'Auf diesem Gebiet in der heutigen Welt eine gewisse Desorientierung'

30. November 2005 in Interview


Der polnische Kurienkardinal Zenon Grocholewski, Präfekt der Bildungskongregation, im Interview über das neue Vatikandokument zur Homosexualität und Priesterweihe


Vatikan (www.kath.net)
Am Dienstag sprach der polnische Kurienkardinal Zenon Grocholewski mit Radio Vatikan (italienisch) über die neue Instruktion "Über Kriterien zur Berufsklärung von Personen mit homosexuellen Tendenzen im Hinblick auf ihre Zulassung für das Priesterseminar und zu den Heiligen Weihen". Grocholewski ist Präfekt der Bildungskongregation und hat das Papier unterzeichnet.

KATH.NET dokumentiert das italienischsprachige Interview aufgrund des großen Interesses in einer eigenen Übersetzung:

RV: Eure Eminenz, aus welcher Notwendigkeit heraus ist dieses Dokument (überdie Nichtzulassung Homosexueller) entstanden?

Grocholewski : Die Zeitungen haben von dem Dokument praktisch so gesprochen, als ob esetwas Besonderes wäre. Es ist aber nichts Besonderes dabei, daß unsereKongregation bestimmte Dokumente zur Priesterausbildung publiziert, denn wirhaben seit dem Konzil rund 20 Dokumente veröffentlicht, die sich mitverschiedenen Aspekten der Priesterausbildung befassen. Es gab ein Dokumentüber die Formung zum Zölibat, über die priesterliche Keuschheit, und man hatüber die verschiedenen Hindernisse auf dem Weg zum Priestertum gesprochen.Dieses Dokument jetzt ist nichts Besonderes, weil sich auch die Kongregationfür Glaubenslehre über das Problem der Homosexualität schon vielfach geäußerthat. Vor vielen Jahren, im Jahr 1975, erschien das Dokument "Persona humana"über einige Fragen der Sexualethik, in welchem auch die Homosexualitätbehandelt wurde. Dann gab es den Brief "Homosexualitatis problema", einDokument des Jahres 1986, welches die Seelsorge gegenüber homosexuellenPersonen behandelte. Und dann erschien ein Dokument über die Antworten aufGesetzesvorschläge betreffend eine (Nicht)diskriminierung homosexuellerPersonen, im Jahr 1992.

Schließlich, im Jahr 2003, hat dieGlaubenskongregation bestimmte Überlegungen über die Projekte einerrechtlichen Anerkennung von Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellenPersonen angeboten ... Warum hat sich die Glaubenskongregation viele Malegeäußert? Weil es auf diesem Gebiet in der heutigen Welt eine gewisseDesorientierung gibt. Viele vertreten die Position, daß die homosexuelleNeigung für den Menschen etwas Normales sei, sozusagen wie ein drittesGeschlecht. Dies widerspricht aber vollkommen der menschlichen Anthropologie,das widerspricht nach Auffassung der Kirche dem Naturgesetz. Gott selbst hatdies in die menschliche Natur eingeschrieben: es gibt zwei Geschlechter. Undso ist unsere Kongregation für das Bildungswesen von dem ausgegangen, was dasLehramt der Kirche lehrt!

RV: Was ist der wesentliche Inhalt dieser Instruktion?

Grocholewski : Das Fundament, das wir aufzeigen, ist jenes, das uns der Katechismus derKatholischen Kirche vorgibt. Der Katechismus unterscheidet zwei Dinge:homosexuelle Handlungen von homosexueller Neigung. Die homosexuellenHandlungen wurden als "schwere Sünden" und im Gegensatz zum Naturgesetzangesehen, in der Heiligen Schrift, sowohl im Alten Testament als auch imNeuen Testament, vom heiligen Paulus, und dann in der gesamten Überlieferungder Kirche, von den Konzilien her durchgehend. Also können diese Handlungenniemals gebilligt werden, in keinerlei Weise. Anders ist es mit der Neigungoder mit den homosexuellen Tendenzen, die tief verwurzelt sind. Und trotzdemwird diese "Tendenz" vom Katechismus der Katholischen Kirche als objektivungeordnete Neigung betrachtet. Warum? Die bloße Neigung ist zwar keineSünde, aber eine mehr oder weniger starke Tendenz in Richtung einer ausmoralischer Sicht in sich schlechten Handlung.

