Die Stunde der Eucharistie

21. Juni 2008 in Spirituelles


Interview mit Pater Nicolas Buttet, Gründer der Fraternité Eucharistein - Die Katholiken benötigen drei Dinge, um tiefer in das eucharistische Geheimnis einzutauchen


QUEBEC (kath.net/Zenit.org) Jetzt sei die „Stunde der Eucharistie“, allerdings benötigten die Katholiken drei Dinge, um tiefer in das eucharistische Geheimnis einzutauchen, betont der Gründer einer Gemeinschaft, die die Eucharistie als Mittelpunkt ihres Lebens ansieht.

Pater Nicolas Buttet ist der Gründer der Fraternität Eucharistein in Epinassey bei St. Maurice. Ihre einfache Lebensweise und die vollkommene Hingabe an Gott ist vom Leben des heiligen Franz von Assisi inspiriert. Das Leben der Gemeinschaft ist ganz auf Christus in der heiligen Eucharistie ausgerichtet. Die Feier der heiligen Messe und die Anbetung des Allerheiligsten Sakramentes sind wichtige Bestandteile ihres gemeinschaftlichen Lebens.

Nicolas Buttet war Jurist und parlamentarischer Mitarbeiter der CVP-Fraktion in Bern. Nach einer Zeit in Rom, wo er im Päpstlichen Rat für Frieden und Gerechtigkeit arbeitete, lebte er fünf Jahre als Einsiedler.

Im vorliegenden ZENIT-Interview spricht er über die Bedeutung des Eucharistischen Weltkongresses in Kanada und über das, was die Katholiken noch benötigen, um in ihrer Liebe zu Christus, der in der Eucharistie real gegenwärtig ist, zu wachsen.

ZENIT: Die katholische Kirche in Kanada erwartet sich viel von diesem Kongress. Glauben Sie, dass er die Kirche erneuern kann? Und was könnte er konkret bewirken?

Pater Buttet: Als ich am Flughafen in Montreal ankam, fragte mich ein junger Angestellter in der Gepäckskontrolle nach meinem Gewand – Ich trage eine braune Kutte und ein Kreuz. In seinem freundlichen kanadischen Dialekt sagte er: „Was ist das?“ Ich antwortete ihm: „Es ist ein religiöses Gewand. Ich bin ein gottgeweihter Mensch und ein Priester.“ Da fragte er: „Ah, aber gibt es überhaupt noch solche Menschen?“ Es entwickelte sich ein schönes Gespräch, und plötzlich war er begierig darauf, etwas mehr darüber zu erfahren, obwohl er objektiv gesehen gar nicht daran interessiert war.

Vor sechs Monaten war ich in Montreal, um an einer dreitägigen Tagung für Geschäftsmänner teilzunehmen. Das Thema war das Urteilsvermögen. Zwei Referenten waren eingeladen: ein Philosoph und „der Mönch“. Kurz nach meiner Ankunft kam ein Mann auf mich zu und fragte mich voller Begeisterung: „Sie sind ein Mönch?“ Ich antwortete: „Ja, ich bin einer.“ „Ein buddhistischer Mönch?“, antwortete er mit einer Neugierde, die nicht gespielt war. „Nein, katholisch!“. „Katholisch, so wie der Papst?“, entgegnete er in einer ängstlichen und argwöhnischen Art. „Ja!“, antwortete ich enthusiastisch. Ich hörte nur mehr ein „Oh, nein!“, das tiefe Enttäuschung offenbarte. Die Tagung verlief dann sehr gut, und es war dann möglich, diese erste kalte Begegnung doch noch offen zu besprechen.

Diese beiden Beispiele machen uns die Konsequenzen dessen klar, was später „friedvolle Revolution“ genannt wurde. Dieser langsame Tsunami der 60er-Jahre war ein kirchlicher, religiöser und kultureller Tsunami.

Der Weltjugendtag brachte bereits das zum Schwanken, was erstarrt war. Ich denke besonders an den französischsprachigen Teil, der in diesem Jahr das 400-jährige Bestehen von Québec feiert. Anfangs wurde diese Stadt die „Stadt Mariens“ genannt.

Der Weltjugendtag 2002 war das erste sichtbare kirchliche Ereignis, seitdem die Kirche aus den öffentlichen Angelegenheiten zurückgedrängt worden ist. Der Eucharistische Weltkongress ist eine entscheidende Stufe auf dem Weg der Glaubensverkündung, weil es ein sichtbares Ereignis ist, das von einer großen „Organisation“ veranstaltet wird, dank des Mutes von Kardinal Marc Ouellet und seinem Team.

