2. Juni 2005 in Weltkirche
Gedanken von Weihbischof Andreas Laun über Papst Benedikt XVI. + Lob von Joseph Ratzinger für die Zeitung "Kirche heute" und Weihbischof Laun
Ich halte mich nicht für den Geeignetsten, um den Professor Joseph Ratzinger, den Bischof Joseph Ratzinger und jenen Joseph Kardinal Ratzinger zu beurteilen, der die Glaubenskongregation leitete. Andere haben ihn auf diesen Stationen seines Lebens begleitet und ihn aus viel größerer Nähe erlebt als ich. Erst recht bin ich kein Prophet und kann nicht aus eigener Intuition sagen, wie Kardinal J. Ratzinger als Papst Benedikt XVI. die Kirche leiten wird. Dennoch weiß ich, warum ich Joseph Kardinal Ratzinger schon seit vielen Jahren verehre und warum ich mich über seine Wahl zum Papst Benedikt XVI. freue:
Papst Benedikt XVI. ist im besten Sinn des Wortes katholisch und er hat jene Klarsicht, die ein Papst in unserer Zeit unbedingt haben sollte. Gott behüte, ich spreche den anderen Kandidaten für das Papstamt, die es gegeben hätte, weder den Glauben noch die Klarsicht ab. Was bei J. Ratzinger aber so beeindruckend ist: Sein katholischer Glaube ruht auf einer durch und durch gesunden, katholischen Natur. Was ich damit sagen will, ist dies:
Die Gnade setzt die Natur voraus, sie heilt sie und bringt sie zu ihrer Vollendung, sagt ein altes Axiom der katholischen Theologie. Das heißt, die Gnade wirkt keine Schöpfungswunder, sie braucht die vorgegebene Natur, um ihre Wirkung entfalten zu können. In diesem Sinn belässt sie den Menschen so, wie er von Natur aus ist und heilt und vollendet sie nur insoweit, als die Natur das Potential dazu in sich birgt und der Gnade anbietet. Konkret gesprochen: Wer vor seiner Bekehrung ein brennendes Interesse an der Wahrheit hatte, wird sie auch als Christ mit Leidenschaft lieben. Natürlich macht umgekehrt auch ein tiefer Glaube aus einem geistig beschränkten Menschen keinen großen Theologen.
Gott hat dem Menschen J. Ratzinger eine reiche, groß angelegte Natur mitgegeben, seine intellektuellen Fähigkeiten werden nicht einmal von seinen unerbittlichsten Gegnern bestritten. Dennoch ist Joseph Ratzinger nicht der typische Intellektuelle mit all der bekannten Einseitigkeit bestimmter Professoren-Typen. Er hat sich seine tiefe Menschlichkeit bewahrt und ebenso seinen Sinn für Schönheit und all das, was man nicht definieren und nicht getrost nach Hause tragen kann. Ein Zeichen dafür scheint mir auch die Schönheit und Sanftmut seiner Sprache zu sein: J. Ratzingers Art, sich mit Andersdenkenden auseinander zu setzen, ist niemals grob, sie lässt immer die alte Unterscheidung erkennen zwischen dem Irrtum, den es zu widerlegen gilt, und dem Irrenden, den J. Ratzinger nicht aufhört zu achten, weil er ihn ja nicht besiegen, sondern für die Wahrheit Jesu Christi gewinnen will.
Darin besteht, so scheint mir, die Natur unseres neuen Papstes, auf der die Gnade seines tiefen Glaubens aufbaut: eine katholische Natur, das heißt eine Natur, die für alles Seiende, für alle gloria mundi, für alles Menschliche offen ist und das Allzu-Menschliche mit einer Geste der verstehenden Barmherzigkeit zu umfangen weiß.
