25. Februar 2008 in Schweiz
Die Schweizer Zeitung "WELTWOCHE" verunglimpft den Wallfahrtsort Lourdes - Ein KATH.NET-Kommentar von Domherr Christoph Casetti (Bistum Chur)
Chur (www.kath.net)
Als Morgengabe zum 150 jährigen Jubiläum widmet DIE WELTWOCHE dem Wallfahrtsort Lourdes einen grösseren Artikel (Nr. 8, 21.02.08). Er schafft es sogar auf die Titelseite. Unter einem kitschig-frommen Frauenbild, von roten Rosen umrahmt, steht die Schlagzeile Hokuspokus in Lourdes mit der Erläuterung: Wie die Gläubigen im französischen Wallfahrtsort Lourdes an der Nase herumgeführt werden. Schon dieser Aushänger ist dazu geeignet, die religiösen Gefühle von Tausenden von Gläubigen zu verletzen, die jährlich aus der Schweiz nach Lourdes pilgern. Der Artikel selber trägt die Überschrift Die Schwindelgrotte von Lourdes.
Autor dieses journalistischen Machwerks ist Peter Holenstein. Er ist redaktioneller Mitarbeiter bei der Weltwoche. Darüber hinaus ist er ein Schriftsteller sowie Mitglied der Schweizerische Arbeitsgruppe für Kriminologie. Das heisst: Er behandelt mit Vorliebe Themen aus der Kriminalgeschichte (Mord, Kindstötung, Drogen, Suizid). Mit dieser Brille betrachtet er auch einen der grössten Wallfahrtsorte der katholischen Kirche. Da er kaum Ahnung hat vom katholischen Glauben, kann das nicht gut gehen. Aber der Wunsch ist der Vater des Gedankens und so wird er auch fündig. Er meint aufzeigen zu können, dass die Gläubigen in Lourdes im grossen Stil betrogen werden.
Falsche bzw. unbewiesene Behauptungen
Der erste Fall, "Das Wunder aus Wachs", betrifft den Leichnam von Bernadette in Nevers: "Das Mirakel der unversehrten Leiche hat allerdings einen Makel: Es ist frei erfunden." Der zweite Fall, "Disneyland der Hoffnung", entlarvt die Geschichten um die hysterische Bernadette und ihre Erscheinungen als "immer breiter gewalzte Legenden". In Bezug auf die Berichte und Briefe der heiligen Bernadette sagt Peter Holenstein: "Die historische Wahrheit ist: Bernadette Soubirous hat weder diese Briefe geschrieben noch andere Aufzeichnungen über ihre 'Visionen' hinterlassen, denn sie konnte zeitlebens weder schreiben noch lesen." Im Folgenden nähert er sich dem Phänomen Lourdes, indem er Autoren und Autorinnen zu Wort kommen lässt, die erklärtermassen Lourdes kritisch bis ablehnend gegenüberstehen. So zum Beispiel den Romancier Emile Zola oder die rationalistische Ärztin Thérèse Valot. Der dritte Fall kreist um die Wunderheilungen. Der geheilte Louis Bouriette soll gar nicht blind gewesen sein. Die anerkannten Wunder hätten abgenommen dank des medizinischen Fortschritts. Manche sogenannten Wunder könnten auch als Spontanheilungen erklärt werden. Was ist dazu zu sagen?
Der Leichnam der heiligen Bernadette
Für seine These zitiert Holenstein aus den Exhumierungsprotokollen. Er zitiert aber nur jene Stellen, die für seine Behauptung sprechen. Wenn man grössere Teile dieser Berichte liest, wird deutlich, dass der Leichnam sich in einem quasimumifizierten Zustand befindet. André Ravier hat darüber publiziert. Holenstein scheint diese Veröffentlichung zu kennen, weil er sie fast wörtlich zitiert, ohne sie jedoch bei seinen Quellen zu nennen. Ravier, ein kirchlicher Autor, selber sagt dazu: "Die vollständige Erhaltung des Leichnams von Bernadette braucht kein Wunder zu sein. Es ist bekannt, dass sich die Leichen Verstorbener an bestimmten Plätzen sehr lange erhalten und allmählich mumifizieren. Trotzdem kann man sagen, dass dieser Vorgang im Falle von Bernadette erstaunlich war: Ihre Krankheiten, der Zustand des Körpers beim Tode, die Feuchtigkeit der Gruft in der St. Josephs-Kapelle (feuchte Bekleidung, verrosteter Rosenkranz, Grünspan auf dem Kruzifix) schienen den Verfall des Fleisches eher zu begünstigen. Es muss daher genügen, wenn wir uns freuen, dass Bernadette eines seltenen biologischen Phänomens teilhaftig wurde. Von einem Wunder in strengem Wortsinne sollte man jedoch nicht sprechen." Ravier erklärt auch ganz klar: "Auf Gesicht und Hände wurden leichte Wachsmasken aufgelegt, die nach direkten Abdrücken und authentischen Fotos gegossen wurden." Es handelt sich also hier in keinster Weise um eine Täuschung der Gläubigen, sondern um eine würdige Aufbewahrung ihrer Reliquien.
