2008. Rekognosziert nach Massgabe von can. 455 § 2 CIC durch die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung am 20. Oktober 2008 (Prot. 1135/08/L). Promulgiert nach Massgabe von can. 8 § 2 CIC i.V.m. can. 29 CIC, can. 455 § 3 CIC und Dekret der Schweizer Bischofskonferenz vom 3. Juli 1985 in den amtlichen Organen der Schweizer Diözesen: Schweizerische Kirchenzeitung, Evangile et Mission, Rivista della Diocesi di Lugano.)

Das persönliche und vollständige Bekenntnis und die Absolution bilden den einzigen ordentlichen Weg, auf dem ein Gläubiger, der sich einer schweren Sünde bewusst ist, mit Gott und der Kirche versöhnt wird (can. 960). Die Bussfeiern sollen, gemäss den Normen des Rituals, entweder mit einem vollständigen Einzelbekenntnis und Einzelabsolution oder mit einer einfachen deprekativen Vergebungsbitte abgeschlossen werden.

Hinsichtlich der Generalabsolution ausserhalb von Todesgefahr (can. 961) hält die Schweizer Bischofskonferenz in Form eines nach can. 455 und nach Art. 6 des Motu Proprio Misericordia Dei vom 2. Mai 2002 erlassenen allgemeinen Dekrets in Bezug auf can. 961 § 2 und gestützt auf die vorhergehenden Erwägungen fest, dass in den ihr zugehörigen Diözesen und Gebietsabteien die eine schwere Notlage begründenden Voraussetzungen für die Erteilung der Generalabsolution nicht gegeben sind; die Generalabsolution darf deshalb nur bei drohender Todesgefahr (can. 961, § 1, 1°) erteilt werden.

Schlusswort

Wir ermutigen alle in der Seelsorge Stehenden zur Neuentdeckung der verschiedenen Weisen, wie Gott uns Menschen Vergebung schenkt. Ausdrücklich empfehlen wir die Gestaltung von
Bussgottesdiensten und die Hinführung zur Einzelbeichte. Dieses Dekret, das die künftige Busspraxis regelt, tritt mit seiner Veröffentlichung inKraft.

Freiburg i. Üe., den 1. Januar 2009

Für die Schweizer Bischofskonferenz: Mgr Dr. Kurt Koch (Präsident der SBK), Dr. Felix Gmür (Generalsekretär der SBK)


BEGLEITARTIKEL ZUM DEKRET DER SCHWEIZER BISCHOFSKONFERENZ BZGL. CAN. 961 CIC von Abbé François-Xavier Amherdt, Professor für Pastoraltheologie an der Universität Freiburg

GOTTES VERGEBUNG: EIN SCHATZ MIT VIELEN FACETTEN

GEMEINSCHAFTLICHE BUSSFEIERN: FORTFÜHRUNG UND WEITERENTWICKLUNG

Zu den schönsten Dingen, die das Zweite Vatikanische Konzil wiederentdeckt hat, gehört dieses: Als Bundesvolk bekennt sich eine Gottesdienstversammlung schuldig vor Gott und bittet ihn um Vergebung. Im Zeitalter der Globalisierung und des «globalen Dorfes» sind die Glieder der Kirche aufgerufen, untereinander immer mehr Solidarität zu üben, und zwar ebenso, was das Sündenbewusstsein als auch, was die gegenseitige Unterstützung angeht.

Die persönlichen Fehler der Einzelnen verletzen den gesamten Leib der kirchlichen Familie, denn das Gegenzeugnis jedes Christen schadet in der öffentlichen Meinung der Glaubwürdigkeit der ganzen Kirche. Die ungerechten sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Strukturen betreffen die gesamte Menschheit und hinterlassen die Welt in einem Zustand, der schlimmer ist, als er sein sollte.

Umgekehrt fällt das inständige Flehen der einen auf den Rest des Volkes Gottes durch das Mysterium der Gemeinschaft der Heiligen zurück; das gemeinsame Vorgehen erlaubt den Schwächsten, dass sie eingebunden und getragen sind und so aus ihrer Isolation ausbrechen können.

Es steht also ausser Frage, durch das vorliegende Dekret, welches die Generalabsolution auf den Fall der Todesgefahr einschränkt, die gemeinschaftlichen Bussgottesdienste abschaffen zu wollen. Weiterhin sollen sie namentlich in den geprägten liturgischen Zeiten gefeiert (Advent, österliche Busszeit...) und mit der Bitte um Gottes Vergebung durch eine «deprekative» Formel – durch ein «Anflehen» – abgeschlossen werden, so wie am Anfang der Heiligen Messe («Der allmächtige Gott erbarme sich unser...»).

