Das stumme Puzzle des Glaubens

24. November 2004 in Spirituelles


Holz, Blut, Schweiß und Tücher: Sie helfen uns, die Scherben unseres Glaubens dauerhaft zu kitten. Von Franziskus von Ritter-Groenesteyn.


München (www.kath.net) Als der Apostel Thomas mit der freudig, ekstatischen Evidenz der Auferstehung Jesu in den leuchtenden Augen der anderen Apostel konfrontiert wurde, sprach er aus, was auch ein aufgeklärter Mensch des 21.Jahrhunderts hätte sagen können: „Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe ... und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“

Etwas von Thomas steckt wohl in jedem von uns. Zwar ist der Urglaube dem Menschen angeboren, doch der Glaube an die Dreifaltigkeit Gottes, an die Botschaft der liebenden Erlösung im Kreuzestod, da stoßen wir doch deutlich an unsere vom Intellekt gezogenen Grenzen.

Der Urglaube, also zu glauben, dass mir nichts passiert, wenn ich mich schlafen lege oder aufstehe, wenn ich gehe oder esse – weiß ich doch nie, ob mir nicht im nächsten Moment ein Ziegelstein auf den Kopf fällt, das Essen verträglich ist, oder ich überfallen und beraubt werde, das kann ich nicht wissen, das kann ich nur (hoffend) glauben – ist etwas lebenserhaltend Einfaches und es vollzieht sich mehr oder weniger unterbewusst.

Der Glaube an Gott dagegen ist ein bewusster Akt, den ich mit meinem Willen setzen muss. Und dieser Akt fällt uns öfter als oft so schwer wie Thomas. Wenn nicht das Wort, das uns zum Glauben anhält, von Zeichen – im Prozessrecht würde man von Indizien sprechen – begleitet ist, weigern wir uns zu glauben. Aber selbst dann tun wir uns noch schwer.

Der, der uns erdacht und erschaffen hat, er weiß wohl um die Glaubensschwäche seiner Geschöpfe und scheint dem Rechnung zu tragen zu wollen indem er Evidenzia, stumme Zeugen des Glaubens (an Gott und sein Wirken) auf der ganzen Welt wie Teile eines Puzzles verstreut hat. Ein Puzzle, das sich nunmehr nach 2000 Jahren zu einem neuen Ganzen fügt und gleichsam unter der strengen Observanz neuentwickelter wissenschaftlicher Methoden dazu angetreten ist, die Scherben unseres in die Jahre gekommenen Glaubens dauerhaft zu kitten.

Ein schalgewordener Glaube, der durch die Entdeckung der historisch-kritischen Methode moderner Exegese uns dazu verleiten möchte, den Gehalt biblischer Aussagen an die Form ihrer Entstehung zu verlieren, oder anders ausgedrückt: Eine Herangehensweise, die uns dazu auffordert, der Kaffeetasse, ihrer Form- und Farbgestaltung, der Konsistenz ihrer Keramik, ja sogar der Vita ihres Künstlers, mehr Beachtung zu schenken, als dem Kaffee selbst, der darin duftend sein köstliches Aroma verbreitet und uns flehentlich bittet, ihn doch endlich zu trinken, ihn zu genießen, bevor er schal und abgestanden schmeckt.

Denn erst dann würde so manch aufgeklärter Theologe unserer Zeit uns erlauben ihn zu trinken. Kann es da noch verwundern, wenn man dann, mehr oder weniger von der Suche nach Wahrheit dazu getrieben, vom ehemals überzeugten Kaffeetrinker zum Multivitamin-Gourmet mutiert?

Dabei ist, wenn man den Kaffee für bare Münze nimmt, sprich den biblischen Überlieferungen Glauben schenken möchte, nichts vielfältiger und wohlschmeckend aufregender als der Gang Gottes mit seinem Volk durch die Geschichte menschlicher Existenz.