Briefe einer Analphabetin?
Diese Behauptung ist leicht zu widerlegen. Richtig daran ist nur, dass Bernadette erst nach den Erscheinungen lesen und schreiben gelernt hat. Aber sie hat es gelernt. Ihre Briefe und Bekenntisse sind sorgfältig studiert und auch publiziert worden. Im Januar 1962 erschien im Verlag Lethielleux ein Werk unter dem Titel "Les Ecrits de Sainte Bernadette et sa voie spirituelle". Sie wurden in einer kritischen Ausgabe veröffentlicht, also mit dem ganzen Apparat von Anmerkungen, Belegen und Kommentaren. Mir liegt die einfachere Ausgabe ohne den wissenschaftlichen Apparat vor. Sie umfasst 62 Schriftstücke von Bernadette. Weiss das Holenstein nicht oder will er es nicht wissen?
Die Wunderheilungen
Wer die Möglichkeit von Wundern zum vornherein ausschliesst, der muss alle aussergewöhnlichen Heilungen in Frage stellen oder sie anderswie zu erklären versuchen. Die Echtheit von Lourdes wurde von Anfang an bestritten. Deshalb hat die Kirche sowohl die Person von Bernadette als auch die Wunderheilungen sehr genau geprüft. Bisher wurden tatsächlich nur 67 Heilungen offiziell anerkannt. Dies geschah erst nach einem Verfahren mit mehreren Instanzen. Gerade das spricht dafür, dass dabei sehr strenge Kriterien angewendet werden. Es gibt ungläubige Ärzte, die anders urteilen als Valot. Dies zeigt zum Beispiel das Zeugnis von Dr. Alexis Carrell, der für seine Krebsforschungen 1931 den Nobelpreis erhielt: "Niemals werde ich das erschütternde Erlebnis vergessen, als ich sah, wie ein großes, krebsartiges Gewächs an der Hand eines Arbeiters vor meinen Augen bis auf eine kleine Narbe zusammenschrumpfte; verstehen kann ich es nicht, aber ich kann nicht bezweifeln, was ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe" (veröffentlicht in »The American«, zitiert nach Wilhelm Schamoni, Das wahre Gesicht der Heiligen)". Eine medizinische Spontanheilung wird im Kontext des Glaubens eben als Wunder gedeutet.
Glaubenssache?
"Ob sich die 'Visionen' der Bernadette Soubirous und die damit zusammenhängenden 'Wunder' ereignet haben, ist und bleibt Glaubenssache, sagt Peter Holenstein zum Schluss seines Artikels. Das scheint mir nicht ganz zutreffend zu sein. Glaubenssache ist, ob ich die Zeugnisse über die Erscheinungen und Wunder für glaubwürdig halte. Die Kirche hat diese Frage offiziell bejaht. Das heisst: Die katholischen Gläubigen dürfen sich darauf verlassen, dass in Lourdes dem einfachen Mädchen Bernadette Maria wirklich erschienen ist. Wenn dem gegenüber die Grotte von Massabielle als Schwindelgrotte von Lourdes bezeichnet wird, zeigt sich darin eine Missachtung der Glaubensüberzeugung von sehr vielen Menschen. Das kann religiöse Gefühle verletzen und ist jedenfalls lieblos.
Die WELTWOCHE vertritt in politischen Fragen einen eher konservativen Kurs. Es ist auffallend, dass sie glaubt, diesen mit einer antikatholischen Haltung verbinden zu müssen. Es macht den Anschein, dass sie Leserinnen und Leser aus dem katholisch-konservativen Umfeld nicht nötig hat.
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