Ein geistlicher Reichtum für die ganze Kirche

25. September 2008 in Spirituelles


Die Gregorianische Liturgie erinnere daran, dass der Horizont des Endlichen nicht das Irdische, sondern das Himmlische ist. Damit tritt sie der Säkularisierung entgegen. Über die Tagung zu "Summorum Pontificum" berichtet Armin Schwibach/Die Tagespost


Rom (kath.net/DT) Anlässlich des ersten Jahrestages des Inkrafttretens des Motu proprio „Summorum Pontificum“ zur Liberalisierung des antiken Ritus als der außerordentlichen Form des einen Römischen Ritus organisierte die Vereinigung „Giovani e Tradizione (Jugend und Tradition) unter der Schirmherrschaft der Päpstlichen Kommission „Ecclesia Dei“ von 16. bis 18. September eine Tagung zum Thema: „Summorum Pontificum: Ein geistlicher Reichtum für die ganze Kirche – Ein Jahr danach“. Die Tagung fand ihren Abschluss mit einem feierlichen Hochamt in der Kirche der römischen altrituellen Personalpfarrei „Santissima Trinità dei Pellegrini“.

Die Aufmerksamkeit der Medien konzentrierte sich gleich am ersten Tag auf die klaren Aussagen des Vizepräsidenten von „Ecclesia Dei“, Prälat Camille Perl, der den Finger auf den wunden Punkt der Erschwerung der Umsetzung des Motu proprio durch die Bischöfe legte.

Perl erklärte, dass in Italien die Mehrheit der Bischöfe, abgesehen von „wenigen bewundernswerten Ausnahmen“, die Anwendung des Motu proprio behindere. Viele Ordensobere verböten ihren Priestern weiterhin, die Messe nach dem alten Ritus auf Latein zu feiern. Ebenso habe die Deutsche Bischofskonferenz „sehr bürokratische Richtlinien“ veröffentlicht, die die Anwendung des Motu proprio erschwerten.

Jüngere Priester seien häufig nicht mehr in der Lage, nach der alten Liturgie zu feiern, beklagte der Vizepräsident der Kommission. Ein Teil der Geistlichen sei jedoch auch „indoktriniert“ und glaube, der alte Ritus sei „überholt“.

„Auf meinem Schreibtisch häufen sich die Briefe von Gläubigen aus allen Teilen der Welt, die die Anwendung des Motu proprio fordern“, so Perl. „Man muss dabei aber berücksichtigen, dass die Zahl der Priester überall zu gering ist. So kann ein Priester, der schon drei oder vier Messen am Tag zelebrieren muss, keine weitere hinzufügen. Das ist ein Problem vor allem in den Landdiözesen in Frankreich und Deutschland, wo ein Priester ein großes Gebiet abdecken muss.“

Als Gast nahm an der Tagung auch der Präsident von „Ecclesia Dei“, Kardinal Darío Castrillón Hoyos, teil. Der Kardinal kritisierte ausdrücklich die „Unersättlichkeit“ einiger Gruppen von so genannten Traditionalisten. Oft sei es so, dass viele „in ihrem Kampf mehr von der Suche nach Macht als von der Liebe“ angetrieben sind.

Die Kommission hätte, so Hoyos, während des Jahres ein detailliertes Leitlinienpapier vorbereitet, wie das päpstliche Dokument umzusetzen sei. Das Dokument liege auf dem Schreibtisch des Papstes, der nun über dessen endgültige Veröffentlichung entscheiden werde. Hoyos unterstrich des Weiteren, dass die Eucharistie nie Gegenstand der Zwietracht und Anlass zur Trennung werden dürfe.

Jenseits dessen, was in der Presse für Aufregung sorgte und bei einigen italienischen Bischöfen dementierende Aussagen provozierte, war die Tagung ein geistliches und theologisch-philosophisches Ereignis, das weit über Polemiken des Tagesgeschehens hinaus Perspektiven für die Zukunft aus einer aufrichtigen Auseinandersetzung mit der Tradition heraus aufzeigen wollte.

So beschäftigte sich Historiker Roberto de Mattei, Professor für moderne Geschichte an der Universität Cassino und Koordinator des Studienganges für Geschichtswissenschaften an der „Europäischen Universität Rom“, mit dem Verhältnis des antiken Ritus zur heutigen Problematik der Säkularisierung und der Tatsache, wie durch die römische Liturgie Europa geformt worden ist.

Für de Mattei ist es wichtig festzuhalten, dass die Säkularisierung ein Prozess ist, dessen Ursprünge auf den Renaissance-Humanismus zurückreichen und der sich durch die Aufklärung zu einem Laizismus und agnostischen und atheistischen Säkularismus entwickelt hat.

