Von Sekten und falschen Hirten

13. April 2008 in Spirituelles


Kommentar zum Evangelium des IV. Ostersonntags von P. Raniero Cantalamessa.


Rom (www.kath.net/ Zenit)
Der Prediger des Päpstlichen Hauses, P. Raniero Cantalamessa OFM Cap., nimmt den IV. Sonntag der Osterzeit, der Sonntag des guten Hirten, zum Anlass, um näher auf das Thema Sekten einzugehen. Das, was die falschen Hirten von Jesus Christus, dem guten Hirten, vor allem unterscheidet, ist in seinen Augen der Mangel an Liebe.

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Ich bin der gute Hirt

Dieser Sonntag ist der Sonntag des Guten Hirten. Diesmal wollen wir uns aber nicht auf ihn konzentrieren, sondern auf seinen Antagonisten. Wer ist das, der „Dieb“ und „Fremder“ genannt wird? Jesus denkt an erster Stelle an die falschen Propheten und die Pseudomessiasse seiner Zeit, die sich als Gesandte Gottes und Befreier des Volkes ausgaben, während sie in Wirklichkeit nichts anderes taten, als ihre Anhänger für sich selbst in den Tod zu schicken.

Heute sind diese „Fremden“, die nicht durch die Tür eintreten, sondern sich im Geheimen in den Stall schleichen und die Schafe „stehlen“ und „töten“, entweder fanatische Visionäre oder aber ganz schlaue Personen, die die anderen ausnutzen und auf ihren guten Glauben und ihre Naivität spekulieren. Ich beziehe mich auf die Gründer oder Oberhäupter von religiösen Sekten, von denen es in der Welt nur so wimmelt.

Wenn wir von Sekten sprechen, müssen wir jedoch darauf achten, nicht alles über einen Kamm zu scheren. Die protestantischen Evangelikalen und Pfingstler zum Beispiel sind, vereinzelte Gruppierungen ausgenommen, keine Sekten. Die katholische Kirche unterhält mit ihnen seit Jahren auf offizieller Ebene einen ökumenischen Dialog, was sie mit Sekten nie tun würde.

Die wahren Sekten können an bestimmten Eigenschaften erkannt werden. Vor allem hinsichtlich des Inhalts ihres Bekenntnisses teilen sie wesentliche Inhalte des christlichen Glaubens nicht, wie etwa die Gottheit Christi und die Dreifaltigkeit; oder sie vermischen sie mit Elementen, die ihr fremd sein, wie die Wiedergeburt.

Was die Methoden betrifft, so sind sie buchstäblich „Schafdiebe“: in dem Sinn, dass sie mit allen Mitteln versuchen, die Gläubigen ihren Ursprungskirchen zu entreißen, um sie zu Adepten ihrer Sekte zu machen. Sie sind in der Regel auch aggressiv und polemisch. Sie bringen nicht nur ihre Botschaften an den Mann, sondern verbringen ihre Zeit auch damit, gegen die Kirche, die Gottesmutter und im Allgemeinen gegen alles, was katholisch ist, Anklage zu erheben und zu polemisieren.

Damit sind wir beim Gegenteil des Evangeliums Jesu angelangt, das Liebe, Feingefühl, Achtung der Freiheit des anderen bedeutet. Die Liebe des Evangeliums ist es vor allem, die in den Sekten nicht gegeben ist.

Jesus hat uns ein sicheres Erkennungskriterium gegeben: „Hütet euch vor den falschen Propheten; sie kommen zu euch wie (harmlose) Schafe, in Wirklichkeit aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Mt 7,15-16). Und die am meisten verbreiteten Früchte der Sekten sind zerstörte Familien, Fanatismus und apokalyptische Endzeiterwartungen, die regelmäßig von den Tatsachen widerlegt werden.

Es gibt auch eine andere Art von religiösen Sekten, die außerhalb der christlichen Welt entstanden sind und im Allgemeinen aus dem Orient importiert werden. Im Unterschied zu ersteren sind sie nicht aggressiv, sondern treten vielmehr „im Schafspelz“ aus: Sie predigen die Liebe zu allen Menschen, zur Natur, zur Suche nach dem tiefen Ich. Oft handelt es sich um synkretistische Inhalte, mit Elementen verschiedener religiöser Herkunft, die zusammengewürfelt werden, wie dies beim „New Age“ der Fall ist.

Der unendlich große geistliche Schaden für den, der sich von diesen neuen Messiassen überzeugen lässt, besteht darin, dass er Jesus Christus und mit ihm jenes „Leben in Fülle“ verliert, das zu bringen Christus gekommen ist. Einige dieser Sekten sind auch im Hinblick auf die gesunde Psyche und die öffentliche Ordnung gefährlich. Die wiederholten Vorkommnisse gewalttätiger Beeinflussung und kollektivem Selbstmord lassen uns erkennen, bis zu welchem Punkt der Fanatismus dieser Sektenführer gehen kann.

Wenn wir über die Sekten sprechen, so müssen wir auch ein „mea culpa“ hinzufügen: Oft geraten Menschen in ihre Fänge, weil sie die menschliche Wärme und den Halt einer Gemeinschaft, derer sie bedurften, in ihrer Pfarrei nicht gefunden haben.


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