Braucht Telfs eine Moschee mit Minarett?

13. November 2005 in Österreich


"Die Proteste von Teilen der Bevölkerung sind daher verständlich und zumindest teilweise auch gerechtfertigt." - Ein Kommentar von Dr. Josef Spindelböck zum geplanten Moscheeturmbau in einer Tiroler Gemeinde


Telfs (kath.net/stjosef.at)
In der Tiroler Marktgemeinde Telfs (14.251 Einwohner laut Volkszählung 2001), das politisch eine absolute ÖVP-Mehrheit aufweist wird, leben fast 3000 Muslime. Diese erhielten vor 4 Jahren eine Moschee, eröffnet vom türkischen Islamverein ATIB im ehemaligen Rettungsheim am Gießenweg. Sie umfasst neben Gebets- und Schulungsräumen ein Lebensmittelgeschäft und einen Aufenthaltsbereich, die auch Nicht-Moslems offenstehen.

Vor kurzem wurde bekannt: Die Moschee wird bald mit einer "Glaubenssäule", einem 20 m hohen Minarett, komplettiert. Um möglichen Gegnern zuvorzukommen, wurde vertraglich vereinbart: Es wird kein Muezzin zum Gebet rufen. Am Minarett wird es statt dessen sogar eine beiderseitige Uhr geben. Der Vorsitzende der Islamischen Kultusgemeinde Österreichs (ATIB), Botschaftsrat Harun Özdemirci, bestätigte mit seiner Unterschrift den Verzicht auf den Gebetsruf vom geplanten Moscheeturm. Dennoch hat sich jetzt eine Unterschriftenaktion gegen den Bau eines Minaretts der islamischen Glaubensgemeinschaft gerichtet. Am vergangenen Montag präsentierten die Initiatoren dem Telfer Bürgermeister und Gemeinderat das Ergebnis der Aktion. Bisher wurden 2400 Unterschriften gegen den Bau des Minaretts gesammelt. "Laut Flächenwidmung gibt es nichts zu debattieren.

Die islamische Kultusgemeinde hat einen Rechtsanspruch auf die Errichtung einer Gebetssäule bei der Moschee Gießenweg", hatte Bgm. Dr. Stephan Opperer das Kommunalparlament aufgeklärt. Die politisch moralische Bewertung sei ein zweites Paar Schuhe. "Ich würde es auch nicht verhindern wollen", meinte ÖVP-Mann Opperer. Gemeinderat Sigrid Gsodam von den "Grünen" sprach sich hingegen gerade aufgrund der bisher unzureichenden Integration der meist türkischen Muslime gegen das Minarett aus. Sie meint in ihrer Stellungnahme: "Für Bgm. Dr. Opperer ist die Glaubenssäule auch ein Zeichen der Integration. Dem widerspreche ich, denn Integration ist definiert als ,Die Einordnung von Gliedern in ein Ganzes.' Vielmehr wird hier ein hohes Maß an Toleranz eingefordert, das nur schwerlich erreichbar sein wird. Die Errichtung dieses Turmes hat sowohl Auswirkungen auf das Ortsbild wie auch auf die kulturelle Identität des Ortes.

Um die verstärkt angelaufenen Integrationsbemühungen beider Seiten nicht zu unterlaufen, kann ich nur die dringende Bitte an unsere muslimischen Mitbürger richten, zum derzeitigen Zeitpunkt auf die Errichtung dieses ,Wahrzeichens' des islamischen Glaubens zu verzichten." Kirchlicherseits kommt eine uneingeschränkte Befürwortung des Minaretts vom Innsbrucker Dogmatikprofessor und Dekan der kath.-theol. Fakultät Jozef Niewiadomski. Die Säule sei ein Zeichen der Transzendenz, wofür auch Katholiken dankbar sein müssten: "Deswegen müssen gerade die Christen die Idee eines Minaretts unterstützen! Gott wird die Menschheit am Jüngsten Tag richten. Und eines der Kriterien wird sicher die Achtung vor und die Wertschätzung der Religiosität der Anderen sein."

Trotz der verfassungsmäßig garantierten Religionsfreiheit und der Bejahung der Konzilsdokumente "Dignitatis humanae" und "Nostra aetate" darf man als Katholik konkret seine Zweifel an einer derartigen Vorgangsweise anmelden, wenn eine mehrheitlich katholische Bevölkerung demonstrativ, ja fast schon provokativ ein islamisches Siegeszeichen vor die Augen gesetzt erhält! Die Proteste von Teilen der Bevölkerung sind daher verständlich und zumindest teilweise auch gerechtfertigt. Nur wenige von denen, die im Fall Telfs das Recht der Muslime auf ein Minarett anerkennen, haben übrigens auf die noch fehlende Religionsfreiheit in vielen islamischen Staaten hingewiesen. Am 10. November erklärte der Generalvikar der Diözese Innsbruck, Mag. Jakob Bürgler: „Es ist eine Tatsache, dass in unserem Land, besonders in manchen Gemeinden und Städten, eine große Anzahl von muslimischen Gläubigen wohnt. Wenn diese Tatsache geleugnet oder verdrängt wird, kann das zum Nährboden für Aggression und Gewalt werden. Das Bemühen um eine nachhaltige Integration und die klare Absage an jede Art von Fundamentalismus und Gewalt ist unmissverständliches Anliegen der katholischen Kirche. Dieses Bemühen erwarten wir uns auch von anderen Religionsgemeinschaften. Wir erwarten uns auch, dass Christen in muslimischen Ländern ihren Glauben frei und öffentlich ausüben können. Ein Minarett erinnert Muslime an das Gebet. Es erinnert uns Christen auch an die Tatsache, dass wir mit Menschen anderer Religionen zusammenleben. Zugleich sehen wir uns als Christen herausgefordert, unseren eigenen Glauben zu bezeugen und zu leben. Einem Minarett, das als Zeichen des Glaubens und des Gebetes und nicht als Zeichen der Provokation verstanden und im Einvernehmen mit den Verantwortlichen vor Ort errichtet wird, wollen wir als Kirche nicht entgegen stehen, denn Religion und Frieden gehen Hand in Hand.“

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