Gibt es doch eine abgestufte Menschenwürde?

in Deutschland


Warum die Entscheidung des Bundestags wirklich ein Dammbruch ist Ein Kommentar von Hartmut Steeb


BRD (idea)
In einer Sternstunde des Deutschen Bundestags wurde 1990 alle Fraktionen hinweg das Embryonenschutzgesetz verabschiedet. Darin ist klar formuliert, daß menschliches Leben mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle zustande kommt. Und folgerichtig wurde darin auch festgelegt, daß an einem solchen Menschen, also dem ungeborenen, keine Eingriffe zu Forschungszwecken gemacht werden dürften. Die Entscheidung der Mehrheit des Deutschen Bundestags, den Import von Stammzellen nach Deutschland zu Forschungszwecken zuzulassen, bricht mit dieser klaren Übereinkunft. Denn Menschenwürde kann es ja nur brutto geben. Entweder sie steht allen Menschen von der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle zu oder sie verliert ihre Substanz. Ab wann sonst soll der nach Artikel 1 unseres Grundgesetzes notwendige Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der “Würde des Menschen” “durch alle staatliche Gewalt” beginnen?

Tötung von Menschen für eine “Ethik des Heilens”?

In den Abtreibungsdebatten wurde immer wieder leutselig argumentiert, man könne das ungeborene Kind nicht gegen die Mutter schützen, weil es ja nun eben körperlich ganz eng mit ihr verbunden sei. (Das hat mich nie überzeugt, zumal bekannt ist, daß die meisten Abtreibungen durch den Druck der Männer zustande kommen.) Aber jetzt dreht man die Argumentation wieder um und will den ungeborenen Menschen außerhalb des Mutterleibes nicht mehr die gleiche Würde zusprechen, wie denen im Mutterleib und sie eben dann unter gewissen Umständen doch der Forschung zur Verfügung stellen. Aber nun hat sich der Bundestag ja eben nicht für die absolute Forschungsfreiheit entschieden, weil offenbar die Mehrheit – Gott sei Dank – immer noch davon ausgeht, daß das nicht sein darf. Aber ist es dann nicht eine verabscheuungswürdige Doppelmoral, daß man sich gerne jener bedient, die das alles ganz anders sehen, sich nicht im gleichen Verständnis um die Menschenwürde kümmern und deshalb problemlos sogenannte “überzählige” Embryonen herstellten und zur Forschung bereitwillig abgeben? Und was ist das denn noch für eine “Ethik des Heilens”, wie sie etwa vom früheren CDU-Generalsekretär und evangelischen Theologen Peter Hintze in der Debatte vertreten wird, die die Tötung von Menschen dafür in Kauf nimmt?

Es müssen neue Dämme errichtet werden

Nun will man mit dem Kompromiß nur auf jene Stammzellen zurückzugreifen erlauben, die bereits keine andere Zukunft mehr vor sich haben. Aber aufgepaßt! Die Entscheidung im Bundestag fiel so aus, weil sich die Befürworter größerer Freiheiten in ihrer großen Mehrheit dazu entschieden haben, jetzt wenigstens erst einmal den Kompromiß anzunehmen.

Auch das spricht eindeutig dafür, daß dies der Einstieg in den Ausstieg vom Embryonenschutzgesetz ist. Die jetzige Entscheidung ist ja “nur” ein weiterer Dammbruch in einer Reihe von Entscheidungen früherer Jahre, die zum immer weiteren Substanzverlust bei der Achtung und beim Schutz der Menschenwürde führten. Ich bin sehr dankbar, daß sich die Vorsitzenden des Rats der EKD und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz eindeutig gegen die drohende Entscheidung des Bundestages gewandt hatten. Weil die jetzt getroffene Entscheidung aber im Lichte der jahrzehntelangen menschenverachtenden Rechtsentwicklung gegenüber ungeborenen Menschen liegt, ist jetzt noch mehr nötig, als dafür einzutreten, “damit dieser Beschluß nicht zu einem Dammbruch führt” (Presseerklärung der EKD und der Bischofskonferenz nach der Entscheidung im Bundestag). Eine grundsätzliche Umkehr nicht nur der Politik sondern auch der Kirchen, ist nötig. Wir brauchen ein Nein zur Tötung ohne jedes Ja. Dafür müssen neue Dämme errichtet werden. Das biblische Gebot “Du sollst nicht töten” muß wieder uneingeschränkt gelten.


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