in Spirituelles
Es war vor acht Tagen: Der Tod von Timothy Mc Veigh, spektakulär inszeniert von den US- Medien, könnte Anlass sein, um über das eigene Leben nachzudenken. Worte zum Nachdenken von P. Robert Bösner
Wien(www.kath.net)
"Wo kommt Timothy McVeigh jetzt hin?" Nach der sauberen TV-Inszenierung derVollstreckung des Todesurteiles an dem aus Verzweiflung zum Bombenleger mit158 Todesopfern gewordenen Timothy Mc Veigh stellen sich viele Amerikanerdiese Frage. "In die Hölle!" sagen voll Abscheu über die Tat vor allem dieAngehörigen der Opfer und jene, die nach Vergeltung rufen. "An den Ort der innerenReinigung" meinen andere, und sie sind bereit für ihn zu beten. Zur gleichenZeit werben wieder andere mit viel Aufwand an "christlichen" Motiven dafür,dass die ganze amerikanische Öffentlichkeit dem schuldig gewordenen Timothyvergebe, damit er - nach all der Mühsal dieses Lebens - in den Himmel komme undan seinem Fall die Todesstrafe in den Vereinigten Staaten abgschafftwerde.
Denn der Anschlag auf das Regierungsgebäude in Oklahoma-City mit den 158Toten war, wie sie mit Recht sagen, die Verzweiflungstat eines unglücklichenMenschen, der seine ganze Kindheit in einer zerbrochenen Familie unterzermürbenden Umständen verbracht hat, und der dann während seines "Dienstes für dieHeimat" als Soldat das äusserst fragliche seelische Abhärtungsprogramm desMilitärs über sich ergehen lassen musste. Der etwa im Paradeschritt gehen unddabei singen musste: "Kill! Kill! Kill! Mit Blut wächst Gras viel besser". Undder dann - zum Golfkrieg versetzt- dort mit anderen den Auftrag bekam, mitdem Panzer notfalls auch lebende Irakis zu überfahren. Die sich darausergebende Konsequenz: dass die "guys" dann die Leichenteile aus den Rädern derPanzerketten herauslösen mussten, um bei der nächsten Inspektion wieder einsauberes Gerät präsentieren zu können.
Wo gehört Timothy nun hin? In die Hölle der Rachsüchtigen? In denReinigungsort derer, die für ihn beten und alles andere Gott überlassen? Oder soll ervon der Vergebungsbereitschaft aller getragen in den Himmel kommen? Wer kannin solchen Zwickmühlen des Lebens die Entscheidung treffen? Nicht von ungefährhat Jesus unsere Aufmerksamkeit in dieser Frage in eine ganz andereRichtung gelenkt, wenn er sagt: "Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtetwerdet!"
Den interessierten Fernsehkonsumenten erscheint der Hinweis Jesu wie eineThemenverfehlung: dass es nämlich nicht nur ein Gericht über den vom Fernsehen"zum Abschuss" freigegebenen Timothy gibt, sondern auch ein Gericht über die- durch das Fernsehen "bedienten" - Zuschauer. Und für die Regisseure und diePräsentatoren dieser Sendungen. Mit anderen Worten:Wir sollten uns nicht nurGedanken darüber machen, was mit Timothy nach seinem Tode geschieht, sondernauch darüber, was mit uns, dem geneigten Publikum, nach dem eigenen Todegeschehen wird. Dann schaut nämlich die Beurteilung der eigenen und der fremdenLebensfragen ganz anders aus.
TV-Verantwortliche wissen genau, dass viele Menschen diese oft grausame Artvon Berichterstattung eigentlich sehr mögen. Denn sie nehmen sie als eingroßes "Entlastungsmanöver", das sie von einer viel wichtigeren Frage ablenkt.Es ist die bohrende Frage, die jeder mit sich herumträgt und die er meistensverdrängt: "Wie werde ich das Urteil, das über mich selbst einmal ergehenwird, bestehen?" Wenn man sich fortwährend über eine große Katastrophe oder einUnglück heftig entrüsten oder über die Rätsel des Lebens nachsinnen kann,dann ergibt sich die "wohltuende" Gelegenheit, dass man seine unaufgearbeitetenGrundfragen vergisst.
