Karfreitagsfürbitte: Israelitische Kultusgemeinde beendet Dialog

17. April 2008 in Aktuelles


Israelitische Kultusgemeinde setzt interkonfessionellen Gespräche mit der katholischen Kirche aus und geht auf Konfrontationskurs - Kardinal Schönborn veröffentlicht Klarstellung


Wien (www.kath.net)
Die Israelitische Kultusgemeinde Österreich geht aufgrund der Neuformulierung der Karfreitagsfürbitte für das Römische Messbuch der außerordentlichen Form des Römischen Ritus auf Konfrontationskurs mit der katholischen Kirche. Gleich den jüdischen Gemeinden Italiens und Deutschlands sehen sich die Kultusgemeinden Österreichs wird man ab sofort die offiziellen interkonfessionellen Gespräche mit der katholischen Kirche aussetzen. Dies gab die Kultusgemeinde am Donnerstag bekannt und betonte, dass es für die Israelitischen Kultusgemeinden befremdend ist, dass von hohen kirchlichen Vertretern in Reaktionen und Publikation die "Judenmission" neuerlich als natürlicher Auftrag an die Kirche betont wird. Wörtlich heißt es in der Aussendung: "Die diesbezüglichen Hinweise auf Römerbrief 1:16 stellen eine zusätzliche Belastung dar, möge die angesprochene Mission der Kirche heutzutage auch ein noch so friedvolles "Angebot" sein."

Das Judentum, im Gegensatz zur katholischen Kirche, lehnt die Missionierung Andersgläubiger und eine Debatte über "die Richtigkeit des Glaubens" ab. Aus dem eigenen humanistischen jüdischen Selbstverständnis heraus besteht dazu keinerlei Notwendigkeit. Aufgrund des Prinzips der "Noachidischen Gesetze" haben alle nichtjüdischen Menschen die an einen Gott glauben und grundlegende Gebote (wie Verbot von Mord, Diebstahl etc.) einhalten, ebenso wie wir Juden den gleichen Anspruch auf göttliche Belohnung und Heil. Das Judentum enthält sich daher auch jeglicher provokativer Äußerungen gegenüber den christlichen Kirchen wie z.B. der Aufforderung an sie "zu ihren Wurzeln zurückzukehren", "die geschichtliche Wahrheit und den unerlösten Zustand der Welt zu erkennen" usw…, da wir Juden dies als Belastung der Beziehung zu Andersgläubigen betrachten würden.

Der Wiener Kardinal Schönborn hatte diese Woche in einem Artikel eine Klarstellung zu der Karfreitagsfürbitte veröffentlicht, die kath.net im Wortlaut dokumentiert:

Im jüdisch-christlichen Verhältnis, besonders in den Beziehungen zwischen Judentum und katholischer Kirche, hat sich in den letzten 40 Jahren vieles zum Besseren gewendet. Die Erklärung "Nostra Aetate" des Zweiten Vatikanischen Konzils war hier zweifellos ein Wendepunkt. Der Besuch von Papst Johannes Paul II. in der Großen Synagoge von Rom, die Pilgerfahrt des Papstes ins Heilige Land im Jahr 2000 mit den unvergesslichen Momenten in Yad Vashem und an der Westmauer - all das und viele andere Gesten, theologische Bemühungen und geistliche Begegnungen haben die positiven Momente unserer Beziehungen verstärkt.

Aber es gibt immer wieder Irritationen. Die Diskussionen um Papst Pius XII., die Seligsprechung von Papst Pius IX., oder die erneuerte Formulierung der Karfreitagsfürbitte für den Ritus von 1962 sind nur einige Beispiele. Nach den Jahrhunderten eines oft massiven Antijudaismus von Seiten der Christen, mit den Erinnerungen an Jahrhunderte der Verfolgung, Vertreibung und, immer wieder, der Pogrome, ist es nur zu verständlich, dass Irritationen leicht entstehen. Die Shoah aber bleibt das alles übertreffende Dunkel in dieser langen Leidensgeschichte.