Würde der Säkularismus als unvermeidliches historisches Faktum akzeptiert werden, das eventuell zu „taufen“ ist, wie dies ein bestimmtes modernes theologisches Konzept zu meinen glaubt, so führe dies zu einer Theologie der Säkularisierung, die eine außerchristliche Welt akzeptiert und so die vertikale und transzendente Bindung eliminiert.

Diese erste, wesentliche und notwendige Bindung jedoch besteht für de Mattei in der Beziehung zu Gott und bringt sich vor allem im Gebet und der Art des Betens zum Ausdruck. Die Liturgie ist dabei „das öffentliche Gebet der Kirche, nicht der private Kultakt des einzelnen“.

Die Liturgie erhebe mit ihren sinnlichen Formen den Menschen zu Gott. Die im heiligenden Opfer der Messe zum Ausdruck gebrachte Liturgie, in der die Vollkommenheit der Sakralität in Christus zum Ausdruck kommt, sei die absolute Antithese zur Säkularisierung.

In der wahren Liturgie widersetze sich die Stille dem Schweigen und bringe die unendliche Distanz zwischen Gott und dem Geschöpf zum Ausdruck. Der in seiner Ferne angebetete Gott jedoch sei gleichzeitig unendlich nahe, da er sich in Christus auf dem Altar in Leib, Blut, Seele und Göttlichkeit geschenkt habe.

Die Wesentlichkeit des alten Römischen oder Gregorianischen Ritus bestehe darin, dass in ihm der unerreichbare Sinn der göttlichen Transzendenz gegeben ist. Der Gregorianische Ritus bringe mit vollkommener Klarheit jene Ekklesiologie zum Ausdruck, die allein sich katholisch nennen könne und welche von jeder Liturgie verdeutlicht werden müsse.

Der Historiker hob hervor, dass die rituelle Dimension eine konstitutive Dimension für die Entstehung und Entwicklung der europäischen und christlichen Gesellschaft in den ersten Jahrhunderten gewesen ist. Jede Wahrheit übersetze sich in eine Liturgie, das „Gesetz des Glaubens“ (lex credendi) und das „Gesetz des Betens“ (lex orandi) seien in der Geschichte als Tradition ineinander verwoben.

Somit ist es für de Mattei wichtig hervorzuheben, dass Europa auch um eine liturgische Tradition herum entsteht und diese die innere Bindung der Gesellschaft gebildet habe. Die Liturgie sei gleichzeitig der Ort der Tradition und der Ort des Glaubens gewesen.

So erinnere die Gregorianische Liturgie in all ihren Ausdrucksformen an die unendliche Distanz, die den Himmel von der Erde trennt, an die Tatsache, dass der Horizont des Endlichen nicht das Irdische, sondern das Himmlische ist: „Sie erinnert uns daran, dass nichts ohne Opfer möglich ist und dass das Geschenk des natürlichen und übernatürlichen Lebens ein Geheimnis ist.“

Daher ist es für de Mattei festzuhalten, dass die Wiedererstattung des antiken Ritus die Möglichkeit gibt, dem fortschreitenden Säkularismus eine Grenze zu setzen. Dies entspricht für de Mattei der Hauptabsicht Benedikts XVI.: durch diese liturgische Erneuerung der Herausforderung der Säkularisierung entgegenzutreten.

In ähnlicher Weise äußerte sich Nicola Bux, Konsultor der Kongregation für die Glaubenslehre, indem er die Liturgie in das Spannungsfeld von Tradition und Erneuerung setzte und die „geduldige Reform Benedikts XVI.“ untersuchte. Es gehe nicht um eine Entgegensetzung von „Alt“ und „Neu“, sondern um eine rechte Sicht auf den Sinn von Tradition, die in ihrem Inneren keine Brüche zulässt.

Die höchste Form der Teilnahme der Gläubigen am liturgischen Vollzug bestehe heute wie für Papst Pius XII. darin, dass diese zusammen mit dem Priester das eucharistische Opfer darbringen, insofern sie sich selbst als Opfergabe hingeben.

Wie es Benedikt XVI. selbst in Frankreich zum Ausdruck gebracht hatte und sich auch aus der Tagung ergab: Es geht darum, dass das nahtlose Gewand Christi nicht weiter zerrissen wird, denn: „Niemand ist in der Kirche überflüssig. Jeder, ohne Ausnahme, muss sich in ihr ,zu Hause‘ und niemals abgewiesen fühlen.“

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