Die Gegner Papst Benedikts XVI. sind augenblicklich, sofort, nachdem seine Wahl bekannt geworden war, aus ihren Schützengräben gekommen. Den Tag seiner Wahl haben sie den schwärzesten Tag der deutschen Kirchengeschichte genannt und haben begonnen, sich auf ihn einzuschießen, freilich nur mit ihrem veralteten Waffenarsenal, das niemand überrascht, aber dennoch verwundet und, biblisch gesprochen, ahnungslose Schafe zerstreut. Man hätte voraussagen können, worüber sie vorwurfsvoll reden werden: von AIDS-Prävention durch Kondome, von Bischofsernennungen und Strukturen, von Zölibat und Priesterweihe der Frau. Oder sie sprechen - weil es nur ein verschwindend kleines Frauengrüppchen gibt, das wirklich selbst geweiht werden will - nur enigmatisch-ungenau von den Frauen und ihrer Missachtung in der katholischen Kirche. Ein anderer Vorwurf lautet: Die Amtskirche verschließe die Augen vor der Realität. Fragt man, was denn diese übersehene Realität sei, die die Kirche nicht, die Kritiker hingegen sehr wohl zu kennen scheinen, erfährt man, es sei die Sexualmoral der Kirche, und dieses Pudels Kern ist, so man nachforscht, das Nein der Kirche gegen gelebte Homosexualität und Empfängnisverhütung. Und überhaupt: Lehr-Entscheidungen werden bei diesen Angriffen nicht gemessen an der Tradition der Kirche und der Art, wie sie zustande gekommen sind, sondern ausschließlich daran, ob sie den eigenen Überzeugungen entsprechen oder nicht. Im ersten Fall sind sie gut, im zweiten sind nicht nur die Entscheidungen schlecht, sondern auch diejenigen unmoralisch, die sie gefällt haben, und werden darum mit der moralischen Keule bedroht: Wenn du nicht denkst wie wir, bist du ein schlechter Mensch, deine Überzeugung ist nicht Folge von Argumenten, sondern Ausfluss deiner Schlechtigkeit, sie bedürfen keiner Widerlegung mehr, es genügt, dich auszugrenzen. Nur Tage nach seinem Tod warfen die Vertreter der Österreichischen Wir-sind-Kirche-Bewegung Johannes Paul II. vor, er sei unbarmherzig gewesen und seine Amtsführung hätte den Stempel kalter Autorität getragen ausgerechnet ihm, der den Barmherzigkeits-Sonntag in die Liturgie der Kirche eingefügt hat. Vom neuen Papst sagen die Kritiker ähnlich: Er ist konservativ, ein Fundamentalist, ein Inquisitor, ein Panzerkardinal. Der Beweis dafür? Wie bei Johannes Paul II.: Seine Meinung zu ... und dann zählt man nach Belieben die schon genannten Stichworte auf. Unbemerkt bleibt, auf welcher Ebene man sich dabei bewegt: als ob es in der Kirche um die persönlichen Meinungen ginge und nicht um die Wahrheit, die von Gott kommt!
Die Kritiker lassen erleben, was Benedikt XVI. als typische Gefahr und Not unserer Zeit erkannt hat: Neben der sogenannten Religionstheologie ist eines der großen, drängenden Probleme der Kirche von heute, sagte Kardinal Ratzinger erst vor zwei Jahren im Gespräch mit Guido Horst (TP 4.10.2003), der Zerfall des Kirchenbewusstseins, die innere Spaltung der Kirche und dass wir sie wohl noch nicht ernst genug ins Auge fassen. Mit dem wir der Menschen, die das Problem zu wenig im Auge haben, sind wohl in erster Linie die Bischöfe gemeint.
