'Muttergottes, du hast hier so viele Kinder'

18. Oktober 2007 in Weltkirche


Ein Lichtermeer und Gebet für Europa: Ein Bericht von der KATH.NET-Leserreise nach Madeira und Fatima von Linda Noé + Fotoshow aus Fatima und Madeira


Linz / Fatima (www.kath.net) „Ave, Ave, Ave Maria…” erklingt es aus hunderttausendenden Stimmen auf dem großen Platz vor der Basilika in Fatima. 90 Jahre ist es her, seit in dem kleinen Ort in Portugal die Muttergottes und ein Engel drei Kindern im Alter von 10, 9 und 7 Jahren erschienen sind.

Heute sind es um die 350.000 Menschen, die sich betend und singend an das Jahr 1917 erinnern. Auch wir sind darunter: 30 Teilnehmer der Leserreise, die vom Österreichischen Landesreisebüro und dem Priester Konrad Sterninger gemeinsam mit KATH.NET organisiert wurde.

Die von den Pilgern geschwenkten weißen Tücher, die wie ein wogendes Meer um die in der Prozession getragene Muttergottesstatue von Fatima anzusehen waren, markieren die Endstation und das Ziel unserer Wallfahrt – Fatima.

Vom 8. bis 14. Oktober war unsere Reisegruppe von 30 Teilnehmern aus Österreich und Deutschland unterwegs. Der gemeinsame Pilgerweg führt uns zunächst auf die portugiesische Atlantikinsel Madeira, auf der Kaiser Karl I. seine letzten Lebensmonate verbrachte und im Jahr 1922 starb. 2004 wurde der letzte Kaiser Österreichs von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen.

Das erste Ziel unserer Wallfahrt ist es, an seinem Grab zu beten. Nachdem wir den Vormittag des 9. Oktobers die Hauptstadt der Insel, Funchal („Fenchel“), mit ihrer üppigen Markthalle und den botanischen Garten mit seinen Papageien, Schildkröten und Pfauen besucht haben, fahren wir weiter hinauf nach Monte.

Die Gemeinde liegt am oberen Stadtrand in luftiger Höhe von rund 600 Metern und hat als Herzstück die Wallfahrtskirche „Nossa Senhora do Monte“ aus dem 18. Jahrhundert, in der Karl I., der letzte österreichisch-ungarische Kaiser, beigesetzt wurde.

Dort feiern wir die Heilige Messe mit unseren mitpilgernden Priestern Pfarrer Konrad Sterninger und „Radio Maria“-Österreich- Programmdirektor Andreas Schätzle. Danach beten wir in vielerlei Anliegen am Grab des Seligen, den wir besonders um Fürsprache für unsere Heimat und um christliche Politiker bitten.

Eine Teilnehmerin der Reise, Margareta Weber aus Oberösterreich, erzählt:„Mir ist Kaiser Karl schon seit meiner Jugend wichtig, und ich hatte immer schon den Wunsch, einmal dahin zu kommen, wo er gestorben ist. Es war sehr bewegend, das Haus sehen zu können, in dem er seine letzten Monate verbracht hat und an seinem Sarg beten zu können. Ich habe den seligen Kaiser Karl um seine Fürbitte angefleht für unsere Heimat.“

Bereits am Vorabend hatte uns Pfarrer Sterninger eine erste Einführung in das Leben des seligen Kaisers gegeben, am Nachmittag setzt er die Katechese dann im Hotel fort. Mir wird vielleicht zum ersten Mal richtig bewusst, wie sehr Kaiser Karl ein wichtiger Schutzpatron ist für die Seele Europas im Heiligen Geist, wie es Kardinal Christoph Schönborn anlässlich seiner Seligsprechung formulierte.

Am 10. Oktober machen wir uns nach der Heiligen Messe zu einer Inselrundfahrt in den Norden auf, bei der wir ausgiebig die Gelegenheit haben, die Schönheit Madeiras zu bewundern und die besten Aussichtsplätze zu genießen, unter anderem Cabo Girão, die zweithöchste Steilklippe der Welt.

