Login




oder neu registrieren?


Suche

Suchen Sie im kath.net Archiv in über 70000 Artikeln:







Top-15

meist-diskutiert

  1. Roma locuta - causa (non) finita?
  2. Armin Laschet (CDU) zur Coronapolitik: „Wir hätten unterschiedliche Meinungen anders anhören müssen“
  3. Good News in den USA: Tausende kommen zu eucharistischer Anbetung
  4. Werden Sie Schutzengerl für kath.net für mindestens 2024 und 2025!
  5. Als Johannes Paul II. und die Gottesmutter von Fatima den Kommunismus besiegten
  6. Staunen in Frankreich: Die Zahl jugendlicher Taufbewerber steigt massiv an
  7. Lebensschutzorganisation gibt Wahlempfehlung für Donald Trump
  8. Die protestantische Missbrauchsstudie entlarvt die Strukturthesen des Synodalen Wegs als unhaltbar
  9. Serie ‚Pauline’ erzählt Romanze zwischen einer 18-jährigen und dem Teufel
  10. Zweifel an Spekulationen um Predigt-Auslassung des Papstes
  11. Der Synodale Weg liegt an der Leine
  12. Neuer Nuntius in Italien sieht Religionsfreiheit im Westen bedroht
  13. 115-jährige Nonne: Gebet ist Erfolgsrezept für langes Leben
  14. Jüdischer Podcaster: Liturgiereform war ‚vielleicht ein großer Fehler’
  15. "Jesus ringt mit dem Vater. Er ringt mit sich selbst. Und er ringt um uns"

Weihbischof Losinger „‚Perfekter Mensch‘ tritt als Wunschvorstellung auf die Bühne der Biomedizin“

15. September 2020 in Prolife, 1 Lesermeinung
Druckansicht | Artikel versenden | Tippfehler melden


Ethikexperte warnt angesichts von „CRISPR/Cas“, „Genschere“, Reproduktionsmedizin, Präimplantationsdiagnostik (PID), Stammzellforschung und Klonen vor Medizin-Forschung ohne Tabus. Interview von Victoria Fels/Neue Bildpost/Katholische SonntagsZeitung


Augsburg (kath.net/Mediengruppe Sankt Ulrich Verlag) Der Beginn der Entschlüsselung des menschlichen Erbguts im September 1990 markiert eine Sternstunde der Wissenschaft. Forscher hoffen, mit den gewonnenen Erkenntnissen eine Reihe von Krankheiten bekämpfen zu können. Aus ethischer Sicht birgt dieses Wissen aber auch einige Gefahren, warnt der Augsburger Weihbischof und Ethikexperte Anton Losinger im Exklusiv-Interview mit Neue Bildpost/Katholische SonntagsZeitung

Neue Bildpost/Katholische SonntagsZeitung: Herr Weihbischof, wie bahnbrechend war der Beginn der Erbgut-Entschlüsselung im September 1990?

Weihbischof Anton Losinger: Man muss etwas weiter ausholen. Als Francis Crick und James Watson im Jahr 1953 die Doppelhelix – und damit die Grundstruktur des Erbguts lebender Organismen – entdeckten, war eines der größten Geheimnisse der modernen Wissenschaftsgeschichte gelüftet. Dafür gab es zu Recht den Nobelpreis.

Das renommierte Wissenschaftsmagazin „Nature“ bezeichnete die Arbeit von Crick und Watson als das größte Ereignis der Biologie seit Darwins Evolutionstheorie. In einer kleinen Skizze von gerade 900 Wörtern hatten die beiden Forscher dem Molekül des Lebens Gestalt gegeben: der genetischen Substanz, die jedem Organismus, von der Pflanze bis zum Tier, innewohnt und seine Erbinformation speichert.

