‚Zurückbesinnen auf die Grundwerte des Christentums’

13. September 2007 in Interview


Der neu geweihte Bischof von Chur, Vitus Huonder, sprach im KATH.NET-Exklusiv-Interview über Medien, Ökumene und die Beziehung zwischen Orts- und Weltkirche.


Chur (www.kath.net, sb)Bei der Berichterstattung über die Kirche habe man oft den Eindruck, dass „dahinter reine Provokation stehe, welche schließlich darin endet, die Haltung und Stellung des Befragten bloß zustellen und zu verteufeln.“ Das sagt Bischof Vitus Huonder im Exklusiv-Interview mit KATH.NET.

Monsignore Vitus Huonder wurde am 8. September in Einsiedeln zum Bischof geweiht, KATH.NET hat berichtet. Er übernimmt damit die Leitung des Bistums Chur von seinem Vorgänger Amédée Grab OSB. Lesen Sie im Folgenden das Interview, das Stefan Maria Bolli mit Bischof Huonder führte.

KATH.NET: Exzellenz, Sie wurden am 8. September in Einsiedeln zum Bischof von Chur geweiht. Wie wird sich das Leben vorher und nachher unterscheiden?

Bischof Huonder: Einerseits wird sich das Leben danach nicht vom Leben davor unterscheiden. Ich stehe weiterhin im Dienst der Kirche und nehme die mir zugewiesenen Aufgaben wahr.

Anderseits habe ich die Bischofsweihe empfangen und damit die Fülle des Sakraments des Priestertums. Es ist eine neue Gnade, welche mir geschenkt wurde, ein neues „Talent“. Ich soll nun mit diesem Talent arbeiten und es für die Sache Christi fruchtbar machen.

KATH.NET: In der Schweiz wird vor allem in den Medien gerne unterschieden zwischen einem Bischof, der vor allem seine Gläubigen und deren Wünsche hört, und einem Bischof, der die Sichtweise der globalen Kirche vertritt. Ist es sinnvoll, die Kirche entweder nur als Ortskirche oder nur als globale Kirche zu sehen? Warum?

Bischof Huonder: Die Kirche ist eine einzige, über die ganze Welt ausgebreitete Gemeinschaft. Sie ist in diesem Sinn Universalkirche: die eine Weltkirche. Die Kirche ist aber auch vor Ort, deshalb Ortskirche. Die Ortskirche, welche unter der Leitung des Bischofs steht, soll immer die Kirche als solche darstellen. So besteht zwischen der einen Kirche und den in ihrem Schoß lebenden Ortskirchen eine gegenseitige innere Beziehung, die nicht aufgehoben werden kann.

Es gehören beide Aspekte zum Leben der Kirche: Das Hinhören auf die Kirche als solche, welche unter der Leitung des Heiligen Vaters steht, und ebenso das Eingehen auf die Kirche vor Ort, welcher, in enger Verbundenheit mit dem Heiligen Vater, der Bischof vorsteht.

KATH.NET: Wie stehen Sie den Medien gegenüber?

Bischof Huonder: Die Medien haben in sich eine große Bedeutung für die Ausbreitung des Evangeliums, deshalb gebührt ihnen eine positive Haltung. Die Medien haben aber auch ihre Schattenseite. Sie können, schlecht angewendet, viel zerstören.

KATH.NET: In der medialen Berichterstattung gibt es oft das Phänomen, dass man Stellungnahmen erklären oder Fragen beantworten muss, die mit einer bestimmten Tendenz gestellt und immer wieder gefragt werden. Warum ist das so?

Bischof Huonder: Warum bestimmte Fragestellungen? Sicher hängt das mit dem Bedürfnis nach Information und Meinungsbildung zusammen. Oft gewinnt man den Eindruck, dahinter stehe reine Provokation, welche schließlich darin endet, die Haltung und Stellung des Befragten bloßzustellen und zu verteufeln.

KATH.NET: Wie sollen „gute Journalisten“ von der Kirche berichten?