Immer wieder, auch anlässlich der neuformulierten Karfreitagsfürbitte für den "alten Usus", taucht in diesem Zusammenhang die Frage der "Judenmission" auf. Manche neueren theologischen Versuche meinen, von christlicher Seite solle gänzlich auf jede Mission gegenüber den Juden verzichtet werden. Manche gehen noch weiter und meinen, der nie gekündigte Bund Gottes mit seinem Volk mache es gar nicht notwendig, den Juden den Eintritt in den Neuen Bund in Jesus Christus anzubieten. Der "Alte Bund" sei der Heilsweg für die Juden, der "Neue Bund" sei der für die Heiden bestimmte Heilsweg. Diese Theorie der "Zwei Heilswege" wird aber zu Recht als mit dem katholischen Glauben vom einzigen Heil in Jesus Christus unvereinbar gesehen (so etwa Kardinal Avery Dulles im Jahr 2002 in der Zeitschrift "America").

Der folgende kurze Essay versucht ganz schlicht, das neutestamentliche Zeugnis zu befragen und eine Antwortauf die Theorie von den "Zwei Heilswegen" zu geben. Der Essay versucht darzulegen, dass es nach neutestamentlicher und christlicher Sicht zwar nur ein Heil in Jesus Christus gibt, aber zwei deutlich zu unterscheidende Modalitäten, dieses Heil zu verkünden und anzunehmen. In diesem Sinn muss auch klargestellt werden, dass das Angebot an die Juden, in Jesus von Nazareth den Messias Israels zu erkennen, nicht einfach gleichgesetzt werden kann mit dem Auftrag Jesu, alle (heidnischen) Nationen zu seinen Jüngern zu machen (vgl. Matthäus-Evangelium 28,18-20). Das versuchen die folgenden Zeilen zu begründen.

Juden und Heiden müssen gleichermaßen durch Jesus Christus von der Sünde erlöst werden. Der Hl. Paulus sagt es deutlich: "Alle, Juden wie Griechen, stehen unter der Herrschaft der Sünde" (Römer-Brief 3,9). Und weiter: "Es gibt keinen Unterschied: Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren" (Römer-Brief 3,22-23). Christus hat seinen Aposteln - und durch sie seiner Kirche - den Auftrag erteilt, "in seinem Namen allen Völkern, angefangen in Jerusalem, zu verkündigen, sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden" (Lukas-Evangelium 24,47). Ebenso hat Petrus von Pfingsten an die Juden von Jerusalem aufgefordert, sich zu Christus als dem Erlöser zu bekehren: "Also kehrt um, und tut Buße, damit eure Sünden getilgt werden" (Apostelgeschichte 3,19).

Im Hinblick auf "die Vergebung der Sünden", die nicht durch "das Gesetz", aber durch den Glauben an Jesus erlangt werden kann, haben die Apostel diesen Auftrag Christi erhalten, wie es der Hl. Paulus den Juden von Antiochien im kleinasiatischen Pisidien verkündet hat (Apostelgeschichte 13,38-39). Tatsächlich vollzieht sich in Jesus Christus - in einem endgültigen Yom Kippur - die definitive Sühne der Sünden durch den göttlichen Namen - durch seine Gegenwart in unserer Menschheit und durch die erlösende Kraft seines Blutes. Er ist "dazu bestimmt, Sühne zu leisten mit seinem Blut" (Römer-Brief 3,25), "denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen" (Apostelgeschichte 4,12).

