Solange die Verheißung gilt

30. Jänner 2005 in Spirituelles


"Der Ablass ist ein so großes Gnadengeschenk der Barmherzigkeit Gottes , das wir nicht leichtfertig ausschlagen sollten" - Ein Beitrag von Franziskus von Ritter-Groenesteyn


Es ist eine prachtvolle Rüstung. Sein Träger ist mir durch das herunter geklappte Visier verborgen. Der Ritter kommt auf mich zu, bleibt vor mir stehen, öffnet langsam sein Visier - zwei uralttraurige Augen sehen mich an. Der Blick geht mir durch Mark und Bein und ich wache auf, noch zitternd.Der Traum läßt mir keine Ruhe mehr und anderntags blättere ich in der Familiengeschichte, denn es war mir im Traum als zeige sich ein Vorfahre. Und tatsächlich: Im Jahre 1216 werde ich fündig. Ein gewisser Gilles de Melun hatte möglicherweise das Pech zu früh zu sterben. Im Hundertjährigen Krieg auf der falschen Königs-Seite ereilte ihn und andere die päpstliche Exkommunikation! Und in diesem Zustand starb er dann - dummerweise kurz bevor die Exkommunikation wieder aufgehoben wurde.

Seit Fatima wissen wir, dass manche Seelen einen sehr langen Prozess der Läuterung durchlaufen. Sollte dieser Gilles etwa einer davon sein?Noch am selben Tag, im Jubeljahr 2000, erwerbe ich einen Ablass für ihn, sicher ist sicher, und traue meinen Ohren kaum, als ich den Priester in Tageslesung aus dem Psalm 49 sagen höre: "Doch Gott wird mich loskaufen aus dem Reich des Todes, ja er nimmt mich auf." Zufall? Mag sein.Der Katechismus lehrt uns: Wer in der Gnade und Freundschaft Gottes stirbt, aber noch nicht vollkommen geläutert ist, ist zwar seines ewigen Heils sicher, macht aber nach dem Tod eine Läuterung durch, um die Heiligkeit zu erlangen, die notwendig ist, in die Freude des Himmels eingehen zu können. Die Kirche nennt diese abschließende Läuterung ... Purgatorium (Fegfeuer) (KKK 1030 /1031)

In dieser Läuterung werden wir von dem befreit, was die katholische Kirche Sündenstrafen nennt. Sündenstrafen sind kein Akt göttlicher Rache sondern sie ergeben sich "aus der Natur der Sünde" (KKK 1472). Wenn ich die Hand auf die Herdplatte lege, werde ich mich verbrennen. Wenn ich zu lange in die Sonne schaue werde ich blind. Wenn ich bei Rot über die Ampel fahre, brauche ich mich nicht wundern, wenn es kracht. All dies sind die natürlichen Folgen meines Tuns. So ist eben auch die Sündenstrafe, die natürliche Folge der Sünde. Dazu muss man wissen, dass die Sünde eine doppelte Folge hat, zum einen beraubt sie uns der Gemeinschaft mit Gott, zum anderen hat sie schädliche Bindungen zur Folge. Ein Vergleich mag dies erläutern:
Nehmen wir an ich ärgere mich über jemanden weil er mir nicht zahlt, was er mir schuldet und ich töte ihn im Affekt.
Dieser Akt trennt mich von der Gemeinschaft mit Gott. Weil Gott uns liebt, möchte er uns aber wieder in seine Gemeinschaft aufnehmen. Deshalb erweckt der Heilige Geist in uns die Reue, die uns zur Sündenvergebung und zu neuer Gemeinschaft mit Gott führt und unseren Namen erneut im "Lebensbuch des Lammes" verzeichnet. Nur wenn ich Gottes Reue-Angebot nicht folge, wenn ich also, wie Jesus uns sagt, jemand bin, der den "Heiligen Geist lästert" (Mk 3,28), wird die Sünde auf ewig an mir haften und mich von Gott trennen.

Habe ich aber die Vergebung erlangt, den Erlass meiner Schuld, so bleibt dennoch die Folge meiner Tat bestehen: Der Tod eines Menschen! Diesen Tod kann ich nicht ungeschehen machen, aber ich kann einen Ausgleich dafür schaffen. Dieser Ausgleich vollzieht sich in der irdischen Welt durch Gefängnis und Geld und in der jenseitigen Welt durch die Reinigung von den sogenannten Sündenstrafen. Dies entspricht Gottes Gerechtigkeit, die weit größer ist als es menschliche je sein kann.Was für "große" Sünden gilt, gilt sogar für "lässliche". Jede Sünde hat diese doppelte Wirkung und macht uns "unrein" vor Gott.Bedenken wir, was uns Johannes in der Offenbarung dazu sagt: "Aber nichts Unreines wird hineinkommen (in den Himmel), keiner der Greuel verübt und lügt. Nur die, die im Lebensbuch des Lammes eingetragen sind, werden eingelassen." (Off 21,27)

Der Weg zur Reinheit und letztlich zum Himmel führt also grundsätzlich über den langwierigen Prozess der Läuterung, es sei denn, ja es sei denn wir können uns einen Ablass erwirken. "Der Ablass ist der Erlass einer zeitlichen Strafe vor Gott für Sünden ..."(KKK 1471) lehrt uns der Katechismus der katholischen Kirche und wir können ihn sowohl für uns als auch für bereits Verstorbene erwerben.

Vielleicht verstehen wir jetzt warum der Ablass ein so großes Gnadengeschenk der Barmherzigkeit Gottes ist, das wir weder für uns noch für verstorbene Mitmenschen leichtfertig ausschlagen sollten und vielleicht wünschen wir uns gerade jetzt diesen zu erwerben.Wie kommt uns da die neueste Initiative des Heiligen Vaters entgegen. Anlässlich des Jahres der Eucharistie bietet er uns erneut, wie schon im Jubeljahr 2000, die einmalige Chance, diesen Ablass täglich neu zu erwerben.

So heißt es in dem vom Papst approbierten und von der Apostolischen Pönitentiarie am 25.12.2004 erlassenen Schreiben, dass jedem Katholik, der im "Jahr der Eucharistie" an einer Anbetung vor dem Allerheiligsten teilnimmt, oder die Vesper oder die Komplet vor dem Tabernakel verrichtet und im Übrigen die allgemeinen Ablass-Voraussetzungen erfüllt, ein vollkommener Ablass zu gewähren ist. Die allgemeinen Ablass-Voraussetzungen sind: Zeitnahe Beichte, entschlossene Abkehr von jeder Sünde, Kommunionempfang und Gebet in der Meinung des Heiligen Vaters.

Was meinen Vorfahren angeht, so weiß ich ihn nunmehr auf Grund dieser kirchlichen Lehre in der Herrlichkeit Gottes. Gibt es also nichts mehr zu tun? Mitnichten. Was ist zum Beispiel mit all den Flutopfern die eine tödliche Tsunami-Welle völlig unvorbereitet aus der Mitte ihres Lebens gerissen hat? Was ist mit all den vergessenen Menschen aller Epochen? Wer wird sich ihrer annehmen, ihnen dabei helfen in die Herrlichkeit Gottes einzugehen, endlich in das "Land seiner Ruhe zu kommen" (Hebr 4,1)? Nutzen wir doch die Gunst der Stunde, die Chance zu tätiger Nächstenliebe und ergreifen die Hand Seiner Barmherzigkeit, "solange die Verheißung...gilt" (Hebr 4,1), "denn die Liebe deckt viele Sünden zu." (1 Petr 4,8)


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