Die Guillotine beginnt schon zu fallen

8. Oktober 2007 in Aktuelles


Das Europarat-Dokument über "Staat, Religion, Säkularität und Menschenrechte" ist eine Kriegserklärung an die katholische Kirche. Ein Kommentar von Paul Herzog von Oldenburg.


München (www.kath.net)
„Er ist überall und unter allen anzutreffen. Er versteht es, gewaltsam und verschlagen vorzugehen. In den letzten Jahrhunderten hat er versucht, die geistige, sittliche und soziale Zersetzung der Einheit im geheimnisvollen Organismus Christi zu bewerkstelligen. Er wollte eine Natur ohne Gnade, eine Vernunft ohne Glauben, eine Freiheit ohne Autorität – manchmal auch eine Autorität ohne Freiheit. Es ist ein Feind, der immer konkreter wurde und eine Skrupellosigkeit an den Tag legte, die noch heute überrascht: Christus ja, aber keine Kirche! Später dann: Gott ja, aber Christus nicht! Und schließlich der ruchlose Aufschrei: Gott ist tot, oder sogar: Gott hat es nie gegeben. Und nun sehen wir uns sogar dem Versuch gegenüber, das Weltgebäude auf Grundlagen zu errichten, von denen wir ohne Zögern behaupten können, daß sie an erster Stelle für die Bedrohung verantwortlich sind, die auf der Menschheit lastet: eine Wirtschaft ohne Gott, ein Recht ohne Gott, eine Politik ohne Gott.“

Das sagte Papst Pius XII in seiner Ansprache Nel Contemplare vom Oktober 1952 über den Feind der Kirche.

Mit der Verurteilung des Kreationismus und zusammen mit der Entschließung vom 29. Juni dieses Jahres über „Staat, Religion, Säkularität und Menschenrechte“ schwingt sich der Europarat immer mehr zur einzig gültigen moralischen Instanz Groß- Europas auf.

Das Dogma heißt jetzt Menschenrechte. Die Menschenrechte sind das Maß aller Dinge. Alle haben sich danach zu richten. Die Staaten müssen mit allen Mitteln dafür Sorge tragen, dass alle am öffentlichen Meinungsbildungsprozess beteiligten Gruppen sich an die Menschenrechte halten. Wenn das irgendjemand nicht tut, muss dieser zu Recht gewiesen werden.

Insbesondere das Dokument vom 29. Juni 2007 ist eine Kriegserklärung an die katholische Kirche.

Es wird festgestellt, dass „die Religion des Einzelnen oder die Wahl, keine Religion zu haben, eine absolute Privatangelegenheit“ sei. Es wird also geradeso getan, als sei der Mensch schizophren und fähig eine Spaltung zwischen dem privaten Menschen und dem politisch aktiven Menschen vorzunehmen.

„Die religiöse Freiheit ist durch die europäische Konvention der Menschenrechte geschützt.“ Aber die religiöse Freiheit ist nicht unbeschränkt, „denn religiöse Grundsätze, die in der Praxis eine Verletzung der Menschenrechte implizieren, sind inakzeptabel.“

Es gibt also für unsere so tolerante und liberale Gesellschaft religiöse Grundsätze, die inakzeptabel sind.

Die Menschenrechte – das ist das höchste Dogma heute. Dieses Dogma erlaubt keine Infragestellung, keinen Protest. Der Platz, den Gott in der katholischen Gesellschaft des Mittelalters einnahm - wo jede Verletzung der Rechte Gottes inakzeptabel war – wird nun durch die Menschenrechte besetzt.

Dies ist ein zusätzlicher Beweis, dass die Gesellschaft niemals religiös neutral bleiben kann – entweder sie respektiert Gott oder sie stellt jemand anderen auf seinen Platz – hier den Menschen.

Doch was bedeuten diese Menschenrechte konkret? Demnächst werden die Menschenrechte von einem Großteil der europäischen Länder in die Charta der Grundrechte der EU aufgenommen, die noch anti-christlicher als die vorherige ist und die für alle Länder, die den „vereinfachten Vertrag“, der anlässlich des letzten europäischen Gipfels in Brüssel ausgehandelt wurde., ratifizieren, zwingend wird.

In dieser Charta ist z. B. das Recht auf Leben diskriminiert, denn nicht berücksichtigt werden die ungeborenen Kinder, die Opfer einer Abtreibung werden könnten, und auch nicht die Alten, denn man hat die Klausel der vorigen Konvention, wonach „niemand absichtlich getötet werden darf“, gestrichen und öffnet so die Tür zu Euthanasie und zum Selbstmord unter ärztlicher Assistenz.

Die neue Charta sieht auch das Recht vor, zu heiraten und eine Familie zu gründen, ohne sich festzulegen, dass es sich um einen Mann und eine Frau handeln muss, wodurch die Homosexuellen berechtigt sein werden, zu heiraten und Kinder zu adoptieren, um so mehr als sie keine Diskriminierung zu erwarten haben wegen des Rechtes auf freie sexuelle Orientierung.

Weiter gibt es das Recht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen – vorausgesetzt, dass die „demokratischen Werte“ respektiert werden. Dann ist da noch die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau „in allen Bereichen“ einschließlich der Religion, was die katholische Kirche den Feministen zu verdanken hat, die Strafverfolgung wegen widerrechtlicher Diskriminierung gegen den Vatikan einleiten könnten, da die Kirche den Frauen die Priesterweihe und die Zulassung zu den höchsten geistlichen Ämtern verweigert.

