Bischof Küng:Keine Diskriminierung sondern Wahrnehmung echter Probleme

30. November 2005 in Interview


Der St. Pöltner Diözesanbischof sprach im KATH.NET-Interview über die neue vatikanische Instruktion zu Homosexualität und Weiheamt.


St. Pölten (www.kath.net)
KATH.NET: Die neue vatikanische Instruktion spricht von Männern mit „homosexuellen Neigungen“ und jenen mit „tief sitzenden homosexuellen Neigungen“. Wo liegt da der Unterschied? Unter welchen Umständen muss die Kirche davon ausgehen, dass homosexuelle Erfahrungen „tief sitzend“ sind?

Bischof Klaus Küng: Wenn die Instruktion von homosexuell geneigten Menschen mit tief greifender Prägung spricht, ist damit eine homosexuelle Orientierung gemeint, die bis in die Kindheit zurückreicht und zu einer Prägung der Persönlichkeit geführt hat. Es ist zu beachten, dass die geschlechtliche Orientierung ein wichtiger Bestandteil der Persönlichkeit jedes Menschen ist und die gesamte Denk-, Rede- und Verhaltensweise beeinflusst. Die Beurteilung, ob tief sitzende homosexuelle Neigungen vorliegen, ist Aufgabe des erfahrenen Begleiters bzw. fachlich kompetenter Berater.

KATH.NET: In der Instruktion ist von homosexuellen Neigungen die Rede, die Ausdruck eines „Übergangsproblems“ sein können, etwa im Fall eines noch nicht abgeschlossenen Erwachsenwerdens. Wie ist das definiert? Können beispielsweise bei einem 30-jährigen Priesteramtskandidaten homosexuelle Neigungen noch als „Übergangsproblem“ gesehen werden? Gibt es da nicht eine Altersgrenze?

Bischof Klaus Küng: Es kann in der Zeit der Pubertät, vielleicht auch noch etwas später oder in besonderen Situationen ohne Vorliegen einer so starken Prägung wie oben beschrieben zu Manifestationen homosexueller Neigungen kommen. Solche Schwankungen können im jugendlichen Alter (Spätpubertät) auftreten.Die Grenzen können dabei wohl manchmal fließend sein.

KATH.NET: Bei der vatikanischen Instruktion geht ausdrücklich um die „die (Neu)Zulassung oder Nichtzulassung zu den heiligen Weihen von Kandidaten“ mit homosexuellen Neigungen. Wie steht es um Männer mit homosexuellen Neigungen, die bereits Priester sind?

Bischof Klaus Küng: Die römische Instruktion sagt nichts über den Einsatz von Priestern mit homosexuellen Neigungen. Sie sind jedenfalls, so wie heterosexuell orientierte, zur Enthaltsamkeit angehalten, und sicher ist, dass sie nicht für die Leitung von Seminaren und im Allgemeinen für die Leitung von Seminaristen in Frage kommen.

KATH.NET: Viele fragen sich, wieso die Kirche mit einem Priester ein Problem hat, der zwar tief sitzende homosexuelle Tendenzen hat, der aber keusch lebt. Wo liegt der Unterschied zum keusch lebenden heterosexuellen Priester? Ist etwa nicht die Keuschheit das Maßgebliche? Was ist es?

Bischof Klaus Küng: Es geht auch um die Persönlichkeit. Zölibat ist der Verzicht auf Ehe und setzt prinzipiell eine heterosexuell orientierte Persönlichkeit voraus. Es wäre eine (katastrophale) Unterminierung des Zölibates, wenn in einem Seminar oder in einem Kloster eine homosexuelle Subkultur entsteht. Homosexuelle Personen ziehen sich an, heterosexuelle Personen fühlen sich jedoch von einer homophilen Atmosphäre eher abgestoßen, was für die Entwicklung solcher Seminare und Klöster entsprechende Folgen haben kann, wie es anscheinend die Erfahrung der USA in einigen Fällen gezeigt hat. Abgesehen von diesem großen Problem – wohl der eigentliche Hintergrund des Dokumentes – und den damit verbundenen Problemen, die auch in einer Diözese entstehen können, wenn sich „Seilschaften“ bilden, sind wohl doch auch pastorale Aspekte mit diesem Fragenkomplex verknüpft. Ich muss aber auch feststellen, dass ich um manche Priester mit homosexuellen Neigungen – der Prozentsatz ist jedenfalls im deutschen Sprachraum nach meiner Einschätzung bei weitem nicht so hoch, wie es von manchen vermutet wird – weiß, die eine gute pastorale Arbeit leisten.

KATH.NET: In der Öffentlichkeit scheint die Kirche Erklärungsnotstand zu haben. Sie diskriminiert Homosexuelle, wird ihr von allen Seiten vorgeworfen. Kommt die Kirche mit ihrer Botschaft, ihrem Menschenbild überhaupt noch durch in der allgemeinen Verwirrtheit, die alles für gleich gut und richtig hält? Wie?

Bischof Klaus Küng: Es handelt sich nicht um Diskriminierung, sondern um die Wahrnehmung echter Probleme, die oft tief sitzende Wurzeln haben, deren Entstehen und Entwicklung nicht dem Willen der Betroffenen entsprungen sind. Auch die Auswirkungen sind komplex und bedürfen einer differenzierten Sicht, um solchen Priestern eine fruchtbare Wirksamkeit zu ermöglichen, ohne unnötige Gefährdungen einzugehen.

Die Instruktion im Wortlaut

Die kath.net-eigene Übersetzung von Dr. Pytlik

Die Diskussion im Forum


© 2005 www.kath.net