Ich denke besonders auch an die spirituellen Auswirkungen: Es werden so viele Menschen in Bewegung gebracht, zahlreiche Pfarreien beteiligen sich und überall finden Anbetungen statt. Auch das Gebet zur Vorbereitung des Eucharistischen Kongresses wird reiche Früchte tragen. Gott erhört eine betende Kirche, und er vermehrt sein Werk in den Herzen, die für seine Gnaden offen sind.

ZENIT: Können Sie uns schon jetzt verraten, worüber Sie bei der Tagung referieren werden?

Pater Buttet: Kardinal Ouellet hat mich gebeten, als erstes ein persönliches Zeugnis über die Eucharistie zu geben. Deswegen werde ich über meine Begegnung mit Jesus als dem Gastgeber und auch über den überwältigenden Weg sprechen, der mich dazu veranlasst hat, viele Menschen zu Jesus zu führen.

Ich werde mich an eine heilige Messe in China zurückerinnern, die wir in einem Stall gefeiert haben. Wir befanden uns hinter den Kühen, um zu verhindern, dass die Polizei kommt und nach uns sucht.

Ich habe auch einige junge Menschen, die zu unsere Gemeinschaft kamen – sie kommen aus dem Drogenmilieu oder haben eine Depression erlebt –, darum gebeten, in wenigen Worten ihre Beziehung zu Jesus im Heiligsten Altarsakrament zu beschreiben und was ihnen die heilige Messe und die Anbetung geben. Das möchte ich dann mit den Teilnehmern des Kongresses teilen.

Mein Schluss wird sehr eindeutig sein: Es ist die Stunde der Eucharistie! Es ist der „kairos“, weil es die Stunde Christi ist. In der Eucharistie empfangen wir Jesus selbst und mit ihm das Geheimnis der Erlösung.

Johannes Paul II. sagte, dass bei der heiligen Eucharistie nicht das Risiko bestehe, es in der Anbetung zu übertreiben, weil es Jesus selbst sei, dem dieser Lobpreis gebühre. Ich denke, dass wir uns an einer „grundlegenden Revolution“ beteiligen können, nämlich an der Revolution der Herzen und der Gesellschaft.

Papst Benedikt XVI. sah es als Zeichen und Sendung an, dass er sein Pontifikat am Höhepunkt des eucharistischen Jahres begann. Für ihn war das die beste Gelegenheit, dazu beizutragen, dass die eucharistische Anbetung verstärkt werde. Die eucharistische Anbetung ist für Benedikt XVI. der Mittelpunkt seines Pontifikates. Er war es, der die Bischöfe bat, wenigstens einen Ort der ewigen Anbetung einzuführen, und ging selbst mit gutem Beispiel voran, indem er fünf solcher Orte in Rom gründete.

Die Eucharistie ist die Schule der Freiheit und eine Schule der Liebe. Aber wichtiger als alles andere ist die Tatsache, dass sie die Quelle übernatürlichen Lebens der Getauften ist, ohne der man Mensch bleibt – „zu menschlich“, würde Nietzsche sagen.

ZENIT: Katholiken, ja auch praktizierende Katholiken, bemühen sich nicht immer darum, in das Geheimnis der heiligen Eucharistie einzutreten. Sie gehen aus Gewohnheit zur Kommunion, nicht aus Überzeugung. Doch die Eucharistie sollte in unserem Leben lebendig sein. Wie kann man den Gläubigen helfen, die tiefe Bedeutung der Eucharistie zu verstehen?

Pater Buttet: Die selige Dina Belanger aus Québec, die 1993 von Johannes Paul II. selig gesprochen wurde, schrieb einmal in ihr Tagebuch: „Wenn die Seelen wirklich verstehen würden, welchen Schatz sie in der Eucharistie besitzen, müsste man die Tabernakel durch unüberwindbare Wälle schützen. Denn im Taumel eines heiligen Hungers würden sie von alleine hingehen, um sich vom Brot der Engel zu ernähren. Die Kirchen würden vor lauter Gläubigen übersprudeln und überfüllt sein von der Liebe zum göttlichen Gefangenen, am Tag genauso wie in der Nacht.“

Aber man ist nicht dort! Es ist wahr, dass dieses Geheimnis so wunderbar ist und die Distanzen so groß sind zwischen dem, was unsere Sinne empfinden – ein Brot –, und dem, was wir im Glauben beteuern – Jesus. Deswegen ist es auch nicht einfach, in dieses Geheimnis einzutreten.