Es gibt auch das Recht auf Blasphemie, denn der Bericht von Herrn Puig bringt klar zum Ausdruck, dass das Recht sich zu äußern, nicht eingeschränkt werden kann, auch nicht um Rücksicht auf gewisse Dogmen oder Überzeugungen der einen oder anderen religiösen Gemeinschaft zu nehmen.

Das sind einige unantastbare Dogmen dieser neuen Religion der Menschenrechte, die keine Infragestellung seitens einer Religion, egal welcher, duldet.Vor diesem Hintergrund ist es offensichtlich inakzeptabel, dass ein Land „seine Gesetze zur Gänze oder teilweise der katholischen Morallehre entsprechend ausarbeitet“. Dass Malta also selber über die Scheidung bestimmt oder Irland das Leben des Fötus anerkennt – ein Ding der Unmöglichkeit.

Die Staaten müssen sofort reagieren, so der Rat: „Wo die Ausübung der Religion mit den Menschenrechten oder dem öffentlichen Interesse in Konflikt zu geraten scheint, ist es die erste Pflicht der Regierungen, den demokratisch ausgedrückten Willen der Bürger zu respektieren“ - es sei denn, die Bürger haben die katholischen Gesetze gutgeheißen wie in Malta und Irland; denn in diesem Fall müssen diese Länder getadelt werden.

Ein Einfluss von religiösen Strukturen kann und darf es also nicht geben, denn diese gefährden die Freiheit in der Gesellschaft. Um diesem Risiko zu begegnen, muss „eine Vereinbarung getroffen werden, die den religiösen Gemeinschaften eine Einmischung in Fragen, die rein weltlich bleiben müssen, untersagt“.

Es geht also nicht mehr um „maßlosen Einfluss“ oder „übertriebenen Einfluss“. Es geht um jeglichen Einfluss von religiösen Hierarchien. Über die Fragen, die von den humanistischen Strömungen zu Unrecht als rein weltlich betrachtet werden (wie Abtreibung, Euthanasie, Heirat Homosexueller) können sich die religiösen Autoritäten dann mit einer Handvoll Getreuer in der Ecke der Sakristei unterhalten.

Sonst riskieren sie, mit einem Antrag auf Verurteilung wegen Homophobie vor dem europäischen Parlament versehen zu werden, wie dies bei Msgr. Leonard, Bischof von Namur und bei dem Präsidenten der italienischen Bischofskonferenz, Erzbischof von Genua, Mgr. Bagnasco geschehen ist (oder Morddrohungen zu erhalten, wie dies bei letzterem der Fall war).

Sie riskieren auch, vor eine parlamentarische Untersuchungskommission geladen zu werden, die die Einmischung von Angehörigen religiöser Gemeinschaften ins politische Leben untersucht, wie dies in Australien anlässlich des Treffens von Kardinal Pell, Erzbischof von Sydney, mit seinem Kollegen, dem Erzbischof von Perth geschehen ist.

Und sie riskieren, vor Gericht gestellt zu werden, wie dies Kardinal Norberto Rivera, aus Mexiko Stadt, passiert ist, der Ärzte seiner Diözese, die in öffentlichen Spitälern arbeiteten, aufgefordert hat, nach ihrem Gewissen zu handeln und sich zu weigern, Abtreibungen, die seit kurzem gesetzlich erlaubt sind, durchzuführen.

Es macht sich Stück für Stück „die Diktatur des Relativismus“ breit, die Kardinal Ratzinger in seiner Ansprache vor dem Konklave, das ihn zum Papst gewählt hat, angeprangert hat. Eine Diktatur, die den Menschenrechten und der Demokratie den Vorrang über jedes religiöse Prinzip einräumt. Auf Grund der Tatsache, dass sie gewählt wurden, können sie die schlimmsten Ungerechtigkeiten im Namen der Mehrheit erzwingen.

Was bleibt den Kirchen, wenn sie sich nicht mehr gegen unmoralische, dem Naturgesetz und dem Gesetz Gottes widersprechende Gesetzgebungen wehren können? Sich anpassen. Der Rat bekräftigt: „Die Religionen müssen sich im Licht der wissenschaftlichen und sozialen Veränderungen bewegen, indem sie den neuen Gesetzen und den neuen Werten der Gesellschaft Rechnung tragen.“

Dies alles wurde diskutiert und angenommen ausgerechnet am Fest der Heiligen Peter und Paul, der zwei Apostel, die ihr Blut vergossen haben, um Zeugnis für Christus zu geben und sich geweigert haben, das Knie vor einem Herrscher zu beugen, der als göttlich betrachtet wurde, genau wie heute der moderne Staat.

Die Guillotine beginnt schon zu fallen. Entweder wir beugen den Kopf und beweihräuchern das neue Idol – die Menschenrechte – , indem wir gegen unser katholisches Gewissen handeln. Oder wir leisten Widerstand, indem wir dem Aufruf des Papstes folgen und „die Werte, die unantastbar bleiben müssen, die nicht verhandelbar sind“, schützen. Das sind zuallererst: Respekt und Verteidigung des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod und die Familie, die durch die Heirat von Mann und Frau gegründet wird.


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