Was uns erhebt

6. Oktober 2005 in Spirituelles


Der symbolische Ritus der Elevation verdeutlicht uns Christus in seiner Hingabe. 5. Teil einer Serie zur Eucharistiefeier von Pfarrer Christoph Haider.


Wien (www.kath.net) In wenigen Wochen geht das von Papst Johannes Paul II. ausgerufene „Jahr der Eucharistie“ zu Ende. Es endet mit der Weltbischofssynode in Rom, die von 2. bis 23. Oktober stattfindet. KATH.NET stellt aus diesem Anlass erneut eine Kurzserie zum Thema „Eucharistie“ vor.

Pfarrer Christoph Haider (Tirol) beleuchtet verschiedene Aspekte der Eucharistiefeier: Den Bußakt, die Gabenbereitung, das liturgische Kleid, Momente der Stille in der Messe, die Erhebung der Hostie, die Eucharistie als Arznei der Unsterblichkeit sowie „Herr, ich bin nicht würdig“.

5. Teil der Serie zur Eucharistiefeier: Die Erhebung und Anbetung der heiligen Gestalten

Die heilige Eucharistie ist „Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens“. Wenn diese Aussage des II. Vatikanischen Konzils zutrifft, muss das Denken, Reden und Tun Jesu uns in der Messe geistlich nahe geführt werden. Die Messe kann dann für uns Quelle sein, wenn sie uns an das lebendige Wasser heran führt, das im Leben Jesu seinen nie versiegenden Ursprung hat. Die Messe kann dann für uns Höhepunkt sein, wenn sie uns an den Gipfel des Erlöserlebens heran führt, das Jesus auf Erden vollbracht hat. Um diesen Nachweis zu bringen, wollen wir auf das Zeugnis der Heiligen Schrift hören, um dann deren Widerhall in der Feier der Eucharistie zu suchen.

Das Johannesevangelium gibt uns besonders tiefen Einblick in die Geisteshaltung, die Jesus als Erlöser erfüllt hat. Sein Weg nach Jerusalem, um dort zu leiden, zu sterben und aufzuerstehen, wird als „Erhöhung“ (Joh 3,14; 8,28; 12,32) gesehen, die eine doppelte Bedeutung hat. Zum einen gilt die Erhöhung uns: Der Menschensohn wird am Kreuz erhöht, weil er sein Leben freiwillig hingibt zu unserem Heil. Sehr schön ist dies in dem Wort ausgedrückt: „Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe“ (Joh 10, 11).

Als symbolischen Ausdruck dieser Haltung des Erlösers können wir den horizontalen Balken des Kreuzes betrachten. Die andere Linie geht nach oben; im Blick auf den Vater betet Jesus: „Ich habe dich auf der Erde verherrlicht und das Werk zu Ende geführt, das du mir aufgetragen hast“ (Joh 17,4). Der vertikale Balken am Kreuz ist sichtbarer Ausdruck für diese Absicht Jesu, den Vater in allem zu verherrlichen bis zur Hingabe seines Lebens.

In der Feier der Messe finden wir tatsächlich die „Erhöhung“ Jesu wieder. Genau genommen sind es zwei Momente, die den genannten zwei Aspekten der einen Erhöhung am Kreuz entsprechen: Bei der Wandlung werden die heiligen Gestalten das erste Mal „erhöht“, „Elevation“ genannt. Nachdem die Einsetzungsworte gesprochen sind, hebt der Priester jeweils die heilige Hostie und dann den Kelch empor. Im Schauen auf Christus in der Gestalt des Brotes und des Weines soll sich erneut das Wort der Schrift erfüllen: „Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben“ (Joh 19,37).

Die Erhebung der heiligen Hostie, um sie dem Volk zur Verehrung zu zeigen, hat erst nach Vollendung der Wandlungsworte zu erfolgen: Diesen Beschluss fasste eine Synode in Paris am Beginn des 13. Jahrhunderts. Es war das Jahrhundert der Hochscholastik, das sich mit solchen liturgischen Einzelfragen beschäftigte. Diesem Jahrhundert verdanken wir unter anderem auch die Entstehung des Fronleichnamsfestes.

Die Anbetung des Herrn in seiner eucharistischen Gegenwart wurde theologisch vertieft und fand schließlich einen Höhepunkt in den schönen Hymnen des heiligen Thomas von Aquin (+1274) zur Verehrung des Altarsakramentes, die wir heute noch singen („Gottheit tief verborgen“; „Deinem Heiland, deinem Lehrer“; „Tantum ergo“; „O salutaris hostia“...).

Wenn heute bei der Messe dieser symbolische Ritus der Elevation, der Erhebung, erfolgt, können wir uns Christus in seiner Hingabe vor Augen halten: Sein für uns hingegebener Leib und sein für uns vergossenes Blut werden uns im Sakrament gezeigt. Von unserer Seite aus werden diese Momente der Erhebung staunende Dankbarkeit und liebevolle Anbetung erwecken.