Die Bussfeiern sind in sich bedeutungsvoll, auch wenn nicht das Busssakrament als solches gespendet wird. Deshalb lohnt es sich, sie beizubehalten und gleichzeitig die Möglichkeit zu eröffnen, nach einem individuellen Bekenntnis die Einzelabsolution zu empfangen.

Man beachte zudem, dass sich das Dekret der Schweizer Bischöfe auf die Zukunft bezieht und dass folglich die Gültigkeit der früher gespendeten Generalabsolutionen in keiner Art und Weise in Frage gestellt wird. Es ist wichtig, dass die Gläubigen und die Seelsorger diesbezüglich völlig beruhigt sein können.

DIE PERSÖNLICHE BEGEGNUNG IN DER PERSPEKTIVE DER «PASTORAL ALS GEBURTSHILFE»
(PASTORALE D’ENGENDREMENT)

Die gemeinschaftliche Dimension der Versöhnung steht einer persönlichen Herangehensweise nicht entgegen. Es handelt sich um zwei Aspekte, die sich ergänzen und vom Schatz der göttlichen Barmherzigkeit nicht zu trennen sind. Sie sind wie die berühmten zwei Seiten der einen Medaille.

Jesus stellt die grundlegende Würde seiner Ansprechpersonen in zwischenmenschlichen Begegnungen mit unauslotbarer Tiefe wieder her (Zachäus, der Gelähmte, die Ehebrecherin...), indem er sie von ihren Sünden befreit und sie der zärtlichen Zuwendung des Vaters versichert. Die «Pastoral als Geburtshilfe», zu der das «Ins-Spiel-Bringen des Glaubens und des Evangeliums» (proposition de la foi et de l’Evangile) führt und wozu verschiedene Bischofskonferenzen in den letzten Jahren aufgerufen haben (Frankreich, Belgien, Kanada, Italien, Deutschland), besteht gerade darin, jedem Menschen die Möglichkeiten einer Christusbegegnung und einer Geisterfahrung aufzuzeigen und ihm so eine menschliche und geistliche Neugeburt zu erlauben.

Unter dieser Rücksicht kann sich die im Rahmen des individuellen Busssakramentes gelebte zwischenmenschliche Beziehung als grosser Gewinn erweisen. Alle Psychologen unterstreichen die Wohltat der Aussprache, wenn sich bei einer Person eine Blockade auf ihrem Lebensweg eingestellt hat, und die Tradition der Kirche misst dem persönlichen Bekenntnis der Fehler vor Gott einen unschätzbaren Wert zu, und zwar als Vorbedingung, um sich der sakramentalen Vergebung zu öffnen.

Das Zugeben eines Fehlers ist wie das Ausspucken eines Stücks, welches den Hals verstopft, bevor man vom geweihten Priester, der Christus repräsentiert, den Zuspruch erhält: «Deine Sünden sind dir vergeben». Es liegt in unserer menschlichen Struktur, dass wir sagen müssen, was sich in unserem Innersten eingegraben hat, um davon befreit zu werden und das Wort zu vernehmen, welches uns in unserer Identität als Mann und Frau vollkommen wiederherstellt.

Die Kinder wissen das sehr gut: Solange sie ihren Eltern ihre Verfehlungen nicht «gebeichtet» und aus dem Mund des Vaters oder Mutter gehört haben: «Ich vergebe dir, ich schliesse dich in mein Herz ein», fühlen sie sich unwohl. Wir machen alle die
befreiende Erfahrung, dass Schuldeingeständnis und Vergebungszuspruch Beziehungen wiedergutmachen. Und andererseits zermürbt das Nicht-Sagen manche Paarbeziehung, Familie oder Gruppierung.

Nun aber betrifft alles, was seine Kinder sind und leben, den himmlischen Vater. Wer die Schwester oder den Bruder verletzt, greift Gottes Herz selber an. Der sakramentale Dialog der «Beichte» erscheint oft als der einzige Ort, wo wir unsere Fehler aussprechen und die Gnade der Vergebung des Herrn durch die Worte und Gesten des Priesters empfangen können, und zwar so, wie es kein Therapeut und keine Therapeutin zu gewähren imstande ist.

