400-jähriges Jubiläum von Siluva

24. September 2008 in Weltkirche


Die Marienerscheinungen in Litauen vermögen eine "Gebets- und Bußrevolution gegen eine europäische Entgottung der Welt und eine Gottentfremdung der Menschen zu entfachen", sagt Kardinal Meisner beim Festakt.


Köln (kath.net/Kirche heute) Im September feierte Litauen das 400-jährige Jubiläum der Marienerscheinungen von Siluva (Schiluwa). Hunderttausende von Gläubigen nahmen an den Festlichkeiten teil. Voraus gingen am 6. und 7. September ein Eucharistischer Kongress und ein nationaler Jugendtag. Darauf folgten eine Woche lang Wallfahrten verschiedener Berufsgruppen und religiöser Gemeinschaften. Am 12. September fand ein Krankentag und am 13. September ein großer Familientag statt.

Höhepunkt war schließlich das Pontifikalamt am 14. September, zu dem Papst Benedikt XVI. den Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner als seinen persönlichen Legaten entsandte. Sowohl im Dekret des Papstes als auch in der Predigt des Kardinals wurde die Bedeutung unterstrichen, welche die Weltkirche den Ereignissen von Siluva beimisst.

Gleichzeitig brachte die katholische Kirche mit diesem Akt der Aufmerksamkeit dem litauischen Volk von höchster Stelle ihre Wertschätzung und ihre hohe Erwartung an sein Glaubenszeugnis im vereinten Europa zum Ausdruck. Nachfolgend einige Abschnitte aus der Predigt des Kardinals .

Die helfende Mutter im Hintergrund

In den glanzvollsten Augenblicken des Lebens Jesu, etwa bei der wunderbaren Brotvermehrung in der Wüste oder beim Wandeln über den See oder bei der Auferweckung des Jünglings von Nain oder bei seiner Verklärung auf dem Berge Tabor oder beim Triumph vor den Toren Jerusalems am Palmsonntag bleibt Maria im Hintergrund. Sie ist nicht anwesend.

Aber in den Stunden der Gefahr und des Leidens Jesu steht Maria im Vordergrund, so bei der Herbergssuche in Bethlehem oder auf der Flucht nach Ägypten oder auf seinem tragischen Leidensweg in Jerusalem und schließlich am Kreuz von Golgotha, wo ihr Herz brach.

Sie hat nicht für sich selbst gelebt, sondern nur für den Herrn und damit für die Erlösung der Menschheit. Auch für ihre Erscheinungen auf Erden hat sie nicht dicht bewohnte Städte und berühmte Kathedralen oder Basiliken gewählt, sondern einsame Plätze, die nicht viele Besucher kennen.

Auch hat sie sich nicht wichtigen Persönlichkeiten oder gelehrten Theologen gezeigt, sondern einfachen Leuten und Kindern, also denen, die niemand besuchen will. Sie möchte auch, dass besonders diese Menschen zu ihr kommen. Ihr fehlt eigentlich alles, was die Welt als „Glück“ bezeichnet.

In der Bedrohung des litauischen Volkes

Genauso ist es hier vor 400 Jahren in Siluva gewesen. Nach den tragischen Ereignissen von 1532, als das Muttergottesbild wegen der calvinistischen Bedrohung hier vergraben werden musste, erschien 76 Jahre später, im Jahre 1608, in einer völlig unkatholischen Umgebung die Muttergottes Hirtenkindern, die ihre Schafe außerhalb von Siluva weideten. Das geschah an jener Stelle, wo der letzte katholische Pfarrer vor 76 Jahren das Bild der Gottesmutter verborgen hatte.

Maria wurde vor den Kindern sichtbar und weinte in Sorge um ihre Kinder, und die Bevölkerung antwortete mit ihrer Bekehrung zur katholischen Kirche. Auf die Vision eines 100-jährigen Blinden hin wurde dann die vom letzten katholischen Pfarrer Holubka 1532 verborgene Eisentruhe mit dem Bild der Gottesmutter gefunden. Bald erfolgten auch die ersten Wunderheilungen an diesem Bild.

Seitdem gehört Maria von Siluva zu den großen Patronen Ihres litauischen Volkes, die mit ihm durch Licht und Dunkel, durch hoch und tief gegangen ist. Sie blieb bei den Menschen Tag und Nacht, und darum ist Siluva zu einem Ort des Trostes, der Ermutigung und der Orientierung für Ihr Volk geworden.

Gegen eine europäische Gottentfremdung

Seit 400 Jahren hat Gott dem litauischen Volk Maria in Siluva als Wegbegleiterin und Hilfe bei der Befreiung von all den dunklen Mächten und Gewalten, die den Menschen von Gott abkoppeln, gegeben. Sie ist der Übergang von der Gottentfremdung in die Gottfähigkeit und damit in die Weltfähigkeit.

Denn nur wer Gott kennt, der kennt auch den Menschen. Und nur, wer um den Himmel weiß, der versteht auch etwas von der Erde. Siluva 2008 – also 400 Jahre nach den Erscheinungen – heißt, heute noch eine Gebets- und Bußrevolution gegen eine europäische Entgottung der Welt und eine Gottentfremdung der Menschen zu entfachen.

