Die Tugend - ein Habitus der Freiheit

13. März 2024 in Aktuelles


Franziskus: immer mehr dem Bild Gottes entsprechen, nach dem der Mensch geschaffen wurde. Die Gnade geht unserem moralischen Engagement immer voraus. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Im Übrigen, Brüder und Schwestern: Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht! Und was ihr gelernt und angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut! Und der Gott des Friedens wird mit euch sein“ (Phil 4,8-9).

„Beginnen wir unsere Reise durch die Tugenden, in diesem ausgeglichenen Universum, das herausfordernd, aber entscheidend für unser Glück ist“.

Zehnte  Generalaudienz des Jahres 2024. Papst Franziskus setzte seine Katechesenreihe zum Thema der Tugenden und Laster fort. Der Papst befasste sich in der elften Katechese mit dem der Tugend gemäßen Handeln.

Im Anschluss an die Katechesen über die Laster ging Papst Franziskus so zum Thema der Tugenden über. Im Katechismus der Katholischen Kirche sei zu lesen: „Die Tugend ist eine beständige, feste Neigung, das Gute zu tun“ (Nr. 1803). Der tugendhafte Mensch habe sich in das gute Handeln eingeübt und eine Haltung erworben, die ihn dazu bereit machte, in den unterschiedlichsten Situationen in Freiheit stets das Gute zu wählen.

Damit wir die Tugenden erlangen und in ihnen wachsen könnten, seien wir auf die Gnade Gottes angewiesen, die unserem Mühen vorausgehe und es zur Vollendung führe. So könne der Mensch immer mehr dem Bild Gottes entsprechen, „nach dem er geschaffen wurde, wie es uns das Beispiel der Heiligen auf eindrückliche Weise zeigt“.

Die römischen Philosophen hätten von der „virtus“ gesprochen, die griechischen von „aretè“. Der lateinische Begriff unterstreiche vor allem, dass der tugendhafte Mensch stark, mutig, zu Disziplin und Askese fähig sei. Die Ausübung der Tugend sei also die Frucht einer langen Keimung, die Anstrengung und sogar Leiden erfordert. Das griechische Wort „aretè“ hingegen bezeichne etwas, das sich auszeichne, etwas, das hervorsteche, das Bewunderung hervorrufe. Der tugendhafte Mensch sei also derjenige, der sich nicht seiner Natur entgegenstelle, indem er sich verforme, sondern der seiner Berufung treu sei und sich selbst voll verwirkliche.

Wir wären auf dem Holzweg, wenn wir dächten, die Heiligen seien Ausnahmen von der Menschheit: eine Art enger Kreis von Meistern, die jenseits der Grenzen unserer Gattung lebten. In der eigentlichen Perspektive seien die Heiligen vielmehr diejenigen, die ganz sie selbst seien, die die jedem Menschen eigene Berufung verwirklichten.

„Was für eine glückliche Welt wäre es, wenn Gerechtigkeit, Respekt, gegenseitiges Wohlwollen, Aufgeschlossenheit und Hoffnung die gemeinsame Normalität wären und nicht nur eine seltene Anomalie!“, so Franziskus. Deshalb sollte das Kapitel über tugendhaftes Handeln in diesen dramatischen Zeiten, in denen wir uns oft mit dem Schlimmsten im Menschen auseinandersetzen, von allen wiederentdeckt und praktiziert werden. In einer entstellten Welt müssten wir uns an die Form erinnern, in der wir geformt wurden, an das Bild Gottes, das für immer in uns eingeprägt sei.

Der Katechismus der Katholischen Kirche biete eben dazu die präzise und prägnante Definition. Es handle sich also nicht um ein improvisiertes und etwas zufälliges Gut, das episodisch vom Himmel falle. Die Geschichte lehre uns, dass selbst Verbrecher in einem Moment der Klarheit gute Taten vollbracht hätten. Sicherlich seien diese Taten im „Buch Gottes“ verzeichnet, aber die Tugend sei etwas anderes.: „Sie ist ein Gut, das aus einer langsamen Reifung der Person hervorgeht, bis es zu einer inneren Eigenschaft wird. Die Tugend ist ein Habitus der Freiheit“. Wenn wir in jeder Handlung frei seien und jedes Mal, wenn wir aufgefordert seien, zwischen Gut und Böse zu wählen, sei die Tugend das, was uns befähige, eine beständige, feste Neigung zur die richtige Wahl zu haben.

Für den Christen bestehe die erste Hilfe in der Gnade Gottes. Der Heilige Geist wirke in der Tat in uns Getauften, er wirke in unseren Seelen, um sie zu einem tugendhaften Leben zu führen: „Wie viele Christen sind über Tränen hinweg zur Heiligkeit gelangt, als sie feststellten, dass sie bestimmte Schwächen nicht überwinden konnten. Doch sie haben erfahren, dass Gott das gute Werk vollendet hat, das für sie nur eine Skizze war“. Die Gnade gehe unserem moralischen Engagement immer voraus.

Wir dürften nie die reiche Lehre aus der Weisheit der Alten vergessen, die uns sage, dass Tugend wächst und kultiviert werden kann. Damit dies geschehe, sei die erste Gabe des Geistes, um die man bitten müsse, eben die der Weisheit: „Der Mensch ist kein freies Territorium für die Eroberung von Vergnügungen, Emotionen, Instinkten, Leidenschaften, ohne etwas gegen diese manchmal chaotischen Kräfte, die ihn bewohnen, tun zu können. Eine unschätzbare Gabe, die wir besitzen, ist die Offenheit, die Weisheit, die es versteht, aus Fehlern zu lernen, um das Leben gut zu gestalten“. Dann brauchten wir den guten Willen: die Fähigkeit, das Gute zu wählen, uns durch asketische Übungen zu bilden und Exzesse zu meiden.

Die Pilger und Besucher aus dem deutschsprachigen Raum grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Liebe Brüder und Schwestern deutscher Sprache, vergessen wir nicht, dass der Herr selbst uns auf dem Pfad der Tugenden begleitet. Vertrauen wir also auf seine Hilfe, damit wir in dieser Welt das Gute verbreiten können, dessen sie so sehr bedarf.

Die Pilger und Besucher aus Polen grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Ich grüße die Polen ganz herzlich. In diesen dramatischen Zeiten, in denen wir oft mit dem Schlimmsten im Menschen konfrontiert werden, ist es notwendig, wieder zu entdecken, wie wichtig es ist, in uns eine gewohnheitsmäßige und feste Bereitschaft zu pflegen, Gutes zu tun. Lernt dies von euren Heiligen und sucht die Hilfe der Gnade Gottes. Ich segne euch von Herzen.

Foto (c) Vatican Media

 


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