Diese Personen befinden sich in einer Art "Probezeit". Sie brauchen Verständnis und dürfen in keiner Weisediskriminiert werden. Von der Kirche jedoch sind sie so wie alle gerufen, dasGöttliche Gesetz zu beachten, auch wenn es manchen von ihnen schwerer fallenmag als anderen. Im Licht dieser Lehre, die wir vor allem dem Katechismusentnommen haben, haben wir als Prinzip herausgestellt, daß drei Kategorienvon Personen nicht in das Seminar oder zur Priesterweihe zugelassen werdenkönnen: 1. wer Homosexualität praktiziert, 2. wer tief sitzende homosexuelleTendenzen aufweist oder 3. wer die so genannte Gay-Kultur unterstützt. Dassind die drei auszuschließenden Personengruppen. Was die Personen mit tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen betrifft, sind wir zutiefst davonüberzeugt, daß es hier Hindernisse für einen korrekten Umgang mit Männern undFrauen gibt, die negative Folgen für die pastorale Arbeit der Kirche haben.

Wenn wir von "tiefsitzenden Tendenzen" sprechen, kann es natürlich imGegensatz dazu auch vorübergehende Tendenzen oder Situationen geben, die keinHindernis darstellen. Zum Beispiel in der noch nicht abgeschlossenenJugendzeit, manche Neugierde; oder Begleitumstände, etwa bei Betrunkenheit,oder auch besondere Umstände wie im Falle einer Person, die für viele Jahreim Gefängnis gewesen ist. In diesen Fällen rühren eventuelle homosexuelleHandlungen nicht von einer tiefsitzenden Tendenz her, sondern von denUmständen. Oder diese homosexuellen Handlungen werden vollzogen, um jemandenzu befriedigen und Vorteile zu erlangen ... diese Handlungen, in diesenFällen, kommen also nicht von einer "tiefsitzenden Tendenz", sondern vonvorübergehenden äußeren Umständen. Diese sind kein Hindernis für die Aufnahmeins Priesterseminar oder die Zulassung zur Weihe. Aber in diesen Fällenmüssen bis zur Diakonenweihe mindestens drei Jahre vergangen sein.

RV: Eminenz, welche Reaktionen erwarten Sie sich zur Publikation diesesDokuments?

Grocholewski: Ja, vielleicht wird es die Reaktionen geben, aber ich denke nicht, daß esandere sind als wir sie gegenüber allen Dokumenten des Heiligen Stuhlessehen, wenn es um Homosexualität geht. Denn das Problem ist im wesentlich einanthropologisches, tief verankert in der Lehre der Kirche. Im Gegensatz zudem, was manchmal behauptet wird, impliziert das keinerlei Diskriminierunggegenüber homosexuellen Personen. Im Gegenteil, wie ich schon gesagt habe,hat die Glaubenskongregation ein schönes Dokument zur Homosexuellen-Seelsorgeherausgebracht. Jede Diskriminierung ist voll und ganz zu verurteilen. DieKirche hat aber das Recht, das hochheilige Recht, festzulegen, was dieAnforderungen sind, Priester zu werden.

Denn wenn jemand von Gott berufenwird, wird er mittels der Kirche berufen, durch die Kirche - und deshalb hatdie Kirche das Recht, vielmehr noch die Pflicht, notwendige Bedingungenaufzustellen, um die Eignung der konkreten Personen zu prüfen und sie dannzum Priestertum zu berufen, wenn sie diese für eine solche Aufgabe geeignetbefindet. Das ist ein hochheiliges Recht der Kirche! Es ist keineDiskriminierung, wenn man z. B. in einer Astronautenschule eine Person nichtzuläßt, die an Schwindelgefühlen leidet. Es gibt also keine Diskriminierungvon Menschen, sondern es handelt sich einfach um die Festsetzung derErfordernisse, die wir als notwendig erachten.

RV: Und was ist mit den Priestern mit homosexuellen Tendenzen?

Grocholewski: Es ist klar, daß diese Weihen gültig sind, denn wir behaupten nicht derenUngültigkeit. Unser Dokument betrachtet die Angemessenheit: wir halten daranfest, daß es aus praktischen Gründen, aus der Erfahrung heraus, und auf demFundament der Lehre der Kirche nicht opportun ist, diese Personen alsPriester zu berufen, aufgrund der Probleme, die dadurch entstehen können. Unddie Erfahrung hat uns gelehrt, daß Probleme entstehen! Aber ein Mensch, derdie eigene Homosexualität nach der Priesterweihe entdecken würde, mußnatürlich das eigene Priestersein verwirklichen, er muß versuchen, dieKeuschheit zu leben ... vielleicht wird er dazu mehr geistliche Hilfebrauchen als andere, aber ich denke, daß er sein eigenes Priestertum auf diebestmögliche Weise vollziehen sollte.

Die Instruktion im Wortlaut

Die kath.net-eigene Übersetzung von Dr. Pytlik

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Foto: (c) vatican.va


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