DIE EINZELBEICHTE: EIN HEILUNGSPROZESS

Es ist überdies frappierend zu sehen, wie sehr die Vergebung im Trend liegt. Ein bekanntes französischsprachiges Wochenmagazin widmete Ende Dezember 2008 seine Titelgeschichte, ausgehend von den Arbeiten des kanadischen Priesters und Psychologen Jean Monbourquette (Comment pardonner, Paris 2006) den sieben Etappen der Versöhnung. Der innere Heilungsweg und die Evangelisierung der Tiefen gehen glücklich Hand in Hand, denn sie erfüllen die Erwartungen vieler unserer Zeitgenossen.

Das Bekennen der Liebe des Vaters und das anschliessende Bekennen unser Sünde vor ihm sowie das im zwischenmenschlichen Austausch von Angesicht zu Angesicht geschenkte Empfangen der Gnade des Sakraments von Christus selbst durch das ordinierte Amt stellen uns in einen Prozess innerer Heilung, der unsere Wunden verbindet und unseren Status als neue Wesen vor Gott zeitigt.

Dies lässt sich gut im Rahmen einer geistlichen Begleitung umsetzen, in der die geschenkte und empfangene Vergebung, wird sie in allen Etappen gut vollzogen, einen zentralen Platz einnimmt: Anerkenntnis des begangenen Fehlers, der in eine Sackgasse führt; Wunsch nach Veränderung und Wille zur Umkehr, die sich durch authentische Reue zeigen; innerlich Not wendende Bussfertigkeit; tröstliche Vergebungsbitte und Bekenntnis; Einzelabsolution, welche die Gnade der Barmherzigkeit handgreiflich erfahrbar macht; konkrete Gesten, welche mit Gott, den Brüdern und Schwestern, ja mit der ganzen Welt versöhnen...

DIE EINZELABSOLUTION: JEDE(R) NACH IHREM (SEINEM) NAMEN

Es ist erstaunlich, dass in einer Zeit, in welcher Individualismus und Autonomie so hochstilisiert und manchmal auch rechtmässig eingefordert werden, ein Vorhaben individuellen Zuschnitts wie die Beichte so schlecht wahrgenommen wird.

Gott betrachtet uns nicht als eine gesichtslose Herde. Er kennt uns persönlich mit unserem Namen, seit unserer Empfängnis und unserer Taufe. Seine Gnade geht uns immer schon voraus; sie ist Ursache unserer inneren Freiheit und ruft uns in die individuelle Verantwortung.

Die Begegnung mit dem Beichtvater regt uns zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Richtung, die wir unserem Leben geben, an. Wir stellen uns unserer Brüchigkeit, indem wir uns selbst mit unseren Sünden konfrontieren. Wir lassen uns herausfordern, unseren Fehler zu benennen, der durch dieses Aussprechen selbst seine zerstörende Kraft verliert.

Das Beichtgespräch nimmt uns in der Tiefe in Beschlag und führt uns dazu, unsere Verantwortung als freie Menschen vor Gott und vor den Mitmenschen wahrzunehmen. Die Begegnung mit dem Beichtvater gestaltet sich als ein Dialog mit einem Bruder im Glauben, und deshalb hilft sie uns, aus der Einsamkeit herauszutreten und uns für das Heil zu öffnen, für das der Priester als kirchlicher Zeuge steht.

Die Einmaligkeit der Begegnung erlaubt es, jede besondere Situation zu erfassen, was die gemeinschaftliche Bussfeier nicht leisten kann. Und das individuelle Versöhnungswort manifestiert in privilegierter Weise das zärtliche Wohlwollen und das liebende Mitgefühl des Herrn für jede und jeden. Es stellt die Taufwürde in ihrem ursprünglichen Glanz wieder her und eröffnet jedem Beichtenden die Chance eines Neuanfangs. So ist es in der Tat ein Werk neuer Schöpfung und zeigt besonders und konkret die Gnade der Vergebung.

Wieso sollte man auf ein solches Geschenk verzichten, welches Sein, Herz, Seele, Geist und Körper zur Einheit bringt? Wieso sollte man neben dem Brunnen lebendigen Wassers vor Durst sterben? Wieso sollte man die österliche Gabe der Sündenvergebung, die Christus den Aposteln anvertraut hat, zurückweisen (vgl. Joh 20,22f)?

DAS SAKRAMENT DER VERSÖHNUNG: EINIGE PRAKTISCHE ANREGUNGEN

Die Abschaffung der Praxis der Generalabsolution, wie sie die Schweizer Bischofskonferenz in Übereinstimmung mit der überwältigenden Mehrheit der katholischen Diözesen der Weltkirche wünscht, wird ohne Zweifel Enttäuschungen hervorrufen und Fragen aufwerfen. Sie kann indes auch Anlass zu einem neuen kreativen Umgang mit den verschiedenen Formen geben, wie man sich dem Schatz der göttlichen Barmherzigkeit öffnen kann.