Bischof Huonder: Gute Journalisten sollen so von der Kirche berichten, dass dies für die Leser und Hörer nutzbringend ist. Gute Berichte sind immer klärend und aufbauend und fördern den Glauben.

KATH.NET: Die Ökumene oder die vielen Missverständnisse sind momentan in aller Munde (siehe den offenen Brief von Bischof Kurt Koch). Gibt es konkrete Ansatzpunkte, wie man eine tragfähige Ökumene leben und weiterführen kann?

Bischof Huonder: Die vergangenen Jahre haben viel für eine tragfähige Ökumene geleistet: Begegnung, Dialog, gemeinsames Gebet, gemeinsame karitative Werke und Aktionen. Das ist nach wie vor von großer Bedeutung.

Anderseits braucht es auch, was nicht immer einfach ist, die Klärung grundlegender theologischer Fragen. Da ist Geduld und Ausdauer gefordert, und dies ist nicht immer zufriedenstellend. Dennoch ist wichtig, dass wir nichts übers Knie brechen, weil dann neue Probleme und Spaltungen entstehen.

KATH.NET: Unter welchen Voraussetzungen müsste dies passieren?

Bischof Huonder: Die Ökumene im allgemeinen muss immer unter dem Gesichtspunkt der Liebe und der Wahrheit geschehen. Beides gehört zusammen.

KATH.NET: Papst Benedikt XVI. hat Deutschland und Österreich besucht. Ist man auch in der Schweiz bemüht, den Papst einzuladen?

Bischof Huonder: Dazu habe ich keine Informationen.

KATH.NET: Werden Sie Papst Benedikt XVI. in absehbarer Zeit um einen Weihbischof bitten?

Bischof Huonder: Ich werde ganz allgemein um das Wohl der Diözese bemüht sein. Dabei werde ich mich womöglich auch mit der Frage eines Weihbischofs beschäftigen müssen.

KATH.NET: Papst Benedikt XVI. will Europa an seine Wurzeln erinnern und zu einem Aufbruch im Geiste des verstorbenen Papstes aufrufen. Was können wir in der Schweiz dazu beitragen?

Bischof Huonder: Wir alle müssen uns zurückbesinnen auf unsere Wurzeln, das heißt auf die Grundwerte des Christentums, welche unsere Kultur geprägt haben und Ursprung eines wahren Fortschritts sind.

Auf diese Weise kommen wir unweigerlich näher zum Evangelium. Durch diese Rückbesinnung werden wir so die Qualität unserer Gesellschaft erhöhen. Das wäre der eigentliche Beitrag, denn wir leisten könnten und leisten müssten.

KATH.NET: Welche Charismen müssen in Gemeinschaften und Pfarreien gefördert werden, damit eine Neuevangelisierung effektiv umgesetzt werden kann?

Bischof Huonder: Charismen sind vorhanden. Gott verleiht zu jeder Zeit Charismen: Charismen der Verkündigung, Charismen der Heiligung, Charismen der Diakonie. Wir müssen sie nur entdecken und uns von ihnen erbauen lassen. Ob aber immer der Wille vorhanden ist, diese Charismen wirken zu lassen?

KATH.NET: Was raten Sie jungen Menschen? Auf wen sollen Sie hören in dieser Zeit der Verwirrung und des Durcheinanders an „Wahrheiten“?

Bischof Huonder: Junge Menschen sollen sich vor allem an Jesus Christus orientieren; sie sollen sich in die Wertelehre der Kirche vertiefen, sich diese Werte erklären lassen und ihr Leben daraus gestalten.

Sie sollen viel in der Heiligen Schrift lesen, vor allem immer wieder die Evangelien meditieren. Sie sollen die Sakramente entdecken, damit sie die aus ihnen strömenden Gnaden Gottes in sich aufnehmen können. In all dem finden sie Sicherheit und Sinngebung für ihr Leben. Und sie werden damit gut fahren.

KATH.NET: Exzellenz, herzlichen Dank für das Interview.

Kathpedia: Bischof Vitus Huonder

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