Die zweite Stufe der „lebenswissenschaftlichen Rakete“ wurde vom US-Amerikaner John Craig Venter gezündet. Seinem Unternehmen gelang das Humangenomprojekt, das ehrgeizige Ziel der Aufschlüsselung des menschlichen Genoms. Damit eröffnete er ein weites Feld praktischer biologischer, gentechnischer und medizinischer Anwendungen. Gentechnik-Unternehmen schossen seither wie Pilze aus dem Boden.

Neue Bildpost/Katholische SonntagsZeitung: Wie ging es dann weiter?

Losinger: Eine dritte „Raketenstufe“ in der Eroberung des biogenetischen Weltalls hängt mit dem etwas kryptischen Begriff „CRISPR/Cas“ zusammen. Es sind die nobelpreisverdächtigen Forschungen um die sogenannte Genschere, mit der in bisher nicht gekannter Präzision gezielt und geplant Genveränderungen durchgeführt werden können. Mit der Entdeckung der genetischen Struktur und Funktionsweise der Erbinformation lebender Organismen wurde somit der Grundstein für den kometenhaften Aufstieg der Lebenswissenschaften, speziell der Zellforschung und Gentechnik, gelegt.



Neue Bildpost/Katholische SonntagsZeitung: Welche medizinischen Bereiche entwickelten sich auf der Grundlage der neuen Erkenntnisse?

Losinger: Die Reproduktionsmedizin, speziell die In-vitro-Fertilisation (IVF), also künstliche Befruchtung. Aber auch die Präimplantationsdiagnostik (PID), die embryonale und adulte Stammzellforschung sowie medizinisches und reproduktives Klonen.

Ein erklärtes Forschungsziel ist die genetische Optimierung lebender Organismen. Diese Forschung ist einerseits verbunden mit ungeheuren Versprechungen an biologischen, medizinischen und gentechnischen Entwicklungsmöglichkeiten und Heilverfahren. Der „perfekte Mensch“ tritt als Wunschvorstellung auf die Bühne der Biomedizin.

Neue Bildpost/Katholische SonntagsZeitung: Das klingt, als arbeite der Mensch darauf hin, die bislang gegebenen Grenzen der Medizin weit zu überschreiten ...

Losinger: Der dramatische Fortschritt ist zugleich ein gefährlicher Abgrund. Im Kontext der rasanten Entwicklung der Lebenswissenschaften geht es um nicht weniger als die grundlegenden Fragen von Lebensrecht und Menschenwürde.

Wie gehen wir damit um, dass die Möglichkeiten genetischer Analyse und Therapie die Optimierung des Menschen erlauben, aber gleichzeitig auch Selektion und Zerstörung des Menschen mit Gendefekten ermöglichen? Der „perfekte Mensch“ steht so auf einmal neben dem gentechnisch bedrohten Menschen.

Wer bereit ist, PID und damit umfassende genetische Untersuchungsmethoden am Lebensanfang zu befürworten, an deren Ende mit geradezu zwingender Logik die Verwerfung des gendefekten Lebens steht, der muss sich auch darüber klar werden, welches Bild des Menschen mit Behinderung dadurch vermittelt wird.

Die Statistiken bestätigen, dass derzeit über 90 Prozent der Eltern nach der genetischen Diagnose Trisomie 21/Down-Syndrom einen Schwangerschaftsabbruch einer Geburt vorziehen. Wenn die flächendeckende Kassenfinanzierung des sogenannten Pränatests eine „genetische Rasterfahndung“ nach Trisomie 21 erlaubt, wird Behinderung – wie es der kürzlich verstorbene Professor Eberhard Schockenhoff in der Debatte des Deutschen Ethikrats zuspitzte – über kurz oder lang zu einem annähernd sicheren tödlichen Kriterium.  

Neue Bildpost/Katholische SonntagsZeitung: Wie passt diese wissenschaftliche Entwicklung zu gesellschaftlichen Bestrebungen nach mehr Teilhabe für Menschen mit Behinderung?

