Aktive Sterbehilfe als tragischer Irrtum

1. Jänner 2006 in Deutschland


Bischof Algermissen predigte an Silvester im Fuldaer Dom über den Schatten in seinen Gedanken: "Werden wir das Evangelium des Lebens gegen eine ‚Kultur des Todes’ und gegen alle Gleichgültigkeit als Alternative hörbar machen können?"


Fulda (www.kath.net/bpf)
„Ganz besonders bewegte mich vor einigen Wochen die Meldung, die Schweizer Sterbehilfe-Organisation ‚Dignitas’ habe in Hannover eine deutsche Zweigstelle gegründet. Die Befürworter der aktiven Sterbehilfe argumentieren mit dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten, das zu achten sei. Dieser Ansatz offenbart ein Verständnis, wonach der Mensch selbst Maßstab und Norm ist und in vollständiger Autonomie über sein Leben entscheiden kann.

Dabei ist es nach unserem christlichen Menschenbild gerade nicht der Mensch, der über die Menschenwürde entscheidet, vielmehr ist sie ihm vorgegeben und ein für allemal in der Menschwerdung Gottes begründet.“ Dies stellte Bischof Heinz Josef Algermissen am Samstagabend in seiner Silvesterpredigt im Fuldaer Dom heraus.

Aktive Sterbehilfe, oder besser Euthanasie, sei ein tragischer Irrtum, weil es doch eine Alternative gebe: Statt das Töten eines schwerkranken Menschen zur Therapie zu erheben, die umfassende Zuwendung als Antwort auf den Schrei nach Hilfe bei der letzten Etappe des Lebens.

Die Haltung der katholischen Kirche ist laut Bischof Algermissen unaufgebbar eindeutig: „Willentliche Euthanasie, gleich in welcher Form und aus welchen Beweggründen, ist Mord. Sie ist ein schwerer Verstoß gegen die Würde des Menschen und gegen die Ehrfurcht vor dem lebendigen Gott, seinem Schöpfer“ (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2324).

Die Frage lasse ihn nicht los, so Algermissen: „Werden wir das Evangelium des Lebens gegen eine ‚Kultur des Todes’ und gegen alle Gleichgültigkeit als Alternative hörbar machen können?“ Auch müsse gefragt werden, wie die Welt in Zwielicht und Schatten etwas heiler werden könne.

In dem feierlichen Pontifikalamt zum Jahresschluß erinnerte der Bischof daran, daß mancher in dieser Zeit den Kalender des zu Ende gehenden Jahres in die Hand nehme, um zu blättern und sich zu erinnern. Er selbst gehöre zu denen, die solcherart Erinnerung zur geistlichen Verarbeitung brauchten. „Beim Verweilen freue ich mich dann über tiefe Begegnungen mit vielen, die Spuren hinterlassen, über Gespräche, die Menschen offensichtlich zum Glauben oder zur Lösung eines schweren Problems geholfen haben.“

Besonders dachte Bischof Algermissen an das persönliche Gespräch mit Papst Benedikt XVI. Anfang Juli in Rom, das ihn immer noch freudig bewege, sowie auch an das Bonifatiusfest und den Weltjugendtag, die in ihm wie in vielen Glaubensfreude und Hoffnung gestärkt hätten.

„Ein besonderes Jahr geht zu Ende, das entscheidend geprägt war vom Tod Papst Johannes Pauls II. und der Wahl eines Papstes aus Deutschland.“ Zugleich machte Algermissen deutlich, daß oft auch Ärger und Sorgen, Enttäuschungen und Schmerz in den Kalenderblättern steckten.

Jesus Christus stelle an den Beginn seines öffentlichen Wirkens die Worte: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe“, rief der Bischof in Erinnerung. Die Nähe des Gottesreiches sei mitunter unmittelbar und beglückend zu erfahren, manchmal aber stöhne man hörbar unter den „Leiden der gegenwärtigen Zeit“, die Paulus im 8. Kapitel seines Römerbriefes zur Sprache bringe.

„So nehmen wir auch all die Schatten des letzten Jahres mit hinein in die Feier dieser Heiligen Eucharistie, legen sie sozusagen mit auf den Altar.“ Der Oberhirte verwies sodann auf schwere Naturkatastrophen weltweit, die Hunderttausenden das Leben kosteten, Terroranschläge, die Angst und Gegengewalt brachten sowie Ratlosigkeit der Politiker angesichts der Massenarbeitslosigkeit und der Krise der sozialen Sicherungssysteme. „Zu alledem sehe ich deutlich, daß das menschliche Leben an seinem Beginn und seinem Ende bedroht ist, und zwar nicht nur beim Problem des Schwangerschaftsabbruchs, sondern auch aufgrund der bedenklichen Entwicklungen in der Gentechnik und der Biomedizin.“

„Am Beginn des Heils steht die Geburt eines Kindes“, habe Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Evangelium Vitae“ geschrieben. Aber das Heilswirken Christi werde erst, wie es dort weiter heiße, „im Verschenken seines Lebens am Kreuz seinen Höhepunkt erreichen; mit seinem Tod wird er den Tod besiegen und für die ganze Menschheit zum Ursprung des neuen Lebens werden“. Das sei, so Bischof Algermissen, für die Christen der Angelpunkt, weshalb sie trotz aller Wolken am Horizont mit Zuversicht in die Zukunft schauen könnten.

Acht Tage nach Weihnachten erzähle das Lukas-Evangelium von der Namensgebung des Kindes, so Algermissen weiter. Es gehöre zu den Erfahrungen der Gottesmutter, daß ihr Sohn seinen Namen aus dem Mund des Engels, der ihr seine Geburt ankündigte, bereits erhalten hatte: Jesus. Nun sorge Maria dafür, daß ihr Kind tatsächlich so genannt werde. Die Erlebnisse in der Vergangenheit liefen also in die Zukunft hinein.

Der Name „Jesus“ bedeute „Jahwe hilft“ oder „Jahwe rettet“. Mit diesem Namen Jahwe habe sich Gott dem Mose aus dem brennenden Dornbusch offenbart: „Ich bin der Ich-bin-da“. „Das ist Gottes Name auch im neuen Jahr“, betonte der Oberhirte. „Er drückt Gottes tiefes Wesen aus: ER ist helfend und rettend für die Welt und uns Menschen da.“ In Jesus habe Gottes Wesen hier auf Erden Gestalt angenommen. Die große Verheißung sei ein verbindliches Versprechen, das in Jesus, dem Mensch gewordenen Gottessohn, eingelöst werde.

„In Jesus Christus, dem Kind in der Krippe wie dem Gekreuzigten und Auferstandenen, ist die Zeit erfüllt, hat ein für allemal ihre Mitte gefunden.“ Von Ihm her sei die menschliche Lebenszeit keine diffuse Addition von im Grunde sinnlosen Tagen. Auf Ihn hin werde sich am Ende alles vollenden. Mit Jesus Christus verbunden schmecke die Zeit schon etwas von seiner Ewigkeit. „Für das neue Jahr wünsche ich Ihnen 365 Tage lang morgens und abends den Blick auf Jesus Christus, der unsere Zeit mit der Ewigkeit versöhnt hat“, schloß Bischof Algermissen.


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