Ich denke, dass es darum geht, drei Dinge zu entwickeln: eine eucharistische Katechese, die Worte und Beispiele enthält. „Begeben wir uns in die Schule der Heiligen, der großen Verkünder der wahren eucharistischen Frömmigkeit“, schrieb Johannes Paul II. am Ende seiner Enzyklika über die Eucharistie.

Zweitens muss das Licht bei der heiligen Messe vor den Tabernakeln leuchten und während der Wandlung brennen. Ich wundere mich immer sehr darüber, dass wir uns während der Wandlung in der heiligen Messe nur so wenig hingeben. Es ist ein Moment, der so schnell verfliegt. Man kann in Worten glauben, doch besonders in unseren Gesten muss sich der Glaube zeigen.

Eines Tages war ich gemeinsam mit Freunden unterwegs. Die Eltern hatten eine dreijährige Tochter, die sie tauften. Aus Tradition und Pflicht heraus gingen sie dann gemeinsam mit der Tochter jeden Sonntag zur heiligen Messe. Die Tante des Mädchens ist bekennende Katholikin. Es war Zeit, um zur Messe zu gehen, und die Mutter fragte das Mädchen: „Mit wem möchtest du zur Messe gehen, mit Mami oder mit deiner Tante?“ Und das Mädchen antwortete ohne zu zögern: „Mit meiner Tante!“ „Warum?“, fragte die Mutter. „Weil sie glaubt!“, antwortete das kleine Mädchen. Ich denke, dass solche Gesten eine Katechese für sich sind.

Als ich in China war, traf ich Zachary, einen alten Katecheten, der sein Leben riskierte, um Jesus Christus zu verkünden. Er hatte an einem versteckten Platz in seiner Wohnung einen Tabernakel mit der Eucharistie. Er war sehr glücklich darüber, dass ich seinen Schatz entdeckt hatte, der hinter einer verschlossenen Türe aufbewahrt war. Es war schwierig, diesen kleinen Raum zu betreten, in dem der Tabernakel stand. Zachery fiel auf die Knie, beugte seinen Kopf auf den Boden und begann mit seinem Gebet. Ich verstand sofort, dass Jesus hier anwesend war. Es gab keinen Zweifel.

Die dritte Eigenschaft ist die eucharistische Anbetung und die Verehrung der Eucharistie außerhalb der heiligen Messe. Dieses Geheimnis ist so groß, dass uns die Liturgie alleine niemals erlauben wird, wirklich in die Tiefe zu gehen. Nur eine lang anhaltende Zeit vor dem Geheimnis, dass Jesus wirklich im Altarsakrament ist, macht uns fähig, langsam in dieses Wunder einzutreten.

Ich denke an das Zeugnis der 21-jährigen Maxime: „Für mich ist die Eucharistie der Mittelpunkt meines Lebens. Der eucharistische Jesus hat mich aus der Hölle der Drogen herausgeholt. Dank der Eucharistie hat sich mein Leben verändert, und ich bin sehr glücklich darüber, mit meinem Leben Christus dienen zu können. Die Eucharistie ist meine Kraft, um lieben zu können, um Christus nachzufolgen und ihm in der Freude und in der Trauer nachzufolgen. Gott liebt uns unendlich und wird uns niemals verlassen.“

ZENIT: Könnten Sie uns erzählen, wie Sie die Bedeutung der Eucharistie entdeckt haben?

Pater Buttet: Es ist rund 20 Jahre her, als ich als Rechtsanwalt arbeitete und mich in vielen Bereichen engagierte, unter anderem auch politisch. In einem Kanton in der Schweiz war ich Parlamentsabgeordneter und zudem auch Sekretär einer landesweit vertretenen Partei. In dieser Zeit hatte ich viele Probleme zu bewältigen: Einerseits stellten sich mir viele soziale Fragen in meinem Beruf, andererseits hatte ich auch persönliche Probleme.

Im Kontext meiner Arbeit in der Rechtsanwaltskanzlei hörte ich von einem Mann, der sieben Kinder vergewaltigt und anschließend verbrannt hatte. Das Kontakt von grausamer Realität und meinem Glauben ließ mich in meinem Herzen einen Schrei vernehmen: „Wenn es keine Liebe gibt, wird es auch keine Zukunft für diese Welt geben!“ Daraufhin beschloss ich, Weihnachten in Turin zu verbringen, wo es eine Organisation gab, die Menschen mit Behinderungen aufnahm.