Losinger: Im Zeitalter einer breiten gesellschaftlichen Inklusionsdebatte liegt darin ein tiefer Widerspruch. Einerseits fordern wir im Sinne der Inklusion, dass Menschen mit Handicap in die Mitte der Gesellschaft müssen – ein klares Bekenntnis der UN-Behindertenrechtskonvention. Andererseits aber befürworten wir genetische Verfahren, in deren Anwendung dieses Leben keine Chance hat.

Es wäre höchste Zeit, im Blick auf allerneueste Entwicklungen im Bereich der Biotechnik, der Potenziale der digitalen genetischen Diagnostik, mit der in nicht allzu ferner Zukunft therapeutisches und reproduktives Klonen möglich werden könnte, sowie der Etablierung der Genschere eine neue Debatte darüber zu eröffnen. Schließlich geht es um die Würde und das Lebensrecht des Menschen – in allen Phasen seines Lebens.

Neue Bildpost/Katholische SonntagsZeitung: Wie steht die Deutsche Bischofskonferenz zu diesem Thema?

Losinger: Im Jahr 2001 veröffentlichten die Bischöfe ein Dokument mit geradezu prophetischem Charakter: „Der Mensch, sein eigener Schöpfer? Zu Fragen von Gentechnik und Biomedizin.“

Die Bischöfe beginnen darin mit einer sehr nüchternen Situationsanalyse: „Wir rechnen damit, dass die Möglichkeiten der Lebenswissenschaften an den Grundwerten unserer Gesellschaft rütteln. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie die durch die Lebenswissenschaften eröffneten neuen Möglichkeiten zum ganzheitlichen Wohl des Menschen genutzt werden können und wie ihr Missbrauch wirksam verhindert werden kann.“ Ebenso steht darin: „Wir warnen davor zu glauben, diese Fragen mit Hilfe von Mehrheitsentscheidungen klären zu können. Menschenwürde ist nicht disponibel, sie liegt der staatlichen Gewalt voraus und bindet sie.“

Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an den Würdebegriff unseres Grundgesetzes: Der Wert menschlichen Lebens, von seinem Anfang bis zu seinem Ende, gehört zu jenen Vorgegebenheiten, über die nicht demokratisch abgestimmt werden kann.

Neue Bildpost/Katholische SonntagsZeitung: Wie kann man verhindern, dass das Machbare die Oberhand über die Würde erlangt?

Losinger: Die erste Empfehlung ist eine Forderung an die Ökonomie. Das Stichwort Kommerzialisierung vieler Lebensbereiche ist omnipräsent, wenn die Bischöfe schreiben: „Es muss deutlich werden, dass ökonomische Gründe nicht hinreichen, um bestimmter ethisch nicht vertretbarer Forschung oder ethisch problematischen Verfahren zum Durchbruch zu verhelfen. Hinter mancher gentechnischen Forschung und Entwicklung verbergen sich zuweilen massive wirtschaftliche Interessen, die zu einer industriellen Nutzung des Menschen führen können.“

Die zweite Empfehlung richtet sich an die Wissenschaft: „An die Forscher in diesem Bereich ergeht der Appell, dass sie den Menschen dienliche Perspektiven nicht aus den Augen verlieren. Zur Verantwortung des Forschers gehört es, dass er die Chancen und Risiken seines Forschungsgegenstands verantwortungsbewusst überprüft, einer sorgsamen Folgenabschätzung unterzieht und über sein Tun gewissenhaft Rechenschaft gibt.“ Rechenschaft der Wissenschaft also vor dem Gesetz und auch vor der Allgemeinheit, für die sie letztlich arbeitet und forscht, und stets eine sorgsame Technikfolgenabschätzung.

Schließlich geht eine dritte Empfehlung an die Politik: „Das Parlament ist gefordert, durch entsprechende Gesetze der Komplexität, den Risikodimensionen, den Zukunftswirkungen und den ethischen Implikationen, nicht nur der Gentechnik, sondern insgesamt, der digitalisierten Welt der Zukunft gerecht zu werden.“

Neue Bildpost/Katholische SonntagsZeitung: Was wäre, wenn man der Forschung einfach ihren Lauf ließe und alles erlauben würde, was machbar ist?