„Wo die Not am größten ist, dort ist Gottes Hilfe am nächsten“, das ist eine uralte Erfahrung des Gottesvolkes in der Vergangenheit. Maria ist die Person gewordene Hilfe Gottes der Christen. Sie ist die Bundeslade, die in den Stürmen steht und die uns nie untergehen lässt. Sie ist gleichsam das mütterliche Gesicht der Hilfe Gottes. Darum trat Maria immer in den großen Notzeiten der Kirchengeschichte auf den Plan.

„Was Maria in Siluva gesagt hat, das glaubt!“

Vor 400 Jahren kam sie hier vor Ort über die Hirtenkinder von Siluva in die Geschichte eures Volkes, und sie ist nicht mehr von euch weggegangen. Sie ging mit den Verschleppten nach Sibirien und half ihnen dort zu leben und zu sterben. Und sie verblieb bei den trauernden Angehörigen im Mutterland und half ihnen, weiterhin zu vertrauen und zu glauben.

Wir brauchen Maria in Gegenwart und Zukunft in unseren Häusern und Gruppen, in unseren Gemeinden und Gemeinschaften. Denn sie bringt den Herrn selbst mit ins Haus. Wo man sie vor der Tür lässt, verwehrt man auch dem Herrn den Eingang in unserer Mitte.

Wie ihre Kirchen und Kathedralen inmitten unserer Städte und Dörfer stehen und ihre Bilder in den Kirchen, Häusern und Museen hängen, brauchen wir Maria in der Kultur Litauens, wenn Litauen Litauen bleiben soll. Sonst würde alles christuslos, glaubenslos und hoffnungslos. Wir brauchen um unseretwillen Maria in unserer Mitte.

Ihr Blick auf Johannes unter dem Kreuz ist auf uns alle gerichtet. Denn in Johannes sind wir alle, ist die Kirche Maria anvertraut. Sie kann uns unzweifelhaft Wegweisung in den Wirrnissen der Zeit geben. Wie sie damals den Tischdienern bei der Hochzeit zu Kana sagte: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5), so kann die Kirche heute sagen: „Was Maria uns jetzt sagt und hier vor 400 Jahren unserem Volk in Siluva gesagt hat, das glaubt!“

Die Geschichte des Marienwallfahrtsortes Siluva in Litauen

1457 ließ der Diplomat Petras Gedgaudas in Siluva eine Kirche bauen. Von einer seiner Reisen nach Rom brachte er der Kirche ein Bild der Gottesmutter mit, die das Jesuskind auf dem Arm trägt. Dort wurde fortan die Gottesmutter verehrt.

Als Siluva 1532 auf Druck des örtlichen Adligen Zabiela calvinistisch werden musste, verbarg der Gemeindepfarrer Jonas Holubka das Muttergottesbild, liturgische Geräte und wichtige Dokumente in einer eisernen Truhe, die er unter einem nahe gelegenen Felsen verbarg. 80 Jahre später war auch der letzte Katholik in Siluva verstorben.

Aber dann ereignete sich in der nun völlig calvinistischen Umgebung ein Wunder. An einem Sommertag des Jahres 1608 erschien die Gottesmutter Hirtenkindern, die ihre Schafe außerhalb von Siluva bei einem Felsen hüteten, wo Pfarrer Holubka vor 86 Jahren das Bild der Gottesmutter verborgen hatte, um es vor den calvinistischen Bilderstürmern zu bewahren.

Der calvinistische Katechet Mikalojus Fiera und der calvinistische Lehrer Saliamonas Grocijus verboten den Kindern, über die Erscheinung zu reden. Sie aber berichteten Eltern und Nachbarn von der Erscheinung der weinenden Gottesmutter. Die Einwohner versammelten sich daraufhin bei dem Felsen, wo die Gottesmutter erschienen war.

Als der Pastor erschien, um die „katholischen Machenschaften“ zu unterbinden, wurde er selber Zeuge der Erscheinung der weinenden Gottesmutter, die genau so erschien, wie die Kinder es beschrieben hatten.

Die Einwohner von Siluva und der Umgebung bekehrten sich daraufhin wieder zur katholischen Kirche. Diese Bekehrung war so gewaltig, dass 10 Jahre später, am Fest Mariä Geburt, mehr als 11 000 Menschen die heilige Kommunion am Ort der Erscheinung empfingen.

Auf die Vision eines 100-jährigen Blinden hin wurde unter dem Felsen die von Pfarrer Holubka 1532 verborgene Eisentruhe mit dem Bild der Muttergottes, den liturgischen Geräten und den Urkunden gefunden. Bald folgten die ersten Wunderheilungen.

Es erfolgte dann der Bau einer Kirche für das Gnadenbild, die mehrfach umgebaut und erweitert wurde. Am 17. August 1775 wurde die Marienerscheinung von Siluva durch ein Dekret von Papst Pius VI. als authentisch anerkannt. 1903 wurde der damals berühmteste litauische Architekt Antanas Vivulskis mit dem Bau einer neuen Kapelle beauftragt. Sie wurde am 8. September 1924 eingeweiht und wird heute jährlich von mehr als 100 000 Pilgern besucht.

Geschichte von Siluva aus: Pressestelle des Erzbistums Köln. Erschienen in: KIRCHE heute Nr. 10/Oktober 2008


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