Joseph Kardinal Ratzinger sieht die Probleme schon seit langem. Gerade darum hat er, so scheint mir, im Einverständnis mit Papst Johannes Paul II. Dominus Jesus geschrieben: um den Katholiken bei der Unterscheidung zu helfen zwischen dem, was katholisch ist, und dem, was es nicht ist. Das freilich setzt eine noch dazu, wie das Dokument betont sichere Erkenntnis der Wahrheit voraus. Aber gerade deren Möglichkeit wird heute grundsätzlich in Abrede gestellt und dann, wenn sie jemand behauptet, als Anmaßung, also moralisierend, gedeutet. So stand denn auch folgerichtig ganz oben auf der Liste der ersten Angriffe auf den neuen Papst: Wie konnte er in Dominus Jesus behaupten, die katholische Kirche stehe über allen anderen Religionen und die anderen christlichen Gemeinschaften seien keine Kirchen im Vollsinn des Wortes? Ja, sie haben recht, die Kritiker, J. Ratzinger hat das behauptet, aber nicht als seine persönliche Meinung, sondern als biblische und darum katholische Wahrheit. Die Kritiker übersehen, dass dieser Vorrang der katholischen Kirche nicht eine Frage der Moral ist, sondern der Logik des Glaubens selbst entspringt, die auch ein Ungläubiger hypothetisch verstehen kann: Wenn Jesus wirklich der Sohn Gottes war, wie könnte eine andere Religion dieser einen Religion, die Gottes Sohn selbst gegründet und mit der er sich identifiziert hat, das Wasser reichen können? Wie könnte sie eine Gemeinschaft, die wesentliche Strukturen bestreitet, als ganz und gar gleichwertig anerkennen können? Aus dem Glauben an die Menschwerdung Gottes und Seinem Willen ergeben sich alle Ansprüche der katholischen Kirche von selbst und haben, wohlbemerkt, nichts mit der persönlichen Haltung, sei es Demut oder Hochmut, von katholischen Christen zu tun. An das Credo der Kirche zu glauben und gleichzeitig zu behaupten, alle Religionen seien in etwa gleich, ist nicht nur ein Glaubensmangel, sondern auch ein innerer, logischer Widerspruch.
Als Präfekt der Glaubenskongregation hat J. Kardinal Ratzinger schon bisher viele heiße Eisen in die Hand nehmen müssen und sich dabei nicht nur einmal die Hand verbrannt. Er hat sich nicht beklagt, sondern, so darf man vermuten, er hat sich im Sinn von Matthäus 5,12 darüber gefreut und zum nächsten Eisen, wieder einem heißen, gegriffen. Es sind wohl auch die so entstandenen Narben, die ihn auszeichnen und für das hohe Amt des Papstes geeignet scheinen lassen.
Die Wahl Joseph Kardinal Ratzingers zum Papst erscheint mir eine glückliche Stunde für die Christenheit zu sein, weil er wie kein anderer die Lage der Kirche, insbesondere in Deutschland und überhaupt in Mitteleuropa versteht und weil er wiederum wie kein anderer berufen ist, die Antwort auf die dort bestehenden Nöte zu geben: Wer, wenn nicht er sollte das können? Man hat auf seinen Vorgänger vielfach nicht gehört, und es ist zu befürchten, dass man auch ihn oft und oft missachten wird, sogar wenn er mit Engelszungen redet. Das wird er dennoch tun, mit Engelszungen reden: Dieser Papst Benedikt XVI. wird niemals grob oder autoritär vorgehen. Er wird, wie er es bisher ja auch gemacht hat, den Anspruch der Wahrheit selbst in den Vordergrund stellen, jener Wahrheit, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt, wie es in dem Konzilsdokument Dignitatis humanae heißt.
Freilich, das schließt nicht aus, sondern sogar ein, dass er (wie seinerzeit etwa gegen Hans Küng) manchmal auch harte Entscheidungen wird fällen müssen, weil er in der Nachfolge Jesu steht, der von den von Ihm bestellten Hirten verlangt, sich den Wölfen zu stellen und nicht davon zu laufen. Aber dabei wird Benedikt XVI. der erste sein, der unter dieser notwendigen Härte leidet, und sein Motiv dabei wird der Gehorsam gegenüber Christus sein und die brennende Liebe zu den Brüdern und Schwestern, die er vor dem Irrtum bewahren will - sicher nicht der Wille zur Macht.
Joseph Kardinal Ratzinger war, so sagen die Insider des Vatikans, der engste Vertraute des verstorbenen Papstes. Er wird dort weitermachen, wo Johannes Paul II. aufgehört hat, zunächst beim Welt-Jugendtag in Köln und dann in allen anderen Bereichen, auf seine neue Art und Weise, aber im alten Sinn. Er hat es bereits angekündigt und versprochen. Man braucht nur zu hören, was der neuen Papst in seiner ersten Predigt sagte und wie bewusst er an seinen Vorgänger anschließen will: Ich fühle seine starke Hand, die meine hält. Ich spüre seine lächelnden Augen, glaube sie zu sehen und seine Worte zu hören, in diesem besonderen Moment wie an mich gerichtet: Hab keine Angst. Benedikt XVI. wird, er sagt es ausdrücklich, sich um die Feierlichkeit und Richtigkeit (!) der Liturgie bemühen, er wird die Ökumene weiterführen, der Jugend gilt seine besondere Liebe, und er will mit allen Menschen guten Willens den Dialog führen wie man sieht, es ist der Weg Johannes Paul II., den er weitergeht.