Mitunter kann man Gläubige beobachten, wie sie zur Wandlung beim Emporheben der heiligen Hostie und des Kelches ein schönes Kreuzzeichen machen. Recht bedacht, ist dies ein sinnvoller Ausdruck des Glaubens an die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers am Altar. Einige Gläubige sagen, sie hätten im Religionsunterricht Gebete gelernt, die sie leise zur Erhebung beten, z.B.: „Jesus, dir leb ich. Jesus, dir sterb’ ich. Jesus, dein bin ich im Leben und im Tod.“ Auch persönlich formulierte Stoßgebete sind denkbar, etwa: „Mein Jesus, ich vereinige mich mit deinem Opfer.“ „Mit dir gebe ich mich hin für...“ (hier können Anliegen eingefügt werden).

Besonders geeignet sind natürlich biblische Gebete: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28) bei der Erhebung der Hostie, „Jesus, hab Erbarmen mit mir“ (Mk 10, 47) bei der Erhebung des Kelches. Oder in Anlehnung an den Christushymnus des Alphanus von Salerno (+1085): „Christus, göttlicher Herr, du bist meine Hoffnung, mein Friede, mein Glück, all mein Leben.“ „Christus, dir neigt sich mein Geist; Christus, dich bete ich an. Christus, an dir halt ich fest mit der ganzen Kraft meiner Seele.“ Angebracht ist sicher auch gänzliches Schweigen der Sinne bei gleichzeitiger Hingabe unseres Denkens, Fühlens und Wollens an den Herrn.

Wie immer man am Höhepunkt der Messe denken und beten mag, eines müsste von unserer Seite zum Ausdruck kommen: Ein dankbares Erwidern der Liebe des Herrn, verbunden mit großem Vertrauen. Denn an dieser Stelle der Erhöhung der eucharistischen Gestalten erfüllt sich von neuem das Wort: „Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen“ (Joh 12,32). Und wenn schon „ein kleiner Tropfen des Blutes Jesu der ganzen Erde Gottes Heil zu schenken vermag“ (vgl. Hymnus „Adoro te devote“ des hl. Thomas von Aquin), wie sehr dürfen wir dann im Augenblick der Wandlung darauf vertrauen, dass der Kelch des Heiles uns heilt und heiligt.

Das zweite Mal werden die heiligen Gestalten von Brot und Wein „erhöht“ am Ende des Hochgebetes, bei der so genannten Doxologie. War bei der heiligen Wandlung die Blickrichtung auf uns gerichtet, auf das uns durch Christi Erlösungstat geschenkte Heil, so ist es jetzt die durch ihn vollbrachte Verherrlichung Gottes: „Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir Gott, allmächtiger Vater, alle Herrlichkeit und Ehre, jetzt und in Ewigkeit.“

In einer Zeit der merkwürdigen Gottvergessenheit, wie sie in weiten Teilen der Welt festzustellen ist, gibt es gleichzeitig einen Boom des Religiösen, wie Papst Benedikt XVI. neulich festgestellt hat. Auch unsere Breiten sind davon betroffen. Diese neue Religiosität ist oft schwer einzuordnen. Selbst tief gläubigen Christen fällt es nicht immer leicht, das Wahre vom Falschen zu unterscheiden.

Eines kann bei der Unterscheidung hilfreich sein: Pseudoreligiöse Angebote versprechen immer irgendeine Hilfe, einen Vorteil für den Menschen. Dass Gottes Name geheiligt werde, dass sein Reich komme, dass sein Wille geschehe, diesen Aspekt kennen diese religiösen Marktartikel letztlich nicht.

Die Doxologie als Schlussakkord des Hochgebetes zeigt uns die christliche Richtung an: Nach dem Heil der Menschen, das in der heiligen Wandlung angeklungen ist, folgt die Verherrlichung Gottes durch Christus, der in unserem Namen, als Haupt der neuen Menschheit, auftritt zur Ehre der Allerheiligsten Dreifaltigkeit.

Gott zu erkennen, ihn zu loben und zu lieben und dadurch selbst glücklich zu werden, das ist christliche Spiritualität. Um tief in diesen Rhythmus des Glaubens hinein zu wachsen, ist uns der bewusste Mitvollzug der Messe eine große Hilfe. Gottes Ehre und menschliches Heil verschmelzen im Messopfer zur wunderbaren Einheit. Ein viel zitiertes Wort des heiligen Irenäus von Lyon fasst in kompakter Rede diesen Kreislauf der Erhöhung zusammen: „Gottes Ruhm ist der lebendige Mensch, das Leben des Menschen aber ist die Anschauung Gottes.“


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