Nehmen wir zum Beispiel die Sintflut. Vom Intellekt unserer aufgeklärten Zeit in die Ecke der Legenden gedrängt, bohrt sich ein Stein des Anstoßes – die Evidenz des Es-ist-wie-es-war – immer wieder in unsere vom Rationalismus geprägte Gegenwart: 1840 erstmals entdeckt, 1916 erstmals fotografiert und mittlerweile vom türkischen Kampfjet und dem Satelliten Quick Bird mehrfach geortet, zeichnen sich auf dem höchsten Berg des türkischen Kaukasus die Reste eines Schiffskörpers biblischen Ausmaßes ab: So lang wie ein Fußballfeld und ungefähr halb so breit gibt das ewige Eis des 5200 Meter hohen Berges Ararat nunmehr viele tausend Jahre später ein Geheimnis preis dessen Ursprung in die Anfänge biblischer Überlieferung zurückzureichen scheinen.

Jemand, der es genau wissen will, der Unternehmer Daniel McGivern, der wissen will ob dies die Arche Noah sein könnte – welches andere Schiff käme dafür auch in Frage - ist nun unterwegs dorthin, hinauf in eine Höhe, die sich menschlicher Transporttechnik verschließt und nur noch wie seit je per Pedes ad astra erreichbar ist „um alles zu fotografieren und zu dokumentieren“ was sich dort dem Auge eröffnen wird. Was wird er finden? Die Evidenz des Alten Bundes? Dampfenden, quasi wieder erstandenen Kaffee?

Oder nehmen wir die Indizien, den Tee des Neuen Bundes. Tee ist uns vielleicht näher als Kaffee. Nein, ich spreche nicht von jenen mehr als 5000 Urkunden erster und zweiter Stunde unserer Glaubensentstehung, die man in den Archiven dieser Welt einzusehen vermag. Nein, ich spreche von Holz, Blut, Schweiß und Tüchern, welche die Jahrhunderte mehr oder weniger unbeschadet – an sich das schon ein Wunder - überdauert haben.

Es ist eine historische Tatsache, dass 191 Jahre lang die Kreuzigungsstätte, der Schädelhügel - von römischer Hand an einen Viel-Gott-Glauben per kaiserlichem Dekret von Kaiser Hadrian im Jahre 135 nach Christus verdrängt – unter den massiven Pflastersteinen einer eilends darüber errichteten Prachtstraße einer noch prächtigeren Stadt römischer Provenienz, Aelia Capitolina, aus dem Gedächtnis der Menschheit ein für alle mal gelöscht werden sollte. Doch was ist geschehen? Ging die Erinnerung an die Passion und die auferstehende Botschaft des Neuen Bundes für immer verloren, so wie von Hadrian erhofft? Mitnichten.

Viele Generationen später ist der Glaube noch immer lebendig und im Jahre 326 nach Christus schließlich bewegt Bischof Makarios von Jerusalem den ersten christlichen Kaiser Constantin zu einem der größten archäologischen Abenteuer und äußerst kostenintensiven Projekte seiner Zeit: Die Suche nach dem verschollenen Heiligen Grab. Eine Suche die sich städtebaulich auswirkte, musste man doch das römische Aelia Capitolina darüber entvölkern und Stein für Stein abtragen.

Fast könnte man vom Berge versetzenden Glauben sprechen. Was man fand ist hinlänglich bekannt: Das Kreuz und die Nägel und das Grab. Alles verborgen in einer Zisterne unter 30 Meter tiefem Schutt scheinbar für immer gegraben in den Flanken des eingeebneten Golgotahügels. Kreuz und Nagel, beides kann man noch heute zu Rom in der Basilika Santa Croce de Gerusalemme eingehend würdigen.