Der Fall McVeigh und seine Vorgeschichte könnten aber viel mehr sein: ZumBeispiel eine große Erinnerungshilfe. Dass es uns einmal auch so ergehen kannwie den Opfern des Attentates von Timothy. Oder wie Timothy selbst, der fürsein verkehrtes Tun die Strafe empfing. Auch ich kann einmal unvermutet undplötzlich vor das Ende meines Lebens gestellt werden.
Freilich, so ein schrecklicher Ereignis unter diesem Gesichtspunkt zubetrachten, ist keine angenehme Sache. Wir sind es gewohnt, die ureigene Frage fastwie selbstverständlich zu verdrängen. Mit "Entrüstungs-Styropor" über andereLebensschicksale geht das noch dazu auf "selbstlose" Weise. Jesus hat sichbei seinen Zeitgenossen unbeliebt gemacht, indem er einmal sagte: "Ihr werdetalle einmal so umkommen ... wenn ihr euch nicht von eurem gedankenlosen Leben bekehrt und euch dem himmlischen Vater zuwendet!" (vgl. Lk 13,1 ff)
Für die aktuelle Frage, mit der sich viele Amerikaner beschäftigen, heisstdas im Klartext: Das, was uns interessieren sollte, ist nicht sosehr Timothy´s Leben nach dem Tod, sondern unseres. Das Leben ist lebensgefährlich, undgerade katastrophale Umstände können uns helfen darauf zu achten, wie es mituns nach diesem irdischen Leben weitergeht.
Ist das nicht Egoismus, wird jemand einwerfen, die großen Probleme deranderen an die zweite Stelle zu setzen? Wahrscheinlich gibt es kein anderes Motiv,um aus den leeren, aber aufgepeitschten Rachegelüsten an uns schuldiggewordenen Menschen herauszukommen, als an das eigene Gericht zu denken und an dasGotteswort: "Vergebt, dann wird auch euch vergeben". Gerade dieamerikanischen Bischöfe spüren dies und der Heilige Vater schließt sich ihren Bitten anden höchsten politischen Repräsentanten, (derzeit Präsident Bush) an, um indiesem Fall die Todestrafe nicht zu exekutieren.
Eine abschließende Überlegung: Was wäre mit uns geschehen, wenn wirgemeinsam erreicht hätten, dass das Todesurteil nicht vollstreckt worden wäre? Hätteuns das geholfen, uns wieder Gott zuzuwenden? Oder würden wir uns dannzufrieden zurücklehnen und mit der Genugtuung weiterleben, gemeinsam ein Lebengerettet zu haben, aber mit der Gefahr, das eigene zu verlieren, weil wir unserereigenen Propaganda - sprich: der Ablenkung von der Frage, wie es mitunserem Leben vor Gott weitergeht - geglaubt haben.
Timothy McVeigh´s Lebensschicksal ist jetzt in der Hand Gottes. Aber seinLeben ist auch ein aufwühlendes Bild für unser eigenes Leben. Jesus istzwischen zwei Schächern gekreuzigt worden. Zu welchem von beiden gehört Timothy,gehören wir? Diese Frage bleibt offen, so wie im Evangelium bei den zwei Söhnendes barmherzigen Vaters. Wird der "im Guten Verhärtete", aber eigentlichunselbständige, ältere Sohn die Einladung des guten Vaters annehmen und zumFestmahl kommen oder in der Verweigerung verharren? Wo ist Timothy hingekommen?Von meiner, von unserer Antwort auf diese Frage wird abhängen, wo i c h, wo wir hinkommen...
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