Im Gefolge der Apostel muss die Kirche den Kindern Israels Jesus Christus verkünden, weil das Evangelium jeden, "der glaubt", retten wird - "zuerst den Juden, aber ebenso den Griechen" (Römer-Brief 1,16). Jesus hatte die Apostel beauftragt, sein Evangelium "allen Völkern, angefangen in Jerusalem", zu predigen (Lukas-Evangelium 24,47). Wenn das Wort Gottes "zuerst" den Juden verkündet werden musste (Apostelgeschichte 13,46), dann deshalb, weil Jesus der für sie "bestimmte" Christus ist (Apostelgeschichte 3,20). Wie der Hl. Petrus zu den Juden von Jerusalem sagt: "Für euch zuerst hat Gott seinen Knecht erweckt und gesandt, damit er euch segnet und jeden von seiner Bosheit abbringt" (Apostelgeschichte 3,26).

Den Juden vor allem ist das Heil verheißen und die Heiden, die "fremd und von dem Bund der Verheißung ausgeschlossen" waren (Epheser-Brief 2,12), erlangen es nur, indem sie sich ihnen anschließen. Der Hl. Petrus sagt den Juden von Jerusalem: "Denn euch und euren Kindern gilt die Verheißung und all denen in der Ferne, die der Herr, unser Gott, herbeirufen wird" (Apostelgeschichte 2,39). In Christus wird den Heiden "der Segen Abrahams" zuteil (Galater-Brief 3,14); jene, die "der Gemeinde Israels fremd" waren (Epheser-Brief 2,12) werden "Mitbürger der Heiligen" (Epheser-Brief 2,19). Sagte Jesus nicht zu der Samaritanerin: "Das Heil kommt von den Juden" (Johannes-Evangelium 4,22)? Das bedeutet, dass sie die ersten Empfänger des Heils sind und dass es ihnen als ersten verkündet werden muss.

Im Hinblick auf die Rechtfertigung durch Jesus Christus, gibt es "keinen Unterschied zwischen Juden und Griechen. Alle haben denselben Herrn; aus seinem Reichtum beschenkt er alle, die ihn anrufen" (Römer-Brief 10,12). Auf diesem Hintergrund kann der Hl. Paulus sagen: "Ihr alle, die ihr auf Christusgetauft seid, habt Christus als Gewand angelegt. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen" (Galater-Brief 3,27-28). Ebenso kann Paulus den Christen von Korinth sagen, unter denen viele Heiden waren, die in Christus Miterben der Verheißung Israels geworden waren: "Unsere Väter waren alle unter der Wolke, alle zogen durchs Meer..." (1. Korinter-Brief 10,1).

Daraus folgt nicht, dass der Unterschied zwischen Juden und Griechen in der Kirche aufgehoben ist. Der Hl. Paulus erhält auch in der Kirche einen Unterschied zwischen denen aufrecht, die aus der Beschneidung kommen, und denen, die aus dem Heidentum kommen. In den Briefen des Paulus drückt sich das in einer sehr bedeutsamen Unterscheidung und einem Vorrang zwischen "uns" (die aus der Beschneidung kommen) und "euch" (die aus dem Heidentum kommen) aus: "Euch, den Heiden, sage ich" (Römer-Brief 11,13), schreibt der Apostel an jene, die aus dem Heidentum zu Christus gefunden haben. Diese Unterscheidung beruht auf zwei verschiedenen Formen der Annahme des Heils: "Durch ihn (den Messias) sind wir auch als Erben vorherbestimmt (.). Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt, die wir schon früher auf Christus gehofft haben. Durch ihn habt auch ihr (die Heiden) das Wort der Wahrheit gehört, das Evangelium von eurer Rettung; durch ihn habt ihr das Siegel des verheißenen Heiligen Geistes empfangen" (Epheser-Brief 1,11-13).