Mit den Kritikern kann man sagen: Ja, es gibt in der Kirche einen gewaltigen Reformstau, aber nicht in ihrem Sinne, sondern in Hinblick auf die innere Spaltung der Kirche, die die Glaubens-Lehre betrifft, wichtige Fragen der Moral und in jüngster Zeit sogar die Liturgie, das Heiligste der Kirche. Papst Benedikt XVI. sieht die Not dieser Spaltung, und er sieht, was zu tun ist. Alle Christen sollten mit ihm zusammen den Herrn der Kirche bitten, dem neuen Papst die Kraft für diese Reformen zu geben und die Mitarbeiter, die er dazu brauchen wird.
Papst Benedikt XVI. ist intelligent, er ist ein großer Theologe und einer, der sich im Dialog mit jedem Gegenüber messen kann. Aber er ist vor allem auch ein Mann des Glaubens. Ist das nicht selbstverständlich? Doch, das ist es, aber auch wieder nicht. Denn der Glaube Papst Benedikt XVI. ist so groß und so gefestigt, dass er geradezu kindliche Züge annehmen kann, ohne sich etwas zu vergeben. In seiner Predigt in der Totenmesse oder war es eine Auferstehungsfeier oder beides? - für den verstorbenen Papst Johannes Paul II. scheute sich der große Theologe Kardinal Joseph Ratzinger nicht zu sagen: Wir können sicher sein, dass unser geliebter Papst jetzt am Fenster im Hause des Vaters steht, uns sieht und uns segnet. Ja, segnen Sie uns, Heiliger Vater! Ein Papst des Glaubens, der Güte und der Wissenschaft, ein großer Theologe und dabei klein wie ein Kind der richtige Papst für die Kirche des 21. Jahrhunderts und für die ganze Welt.
Geleitwort für KIRCHE heute von Joseph Kardinal Ratzinger vom Jänner dieses Jahres:
Wie wenige andere Zeitschriften im deutschsprachigen Raum hat sich KIRCHE heute den Gedanken der Neuevangelisierung zum Leitwort gemacht. Diese Zeitschrift ist darum bemüht, sich den Herausforderungen der Gegenwart zu stellen und den Standpunkt der Kirche ansprechend und kompetent darzulegen. Im Gegensatz zu vielen anderen Publikationen werden die Aufbrüche und das Gute, das in der Kirche und durch sie geschieht, hier nicht verschwiegen.
Für den Aufbau der Zeitschrift und die langjährige Unterstützung gilt Albert Graf von Brandenstein-Zeppelin besonderer Dank. Anerkennung verdienen auch die Priester Thomas M. Rimmel und Erich M. Fink, die nunmehr die volle Verantwortung für die Zeitschrift übernommen haben Allen, die diese Publikation bisher unterstützt haben, ist zu danken,. und zugleich steht zu hoffen, dass sie durch die Hilfe großherziger Spender ihr Apostolat fortsetzen kann.
KIRCHE heute erhebt zu brennenden und unbequemen Themen die Stimme. Dies gilt etwa für Fragen des Lebensschutzes und der Förderung von Ehe und Familie. Hier hat sich vor allem Weihbischof Dr. Andreas Laun aus Salzburg mit seinen Beiträgen große Verdienste erworben. Gerade die neu eingeführte Programmbeilage für katholische Fernseh- und Radiosender beweist, wie sehr eine authentische und zeitgemäße Verkündigung des katholischen Glaubens das Charakteristikum für KIRCHE heute ist. Daher wünsche ich dieser Zeitschrift eine erfolgreiche Zukunft als Werkzeug, mit dem die Stimme der Kirche viele Menschen erreichen und die Gläubigen zu wahrer Erneuerung anspornen kann.
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