Die Welt wird nicht durch Zufall enden

23. November 2008 in Spirituelles


Das Jüngste Gericht antwortet auf die universalste aller menschlichen Hoffnungen. Gedanken von P. Raniero Cantalamessa zum Hochfest Christkönig.


Rom (kath.net/Zenit) Die Welt ist kein Zufallsprodukt, sondern sie hat mit Worten Gottes ihren Anfang genommen und wird auch mit Worten Gottes („Kommt, ihr Gesegneten… Geht weg, ihr Verfluchten“) ihr Ende finden. Das betont P. Raniero Cantalamessa OFM Cap., Prediger des päpstlichen Hauses, in seinem letzten ZENIT-Evangeliumskommentar.

Zum Hochfest Christkönig ermutigt der Kapuzinerpater uns alle, „so zu leben, dass das Gericht für uns nicht Verurteilung bringt, sondern das Heil“. Außerdem schenke uns das Jüngste Gericht die tröstliche Sicherheit, dass Ungerechtigkeit nicht das letzte Wort haben werde.

„Das Evangelium des letzten Sonntags im Kirchenjahr, dem Hochfest Christkönig, lädt uns ein, am letzten großen Ereignis der Geschichte teilzunehmen – dem Jüngsten Gericht. „Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen. Und alle Völker werden von ihm zusammengerufen werden, und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken.“

Die erste Botschaft dieses Evangeliums besteht nicht im Vollzug des Gerichts oder in seinem Ergebnis, sondern in der Tatsache, dass es ein Gericht geben wird; dass die Welt nicht ein Produkt des Zufalls ist und nicht einmal rein zufällig enden wird. Sie beginnt mit einem Wort: „Es werde Licht… Lasst uns Menschen machen“, und sie wird auch mit einem Wort zu Ende gehen: „Kommt, ihr Gesegneten… Geht weg, ihr Verfluchten…“ An ihrem Anfang und an ihrem Ende steht der Entschluss eines intelligenten Geistes und eines souveränen Willens.

Der Beginn dieses Jahrtausends ist von der heftigen Diskussion über Evolutionismus und Kreationismus geprägt. Kurz gesagt, stehen bei dieser Diskussion diejenigen, die sich – nicht immer zurecht – auf Darwin berufen und glauben, dass die Welt das Ergebnis einer blinden und von der Selektion der Arten dominierten Evolution sei, jenen gegenüber, die zwar eine Evolution zugeben, dabei aber Gott innerhalb des evolutiven Prozesses am Werk sehen.

Vor einigen Tagen fand im Vatikan eine Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften statt. Sie widmete sich dem Thema; „Wissenschaftliche Sichtweisen zur Evolution des Universums und des Lebens“. Die größten Wissenschaftler der Welt, gläubige und nichtgläubige, darunter auch mehrere Nobelpreisträger, haben daran teilgenommen. In der Sendung über das Evangelium, das ich im ersten Sender des italienischen Staatsfernsehens RAI moderiere, habe ich einen der anwesenden Wissenschaftler interviewt: Professor Francis Collins, Leiter der Forschungsgruppe, die die Entdeckung des menschlichen Genoms ermöglicht hatte. Ich habe ihn gefragt: „Wenn die Evolution wahr ist – bleibt dann noch Platz für Gott?“ Hier seine Antwort:

„Darwin hatte darin recht, seine Theorie zu formulieren, nach der wir von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen und es im Lauf längerer Etappen zu graduellen Veränderungen gekommen ist. Dies aber ist der mechanische Aspekt der Entwicklung, durch die das Leben bis zum Punkt gekommen ist, dieses phantastische Panorama der Verschiedenheit zu bilden. Er gibt keine Antwort auf die Frage, warum es das Leben gibt.