Losinger: Dazu fällt mir einer meiner persönlichen Leitsätze ein. Wir verdanken ihn dem hochdekorierten Physiker, Nobelpreisträger und Entdecker der Relativitätstheorie, Albert Einstein. Er prägte um die Mitte des zurückliegenden 20. Jahrhunderts im Blick auf die Nutzung der Kernenergie dieses Wort: „Der Mensch lebt heute technisch im Atomzeitalter, aber ethisch in der Steinzeit.“ Hier wird geradezu visionär deutlich, was die Frage bedeutet: Dürfen wir alles, was wir können? Wo die Kluft zwischen dem, was wir wissenschaftlich-technisch können, aber ethisch nicht verantworten, eine unbeherrschbare Dimension erlangt, wird es für die Menschheit wirklich gefährlich.

 


Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal!

 





Lesermeinungen

 Winrod 15. September 2020 
 

Unerträgliche Schizophrenie der Moderne:

einerseits die hochgejubelte Inklusion und andererseits der genbereinigte "neue Mensch".


1
 

Um selbst Kommentare verfassen zu können müssen Sie sich bitte einloggen.

Für die Kommentiermöglichkeit von kath.net-Artikeln müssen Sie sich bei kathLogin registrieren. Die Kommentare werden von Moderatoren stichprobenartig überprüft und freigeschaltet. Ein Anrecht auf Freischaltung besteht nicht. Ein Kommentar ist auf 1000 Zeichen beschränkt. Die Kommentare geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
kath.net verweist in dem Zusammenhang auch an das Schreiben von Papst Benedikt zum 45. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel und lädt die Kommentatoren dazu ein, sich daran zu orientieren: "Das Evangelium durch die neuen Medien mitzuteilen bedeutet nicht nur, ausgesprochen religiöse Inhalte auf die Plattformen der verschiedenen Medien zu setzen, sondern auch im eigenen digitalen Profil und Kommunikationsstil konsequent Zeugnis abzulegen hinsichtlich Entscheidungen, Präferenzen und Urteilen, die zutiefst mit dem Evangelium übereinstimmen, auch wenn nicht explizit davon gesprochen wird." (www.kath.net)
kath.net behält sich vor, Kommentare, welche strafrechtliche Normen verletzen, den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen, zu entfernen. Die Benutzer können diesfalls keine Ansprüche stellen. Aus Zeitgründen kann über die Moderation von User-Kommentaren keine Korrespondenz geführt werden. Weiters behält sich kath.net vor, strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.


Mehr zu







Top-15

meist-gelesen

  1. Werden Sie Schutzengerl für kath.net für mindestens 2024 und 2025!
  2. Oktober 2024 mit kath.net in MEDJUGORJE
  3. Fastenspende für kath.net - Vergelt's Gott!
  4. Kard. Müller: "Die Deutsch-Synodalen liegen völlig falsch, sind Opfer der eigenen Propagandatricks"
  5. Roma locuta - causa (non) finita?
  6. Zweifel an Spekulationen um Predigt-Auslassung des Papstes
  7. Der Synodale Weg liegt an der Leine
  8. Oasen in der Wüste. Von der ‚Volkskirche‘ zur ‚Gemeindekirche‘
  9. Als Johannes Paul II. und die Gottesmutter von Fatima den Kommunismus besiegten
  10. Good News in den USA: Tausende kommen zu eucharistischer Anbetung
  11. Serie ‚Pauline’ erzählt Romanze zwischen einer 18-jährigen und dem Teufel
  12. Die protestantische Missbrauchsstudie entlarvt die Strukturthesen des Synodalen Wegs als unhaltbar
  13. Staunen in Frankreich: Die Zahl jugendlicher Taufbewerber steigt massiv an
  14. Wacht und betet!
  15. Neuer Nuntius in Italien sieht Religionsfreiheit im Westen bedroht

© 2024 kath.net | Impressum | Datenschutz