Schluckt die Kirche nun endlich die Kröte der Fristenregelung?

11. September 2007 in Österreich


Anmerkungen zu Fehlinterpretationen der Papstrede in der Wiener Hofburg – Von Dr. theol. habil. Josef Spindelböck


St. Pölten (www.kath.net)
Mit programmatischen Worten hat Papst Benedikt XVI. bei seinem Österreich-Besuch vor Repräsentanten des öffentlichen und politischen Lebens am 07.09.2007 in der Wiener Hofburg auf den Schutz des ungeborenen Lebens hingewiesen. Wörtlich führte Papst Benedikt XVI. aus: „In Europa ist zuerst der Begriff der Menschenrechte formuliert worden. Das grundlegende Menschenrecht, die Voraussetzung für alle anderen Rechte, ist das Recht auf das Leben selbst. Das gilt für das Leben von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende. Abtreibung kann demgemäß kein Menschenrecht sein - sie ist das Gegenteil davon. Sie ist eine ‚tiefe soziale Wunde’, wie unser verstorbener Mitbruder Kardinal Franz König zu betonen nicht müde wurde. Mit alledem spreche ich nicht von einem speziell kirchlichen Interesse. Vielmehr machen wir uns zum Anwalt eines zutiefst menschlichen Anliegens und zum Sprecher der Ungeborenen, die keine Stimme haben. Ich verschließe nicht die Augen vor den Problemen und Konflikten vieler Frauen und bin mir dessen bewusst, dass die Glaubwürdigkeit unserer Rede auch davon abhängt, was die Kirche selbst zur Hilfe für die betroffenen Frauen tut.

Ich appelliere deshalb an die politisch Verantwortlichen, nicht zuzulassen, dass Kinder zu einem Krankheitsfall gemacht werden und dass die in Ihrer Rechtsordnung festgelegte Qualifizierung der Abtreibung als ein Unrecht faktisch aufgehoben wird. Ich sage das aus Sorge um die Humanität. Aber das ist nur die eine Seite dessen, was uns Sorgen macht. Die andere ist, alles dafür zu tun, dass die europäischen Länder wieder kinderfreundlicher werden. Ermutigen Sie bitte die jungen Menschen, die mit der Heirat eine neue Familie gründen, Mütter und Väter zu werden. Damit tun Sie ihnen selbst, aber auch der ganzen Gesellschaft etwas Gutes. Ich bestärke Sie auch nachdrücklich in Ihren politischen Bemühungen, Umstände zu fördern, die es jungen Paaren ermöglichen, Kinder aufzuziehen. Das alles wird aber nichts nützen, wenn es uns nicht gelingt, in unseren Ländern wieder ein Klima der Freude und der Lebenszuversicht zu schaffen, in dem Kinder nicht als Last, sondern als Geschenk für alle erlebt werden.“

Bald nach dieser Stellungnahme, die auf keine Weise als Begünstigung der Abtreibung gedeutet werden kann, kam es zu ersten politischen Reaktionen. Manche interpretierten diese Worte als eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Fristenregelung, welche eine straffreie und in diesem Sinn legale Tötung des ungeborenen Kindes durch Abtreibung innerhalb der ersten drei Monate der Schwangerschaft ermöglicht. Zugleich hält die österreichische Rechtsordnung am prinzipiellen Unrechtscharakter der Abtreibung fest. Genau daran hatte Benedikt XVI. erinnert und betont, man dürfe Abtreibung keinesfalls als Menschenrecht propagieren, da sie immer Unrecht bleibe.Die von politischen Interessen gelenkte Interpretation der eindeutig auf eine „pro-life-Haltung“ bezogenen Worte des Papstes könnte jedoch konträrer nicht sein: Während manche (anklagend) dem Papst vorwarfen, er habe ausdrücklich die Aufhebung der Fristenregelung verlangt und damit eine Gesetzesänderung, wollten ihn andere umgekehrt festnageln und ihn gleichsam fragen: „Schluckt die Kirche jetzt endlich die Kröte der Fristenregelung?“ D.h. mit anderen Worten, als Aufforderung formuliert: „Ihr Verantwortlichen der Kirche, akzeptiert doch endlich die Möglichkeit der legalen Abtreibung!“ Dies geschieht mit der Absicht, die Kirche mundtot zu machen.

Die richtige Antwort auf die Fristenregelung im Sinn des Papstes muss lauten: Insoweit die Fristenregelung ein legalisiertes Unrecht darstellt, muss sie nicht nur im Namen der Kirche, sondern der Humanität als solcher abgelehnt werden. Wenn Benedikt XVI. ausdrücklich an die politisch Verantwortlichen appelliert, „nicht zuzulassen, dass Kinder zu einem Krankheitsfall gemacht werden und dass die in Ihrer Rechtsordnung festgelegte Qualifizierung der Abtreibung als ein Unrecht faktisch aufgehoben wird“, dann bringt er damit zum Ausdruck, dass jede politische Diskussion, welche auf ein Verbesserung des Loses der Ungeborenen abzielt, d.h. auf die wirksame Verhinderung ihrer Tötung durch Abtreibung, durchaus willkommen ist.

Die Kirche erinnert im Namen des Herrn Jesus Christus immer wieder in prophetischer Weise an Prinzipien wie den unbedingten Lebensschutz. Pflicht und Aufgabe der verantwortlichen Politiker wird es sein, dieses erste und grundlegendste aller Menschenrechte auch durch das Gesetz zu garantieren. Man könnte fragen: Warum sollten wir uns aus christlicher und humaner Verantwortung nicht für eine neue und bessere gesetzliche Regelung einsetzen, welche den Schutz des ungeborenen Lebens (im Gegensatz zur Fristenregelung) wirklich gewährleistet, zugleich den betroffenen Müttern hilft, Ja zum Leben zu sagen, und dann aber auch Schuldige an der vorsätzlichen Tötung ungeborener Menschen bestraft?

Das „Ja zum Leben“ und der Einsatz dafür ist ein Gebot der Stunde! Danke, Papst Benedikt!

Die Rede im Wortlaut

KATHPEDIA: Papst Benedikt

Dr. theol. habil. Josef Spindelböck ist Dozent für Ethik an der Phil.-Theol. Hochschule der Diözese St. Pölten und Gastprofessor für Moraltheologie am Internationalen Theologischen Institut für Studien zu Ehe und Familie in Gaming.


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