Darauf beruht in den Augen des Hl. Paulus auch der Unterschied zwischen denen, die aus der Beschneidung kommen und dem Messias Jesus glauben, und denen, die sich aus dem Heidentum zu ihm bekehren. Dieser Unterschied beruht auf der Art, wie die einen mit den anderen in der Kirche in Gemeinschaft treten und wie sie der Welt jenen Segen vermitteln, den Gott in Jesus den Menschen zuspricht: "Christus ist um der Wahrhaftigkeit Gottes willen Diener der Beschnittenen geworden, damit die Verheißungen an die Väter bestätigt werden. Die (gläubig gewordenen) Heiden aber rühmen Gott ums seines Erbarmens willen" (Römer-Brief 15,8-9). Indem sie das Evangelium annehmen, sind die Juden die Zeugen der Treue Gottes zu seinen Verheißungen, die Heiden aber sind die Zeugen der Universalität seiner Barmherzigkeit. Diese beiden Berufungen in der Kirche spiegeln die doppelte Modalität des Heils Christi bei den Juden und bei den Heiden wider. Derselbe Jesus Christus ist tatsächlich zugleich "ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel" (Lukas-Evangelium 2,32).

Diese doppelte Modalität der Annahme des Heils verlangt folglich in der Kirche eine doppelte Modalität des Zeugnisses der Christen für das Evangelium und der Vorbereitung auf die gleiche Taufe im Namen des einzigen Herrn Jesus Christus.

Die Erwählung der Juden im Ratschluss Gottes, die "unwiderruflich" ist (Römer-Brief 11,29), verlangt von der Kirche besondere Aufmerksamkeit im Hinblick darauf, wie ihre Kinder den Juden das Evangelium verkünden. Abgesehen von dem Respekt vor dem Gewissen jedes Menschen, wie ihn die Religionsfreiheit erfordert, verlangt die Berufung der Juden - "sie haben die Sohnschaft, die Herrlichkeit, die Bundesordnungen, ihnen ist das Gesetz gegeben, der Gottesdienst und die Verheißungen, sie haben die Väter, und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christus" (Römer-Brief 9,4-5) - von den Christen die Anerkennung jenes Mysteriums, dessen Träger sie sind.

Angesichts der verschiedenen Formen des religiösen Zwangs, denen die Juden im Verlauf der Geschichte der Christenheit ausgesetzt waren und für die die Kirche um Vergebung gebeten hat, bedeutet dies, dass die Christen in unwiderruflicher Weise auf alle Formen des Proselytismus gegenüber den Juden verzichten. Dies kann jedoch nicht bedeuten, dass die Christen auf jene Mission verzichten, die die Apostel von Christus empfangen und der Kirche übermittelt haben, das Evangelium "den Juden zuerst" zu verkünden. Aber diese Verkündigung muss mit den vom übernatürlichen Standpunkt her reinsten Mitteln erfolgen. Mit dem Gebet, der Hingabe des Lebens, der absichtslosen Nächstenliebe und vor allem mit der Anerkennung der religiösen Identität der Juden müssen die Jünger Jesu die "Liebe des Volkes" (Apostelgeschichte 2,47) erwerben, damit ihr von Respekt und Demut getragenes Glaubenszeugnis für Christus von den Juden als Vollendung und nicht als Verneinung der Verheißung angenommen werden kann, deren Träger sie sind.

Die Heiden, die sich im Evangelium Christus nähern und deren Glaube der Herr als Beispiel darstellt (Matthäus-Evangelium 8,10; 15,28) zeichnen sich durch ihre Liebe und ihre Demut aus. Der römische Centurio wird von den Juden Jesus so empfohlen: "Er liebt unser Volk und hat uns die Synagoge gebaut" (Lukas-Evangelium 7,5). Die kanaanäische Frau erkennt das Vorrecht Israels als Volk Gottes an und sagt demütig: "Selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen" (Matthäus-Evangelium 15,27). Nach Pfingsten gab Cornelius, ein gottesfürchtiger Centurio, "dem Volk reichlich Almosen und betete beständig zu Gott" (Apostelgeschichte 10,2), was dazu führte, dass er das Heil durch den Hl. Petrus erlangte (Apostelgeschichte 10,4). Hier finden sich wertvolle Hinweise für die einzigartige Art und Weise, wie das Zeugnis der Christen für das Evangelium bei den Juden aussehen muss.


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