So wie es sich langjährig in den Diözesen Sitten und Lugano, im Gebiet der Abtei Saint-Maurice und andernorts bewährt hat, sollte man die Möglichkeit anbieten, dass jene, welche es wünschen (und insbesondere die, welche sich einer schweren Sünde bewusst sind), nach der gemeinschaftlichen Bussfeier ein individuelles Bekenntnis ablegen und die Einzelabsolution empfangen können. Das erfordert die Anwesenheit verschiedener Priester einer Seelsorgeeinheit oder einer Region, welche dies ihrerseits zum Anlass brüderlichen Austausches nehmen können. Die Wartezeit der Pönitenten kann durch Musik, meditative Texte, Bilder geistlichen Inhalts, eucharistische Anbetung o.ä. gestaltet werden, und eine symbolische Geste kann die Einzelnen begleiten (eine Kerze anzünden, sich mit Taufwasser langsam und intensiv bekreuzigen, ein Gebet in ein spezielles Gefäss vor dem Tabernakel legen usw.).

Es lohnt sich, neben den persönlichen Beichtgesprächen auf Verabredung regelmässige Beichtzeiten anzubieten, während derer die Gläubigen die sakramentale Absolution empfangen können: eine Stunde vor dem Sonntagsgottesdienst, eine gewisse Zeit an Samstagen und Sonntagen, während eines Nachmittags, an dem das Allerheiligste ausgesetzt wird, und zwar so, dass sich die zur Verfügung stehenden Priester jeweils ablösen.

Der Ort, an dem die Pönitenten empfangen werden, bedarf einer besonderen Pflege: mehrere Orte sollten angeboten werden, und man kann ein angenehmes Ambiente mit Blumen, Düften, Kerzen, einem Kruzifix, einer Ikone, einem Bibelwort usw. schaffen.

Je mehr die Erfahrungen Gläubige überzeugen, desto mehr verspüren sie den Wunsch, das Sakrament wieder zu empfangen. Deshalb ist es wichtig, den Kindern eine vorzügliche Einführung in ihren «erste Vergebung» zu geben. Sie soll als ein Fest gelebt werden. Nachher sollten die Kleineren, die Jugendlichen und die jungen Erwachsenen regelmässig die Möglichkeit haben, das Sakrament bei verschiedenen Gelegenheiten, die ihr Glaubensleben prägen, zu empfangen (Vorbereitung auf die Erstkommunion, Firmvorbereitung, während Wallfahrten, Lagern, Tagungen, Week-ends, Festivals, nach einer Nachtschicht oder Nachtwanderung oder Lichterprozession usw.).

Die sakramentale Begegnung zu zweien ist es wert, als eigenständige liturgische Feier zelebriert zu werden. Die Qualität und Schönheit dieser Feier, selbst wenn sie kurz ist (Lesung des Wortes Gottes, aktives Zuhören, aufrichtiges Teilen, Gestus der Handauflegung, welcher die Absolutionsformel begleitet...) ist ausschlaggebend, um den Wunsch der Gläubigen zu erhalten, sich immer wieder neu an dieser Quelle zu laben.

Die Klöster, Exerzitien- und Bildungshäuser, Wallfahrtsorte, Berghospize und verschiedene Seelsorgestellen (an Schulen, anderssprachigen Missionen, Spitälern, sozialen Einrichtungen, Gefängnissen...) können wöchentliche oder monatliche Beichtzeiten anbieten, an die sich die Gläubigen rasch gewöhnen werden.

Sonntagspredigten, Vortragszyklen, für alle Generationen offene Tagungen zur
Versöhnung und Katechesen, Auffrischung anlässlich anderer Sakramente (Eucharistie, Firmung, Hochzeit, Krankensalbung), Anzeigen im Pfarrblatt usw. können Lust machen, den Weg zur Einzelbeichte wieder und neu zu entdecken. Woraus man lebt und was man liebt, soll weitergegeben werden. In diesem Zusammenhang weise ich auf das neue Buch des Pfarrers und Dekans von Romont hin, der die hier und die im Dekret unserer Bischöfe eingenommene Perspektive weiterführt (Pascal Desthieux, La confession. Enfin je comprends mieux, St-Maurice 2008). Auf deutsch ist zu empfehlen: Wolfgang Beck/Christian Hennecke, Think about. Das Sakrament der Busse mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen neu entdecken, München 2008.

Übersetzung: Felix Gmür


© 2009 www.kath.net