Unser Mittagessen haben wir in Porto Moniz, einem Küstenörtchen, das vor allem für seine Vulkanbecken bekannt ist. Fast alle entscheiden sich für „Espada“ – den schwarzen Degenfisch, eine kulinarische Spezialität der Insel. Nach unserer Rückkehr stimmt uns Pfarrer Sterninger auf unser nächstes Pilgerziel ein: Fatima.

Am 11. Oktober fahren wir auf dem Weg zum Flughafen noch über Santa Cruz, ein 10.000 Einwohner zählende Städtchen, in dem sich die „Maria Serena“ befindet, eine wunderschöne kleine Kapelle, in der zwei gottgeweihte Frauen aus Deutschland und Österreich im Gebet vor Gott leben. Bereits im Vorfeld hatten sie uns eingeladen, bei ihnen die Heilige Messe zu feiern.

Reiseteilnehmerin Renate Loss aus Bayern erzählt: „Sehr bewegt hat mich unsere letzte Feier der Heiligen Messe hier bei den beiden gottgeweihten Frauen, wobei ich eine der beiden Schwestern, die schon seit drei Jahren bettlägerig ist, in ihrem Krankenzimmer besuchen durfte – es hat mich sehr gestärkt, diese Freude auch mitten im Leiden zu sehen“.

Der 12. Oktober führt uns nach der Heiligen Messe in der Nähe unseres Hotels in Torres Novas, einer kleinen Stadt, die ungefähr 30 Kilometer von Fatima entfernt ist, direkt zum letzten Pilgerziel unserer Wallfahrt. Der riesige Pilgerplatz, der rund eine halbe Millionen Menschen fasst, ist Samstagvormittag noch beinahe leer.

Umrahmt ist der Platz von Kolonnaden, die ein wenig an den Petersplatz in Rom erinnern. Die große schneeweiße Basilika, die 1953 eingeweiht wurde, zieht alle Blicke auf sich. In der Mitte des Platzes steht eine große Herz Jesu Statue, auf der Seite die kleine Kapelle mit der berühmten Statue der Muttergottes von Fatima- am Erscheinungsort, wo früher eine Steineiche stand.

Dort wird gerade von einer spanischen Gruppe die Heilige Messe gefeiert, ihre Gesänge klingen über den Platz. In der Basilika muss man sich heute lange anstellen, um zu den Gräbern der Seherkinder Jacinta und Francisco zu gelangen. Dieser Weg führt am Hauptaltar vorbei, zu dessen linken Seite eine Kopie der Fatima-Muttergottesstatue steht.

Als ich sie anschaue, kommt sie mir irgendwie lebendig vor, so wie sie den Pilgerströmen zu ihren Füßen sanft zulächelt. An den Gräbern der Kinder haben die Menschen Blumen, Kerzen und Wachsfiguren hinterlassen.

Anschließend beten wir gemeinsam in der Gruppe den Kreuzweg. Der kleine Kreuzweg, der nicht weit von der Cova da Iria beginnt und in Richtung auf Aljustrel führt, ist von Exil-Ungarn gestiftet und wird deshalb „Ungarischer Kreuzweg“ genannt. 1959 wurde mit der Anlage dieses Kreuzweges begonnen, die einzelnen Kreuzwegkapellen sind an einem Feldweg in Mitten unzähliger Olivenbäume errichtet, der auf den Cabeco, den Kalvarienberg, führt.

Unterwegs kommt man an einer schönen Marienkapelle vorbei, die den Platz markiert, an dem die Muttergottes den Kindern am 19. August 1917 erschienen ist. Als wir den Kreuzweg beendet haben, sind schon viele andere Pilgergruppen aus aller Welt unterwegs, es ist 15 Uhr.

Wir beten an der Stelle, an der die Kinder zweimal die Erscheinung des Engels erlebten. Hier ist in einer Statuengruppe der Augenblick dargestellt, in dem der Engel den knienden Kindern den Kelch und die Hostie reichte. „Mein Gott, ich glaube, ich bete Dich an, ich hoffe und ich liebe Dich! Ich bitte Dich um Verzeihung für die, die nicht glauben, die Dich nicht anbeten, die nicht hoffen und die Dich nicht lieben!“ Dieses Gebet lehrte der Engel Jacinta, Francisco und Lucia.