Ich kann mich noch gut an meine Ankunft in diesem Haus erinnern: Ich hatte das Parlament in der Schweiz verlassen und kam in einer – für mich – neuen Welt an. Es war die Welt unserer behinderten Brüder und Schwestern. Gleich nach meiner Ankunft wurde mir die Wirklichkeit dieses Hauses bewusst, weil ich gemeinsam mit einem Glaubensbruder zwei Stunden damit verbrachte, 18 Patienten zu waschen, die von Kopf bis Fuß schmutzig waren. Nach dieser ersten Erfahrung und der Berührung mit diesen Gerüchen wurde ich in jener Nacht vom Wort Christi ergriffen, das Fleisch geworden ist, und erinnerte mich an sein Wort: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40).

Nachdem wir dann diese Menschen gewaschen hatten, ging ich in die Kapelle. Es war schon fast Mitternacht, doch das Allerheiligste war dort Tag und Nacht ausgesetzt. In diesem Augenblick war ich erschüttert, und mir stand die Realität dessen klar vor Augen, dass Christus wirklich in diesem Stück Brot gegenwärtig ist. Zugleich erlebte ich dieselbe Präsenz Christi an den Betten meiner behinderten Brüder und Schwestern und die verschleierte Gegenwart Christi im Allerheiligsten. Bestimmt war Jesus unter dem Auftreten eines Bruders da und auch in der Gestalt des Brotes, derselbe und der eine Jesus!

Diese Gewissheit hat mich seitdem nicht mehr verlassen, auch wenn – und das sage ich ungern und mit einem zerknirschten Herzen – ich aufgrund vieler Widersprüche zerstreut bin, was die Übung der Liebe betrifft. Ich tröste mich mit dem Wort des heiligen Claude La Colombiere, der einmal sagte: „Ich muss sagen, dass ich nach mehr als 10.000 Kommunionen noch nicht dort bin!“

ZENIT: Was können Sie uns über die Fraternität Eucharistein und ihr Charisma sagen?

Pater Buttet: Unsere kleine Gemeinschaft ist von der Spiritualität der Franziskaner beeinflusst, vor allem, was die schlichte Lebensweise und die Verbundenheit mit der Natur betrifft. Wir bauen und renovieren unsere Häuser selbst und betreiben auch Forstwirtschaft.

Unser Charisma wurzelt im eucharistischen Leben. Die heilige Eucharistie ist der Mittelpunkt unseres Lebens und unserer Berufung. Unsere tägliche Zeit der Anbetung beginnt um 5.00 Uhr früh und geht bis 10.00 Uhr nachts. Außerdem haben wir mit der Erlaubnis des Bischofs und der Hilfe von engagierten Laien eine ewige Anbetung in Freiburg in der Schweiz begonnen: 24 Stunden täglich an sieben Tagen der Woche.

Die Inspiration zu diesem eucharistischen Leben kommt vom heiligen Peter Julian Eymard, einem großen Verehrer der Eucharistie des 19. Jahrhunderts. Beispielsweise sagte er Folgendes: „Ich habe oft darüber nachgedacht, was die weltweite Abgestumpftheit der Katholiken heilen könnte, und ich finde nur ein einziges Heilmittel: die Eucharistie, die Liebe zum eucharistischen Jesus. Der Verlust des Glaubens kommt vom Verlust der Liebe.“

Bei einer anderen Gelegenheit sagte er: „Jetzt muss man an die Arbeit gehen, durch die göttliche Eucharistie Seelen retten und Frankreich und ganz Europa aufwecken, die sich in einem Schlaf der Gleichgültigkeit befinden, weil sie Jesus nicht kennen. Er ist das Geschenk Gottes, der eucharistische Emmanuel. Die Fackel der Liebe muss zu den lauwarmen Seelen getragen werden, die von sich denken, dass sie fromm sind. Sie sind es aber nicht, weil sie ihr Leben nicht auf den eucharistischen Jesus ausgerichtet haben.“

Außerdem heißen wir junge Menschen willkommen, die Schwierigkeiten haben, und sind in dieser Hinsicht von der seligen Teresa von Kalkutta beeinflusst worden, die ja die heilige Eucharistie und die Armen so sehr geliebt hat.

In diesem Sakrament der Liebe erfahren wir die Kraft und Stärke der Verwandlung und der Gnade Jesu. Wir haben also besondere Missionen und Pfarreien, Politiker und Geschäftsmänner sowie die geistlichen Anregungen des Instituts Philathropos in Fribourg. Und natürlich spielt in unserem Leben auch die Spiritualität des heiligen Franz von Sales eine große Rolle.




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