Lohn archäologischer Vision von einst.Wem das nicht genügt, der sei auf jenes Festtafel-lange Tuch verwiesen, dem sich neben Brandspuren verschiedener Jahrhunderte auch ein hauchzartes Negativ eines männlichen Körpers quasi in einer flüchtigen Berührung eingeprägt hat – nur die obersten Fasern sind verfärbt – und dessen Tuch-durchdringendes Blut vom qualvoll langsamen Sterben am Holz der Schande kündet. „Juden ein Ärgernis, Heiden eine Torheit uns aber“ die Heilsbotschaft einer jedes menschliche Maß übersteigenden Liebe. Eine Heilsbotschaft, die das Tuch zu durchdringen scheint, haben doch jüngste fotooptische Forschungen von Professor Fanti und Roberto Maggiolo ein identisches, wenn auch schwächeres Abbild auf der Rückseite des Tuches zu Tage gefördert.

Darin verborgen womöglich der Hinweis auf die trinitarische Existenz unseres Gottes, erschließt sich doch einem aufmerksamen Betrachter ein weiteres (lachendes), wenn auch kleineres, Gesicht auf Augenhöhe und angesiedelt in der linken oberen Gesichtshälfte des berühmten großen Gesichts, dessen Schönheit und Würde sich erst im fotografierten Positiv erschließt. Und dieses kleinere, lachende Gesicht läßt unwillkürlich an das Auge denken, als dem Sitz der Weisheit, und was ist die weniger als der Geist Gottes selbst!

Doch dieses Tuch, dessen Ursprung wohl aus Gründen des den Finger-Nicht-in die Wunde-legen-Wollens von einigen wenigen Wissenschaftlern auf einer internationalen Pressekonferenz 1988 (Prof.E.Hall, Dr.M.Tite und Dr.R.Hedges) mit Hilfe der sogenannten C14 Methode jünger gemacht wurde als es Pollenfunde (Dr. Frei) und historische Urkunden (Codex Prey) sattsam als acheiropoeitos, als nicht von Menschenhand gemacht, dokumentieren, ist nicht das einzige Beweisstück, das den langen Weg in unsere Gegenwart überdauert hat.

Im spanischen Oviedo wird seit dem 7. Jahrhundert ein kleineres Tuch verehrt, das Soudario, nicht so spektakulär, wie das leinene Gewebe aus Turin, aber genauso blutdruchtränkt wie sein großer Bruder, ist es doch die gleiche Blutgruppe, nämlich AB, die sich ihm so dauerhaft eingeprägt hat. Heute wissen wir aus Untersuchungen des gerichtsmedizinischen Instituts in Madrid, dass es sich wohl um jenes Soudarion, Schweißtuch, handelt, von denen der Apostel Johannes im Johannes Evangelium 20,5 berichtet. Ein Tuch, das mehrfach gefaltet das Gesicht des Toten verhüllte, ganz der jüdischen Sitte verpflichtet und - so ergaben die Untersuchungen von Dr. Alan Whanger - dessen Wunden mit denen des Turiner Grabtuchs verblüffend übereinstimmen.

Wem das noch nicht genügt, der möge in das norditalienische Lanciano fahren und sich jenes Gefäß zeigen lassen, dessen – sich vor seinen Augen verwandelnder – Inhalt einst einen Mönch im 8. Jahrhundert den Glauben an die eucharistische Gegenwart „dies ist mein Leib, dies ist mein Blut“ wiederzuschenken vermochte. Auch jene noch heute vorhandenen Relikte hat man wissenschaftlich präzise analysiert (Prof. Odoardo Linoli), das Ergebnis auch hier: Blut der Blutgruppe AB und das Fleisch eines menschlichen Herzmuskels. Und hören wir da nicht mit den Ohren von Thomas erneut das Wort des Auferstandenen an uns, die ewigen Zweifler: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ Joh 20,29.

(c) Franziskus von Ritter-Groenesteyn. Der Autor ist Volljurist, tätig in der internationalen Filmfinanzierung und Drehbuchautor.


© 2004 www.kath.net