Werner Loss, Mitpilger unserer Reisegruppe, schildert seine Eindrücke:„Der Kreuzweg in Fatima in dieser kargen und gleichzeitig schönen Landschaft war für mich ein tiefes Erlebnis, und mir wurde außerdem wieder neu bewusst, was für ein Geheimnis es ist, dass die Muttergottes sich immer die kleinen, einfachen Kinder aussucht, um ihre Botschaften zu übermitteln, wie auch hier in Fatima.“

Um 21.30 Uhr beginnt die Lichterprozession am Pilgerplatz, der jetzt voll von Menschen ist. Sie halten Kerzen in Händen. Der Rosenkranz wird gebetet, es wird gesungen, beim Refrain heben die Menschen ihre Lichter hoch in die Luft – ein einziges beeindruckendes Lichtermeer.

Mittlerweile bin ich schon etwas müde von dem langen Tag mit seinen unzähligen großen Eindrücken, aber dieses Bild der vielen tausenden Menschen, die jetzt ihre Kerzen schwenken und der Muttergottes zu Ehren singen und beten, bleibt unvergesslich. Viele sind tief berührt, man sieht so manchen Pilger sich verstohlen eine Träne aus den Augen wischen. Ich denke: „Muttergottes, du hast hier so viele Kinder.“

Der Sonntag mit der großen Abschlussmesse ist der Höhepunkt unserer Reise. Wenn ich am Tag zuvor gedacht hatte, dass der Pilgerplatz bei der Lichterprozession voll gewesen sei, wurde ich heute eines besseren belehrt: Wahre Menschenmassen sind bereits früh morgens da, haben auch zu großer Zahl direkt am Platz übernachtet – ganze Familien, Mütter, Kinder, Großmütter mit Kopftüchern, alte Männer mit Gehstöcken in den Händen und sonnenverbrannter Haut.

Mir fällt besonders auf, wie viele Einheimische anwesend sind, auch wenn die 350.000 Gläubigen aus insgesamt 29 Ländern kommen, die zu Beginn der Messe auch alle willkommen geheißen werden.

Renate Loss spricht bestimmt vielen Mitreisenden aus der Gruppe aus dem Herzen: „In Fatima war die Verabschiedung der Gottesmutter bei der Prozession am bewegendsten, bei der die vielen tausend Menschen mit ihren weißen Taschentüchern gewunken haben. Diese Tücher haben mich an die Botschaft der Muttergottes in Medjugorje erinnert: ‚Wenn du wüsstest, wie sehr ich dich liebe, würdest du vor Freude weinen‘“.

Erfüllt und bewegt von all den Eindrücken geht es für uns nach dieser eindrucksvollen Wallfahrtswoche nun wieder nach Hause. Uns bleibt das Anliegen anvertraut, für Europa zu beten, für seine Politiker, für die Rückkehr und Umkehr zu unseren christlichen Wurzeln, in Fatima lernen wir, dass es sich lohnt, dafür zu beten und Opfer zu bringen, von Kaiser Karl nehme ich das unerschütterliche Vertrauen in die göttliche Vorsehung mit.

Andreas Schätzle, Priester der ED Wien und Programmdirektor von Radio Maria Österreich, fasst seine Eindrücke von der Pilgerfahrt zusammen:

„Kaiser Karl und die Erscheinungen von Fatima fallen zeitlich und zeitgeschichtlich zusammen – auch heute, 90 Jahre danach. Europa steht unaufhaltbar in einem tiefgreifenden Verwandlungs- und Einigungsprozesses, der aber nur in Christus und im biblischen Menschenbild eine echte und dauerhafte Perspektive haben kann.

Die entscheidende Frage: Ist eine Umkehr Europas als dynamischer Fortschritt im Sinne einer Hinkehr zum Evangelium überhaupt möglich? Dazu braucht es Regierende, die nicht unter der Gleichschaltungsdiktatur eines ökonomischen Allmachtsstreben stehen, und zugleich Menschen, die in Opfer und Stellvertretung Zeugen der Barmherzigkeit Gottes sind.“

Fotoserie aus Fatima

Fotoserie aus Madeira


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