Bestimmte Aspekte des Menschseins sind nicht leicht zu erklären. Zu ihnen gehören das moralische Bewusstsein und die Erkenntnis von Gut und Böse, die uns manchmal dazu veranlasst, Opfer zu bringen, die nicht von den Gesetzen der Evolution diktiert sind. Jene würden vielmehr anraten, sich um jeden Preis selbst zu erhalten. Das ist kein Beweis, aber – verweist das vielleicht nicht darauf, dass Gott existiert?“

Ich habe Professor Collins auch gefragt, ob er zuerst an Gott, oder an Jesus Christus geglaubt hat. Er hat mir geantwortet: „Bis zum Alter von 25 Jahren war ich Atheist. Ich hatte keine religiöse Erziehung und war ein Wissenschaftler, der fast alles auf Gleichungen und physikalische Gesetze reduzierte. Als Arzt aber habe ich begonnen, die Menschen zu sehen, die dem Problem des Lebens und des Todes entgegentreten mussten, und das hat mich zur Überzeugung geführt, dass mein Atheismus keine verwurzelte Vorstellung war. Ich habe begonnen, Texte über die rationalen Argumente für den Glaubens zu lesen, die ich nicht kannte. So gelangte ich zunächst zur Überzeugung, dass der Atheismus die am wenigsten akzeptierbare Alternative ist, und allmählich bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es einen Gott geben muss, der all dies geschaffen hat. Aber ich wusste nicht, wie dieser Gott war. Das hat mich dazu veranlasst weiterzusuchen – um zu entdecken, was das Wesen Gottes ist. Und ich habe es in der Bibel und in der Person Jesu Christi gefunden. Nach zwei Jahren des Suchens kam ich zu dem Ergebnis, dass es nicht mehr vernünftig ist, Widerstand zu leisten, und so bin ich zu einem Nachfolger Jesu geworden.“

Ein großer Vertreter des atheistischen Evolutionismus unserer Tage ist der Brite Richard Dawkins, Verfasser des Buches „God Delusion – Der Gotteswahn“. Er betreibt eine Werbekampagne mit dem Ziel, auf den Bussen, die durch die englischen Städte fahren, den Schriftzug anzubringen: „Gott gibt es wahrscheinlich nicht: Hör auf damit, dich zu sorgen, und genieße das Leben!“ („There’s probably no God. Now stop worrying and enjoy life“). „Wahrscheinlich“: Er schließt es somit nicht gänzlich aus, dass es Gott geben könnte! Wenn Gott nicht existiert, dann hat der Gläubige fast nichts verloren. Gibt es ihn aber doch, dann hat der Nichtgläubige alles verloren.

Ich versetze mich in einen Vater oder in eine Mutter, die ein behindertes, autistisches oder schwerkrankes Kind haben; einen Migranten, der dem Hunger oder den Schrecken des Krieges entkommen ist; einen Arbeitslosen oder in einen Bauern, der von seinem Acker vertrieben wurde… Und ich frage mich, wie diese Menschen wohl auf solche Botschaften reagierten: „Gott gibt es nicht: Hör auf damit, dich zu sorgen, und genieße das Leben!“

Die Existenz des Bösen und der Ungerechtigkeit in der Welt ist gewiss ein Geheimnis und ein Skandal, aber ohne den Glauben an ein Jüngstes Gericht wäre die Welt unendlich absurder und tragischer. Während der vielen Jahrtausende des irdischen Lebens hat sich der Mensch an alles gewöhnt. Er hat sich an jedes Klima angepasst, ist gegenüber jeder Krankheit immun geworden. An eine Sache hat er sich aber nie gewöhnen können: an die Ungerechtigkeit. Er empfindet sie immer als unerträglich. Und auf diesen Durst nach Gerechtigkeit wird das Jüngste Gericht eine Antwort geben. Es wird nicht nur von Gott gewollt sein, sondern paradoxerweise auch von den Menschen – sogar von den gottlosen. „Am Tag des Jüngsten Gerichts wird nicht nur der Richter vom Himmel kommen“, schrieb der Dichter Paul Claudel, „sondern auch die ganze Erde wird ihm entgegenstürzen“.

Das Fest Christkönig gibt mit dem Evangelium vom Jüngsten Gericht eine Antwort auf die universalste aller menschlichen Hoffnungen. Es sichert uns zu, dass die Ungerechtigkeit und das Böse nicht das letzte Wort haben werden, und gleichzeitig ermahnt es uns, so zu leben, dass das Gericht für uns nicht Verurteilung bringt, sondern das Heil, und dass wir zu denen gehören können, zu denen Christus sagen wird: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Erde für euch bestimmt ist.“

[ZENIT-Übersetzung des italienischen vom Autor zur Verfügung gestellten Originals]

Foto: Kathpedia


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