„Ein Zeuge der Wahrheit, der Freude und des Lebens“

27. Februar 2024 in Chronik


Zum Tode des emeritierten Kölner Weihbischofs Klaus Dick - „Dass sein Freund Joseph Ratzinger auf die Cathedra Petri gerufen wurde, zählte für Klaus Dick zu den größten Geschenken in seinem Leben.“ Ein Nachruf seines engen Vertrauten Martin Lohmann


Köln (kath.net) Er selbst würde wohl abwinken und sein Gesicht humorvoll etwas verziehen, würde man ihn einen großen Seelsorger nennen. Doch diejenigen, die ihn als eben diesen erlebten, haben keinen Zweifel daran: Klaus Dick war bis in die letzte Zelle seines Wesens immer ein leidenschaftlicher Mann der Seelsorge, der Güte und der Wahrheit. Unermüdlich war er für die Menschen da. Bis ins hohe Alter verkündete er die Frohe Botschaft, das Evangelium, in unerschütterlicher Treue und Freude.

Ob als Kaplan, Studentenseelsorger, Direktor in der Priesterausbildung, Pfarrer oder Weihbischof in Köln: Er lebte mit unaufdringlicher, aber ansteckender Begeisterung und aus der Fülle der theologischen Bildung ein klares Bekenntnis zu Gott in der ehrfürchtigen Liebe zum menschgewordenen Gottessohn. Sein bischöflicher Wahlspruch „Obsecramus pro Christo – Wir bitten an Christi statt“ wurde von ihm vollumfänglich gelebt. Bei jeder Begegnung konnte man spüren: Da lebt und wandelt jemand aus der in Herz und Seele erkannten Fülle des Seins, das sich aus der Gewissheit der selbstverständlichen Glaubenserkenntnis speist, Kind Gottes zu sein. Klaus Dick strahlte dieses unerschütterliche Vertrauen, als Mensch ganz real und wirklich zur Erlösung berufen zu sein, aus und reichte die daraus erwachsende Freude ohne jede Versuchung zur Oberflächlichkeit gerne weiter. Sein bischöflicher Wahlspruch aus dem 2. Korintherbrief (5,20) wurde sein Lebensprogramm: Wir bitten Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!

Bis zum Ende seines irdischen Lebens lebte er auf als Beichtvater für viele, denen er die Güte des himmlischen Vaters in der liebevollen Vergebung greifbar zu machen verstand. Dass vor allem junge Menschen den Weg zu diesem bischöflichen Seelsorger fanden, denen er ein wissens- und bildungsreicher Begleiter auf dem Weg zum Glauben wurde, unterstreicht seine liebvolle Glaubwürdigkeit besonders. Klaus Dick redete nichts klein oder einfach weg, sondern nahm ernst. Immer. Aber er wusste eben auch als Treuhänder des Herrn, dass die Sakramente, wie er einmal sagte, „das vorgegebene, gesicherte Handeln Gottes an uns“ sind. Und ebenso war er davon überzeugt: „Ich darf nicht etwas tun, was der liebe Gott nicht tut. Gott tut nicht zwingen.“ Und das tat sein Diener Klaus Dick auch niemals. Aber er lud ein, verwies auf das Herz des Gottessohnes und die Herzensgröße der Gottesmutter Maria, in der er eine ebenso unermüdliche wie verständnisvolle Fürsprecherin erkannte.

Geprägt wurde der am 27. Februar 1928 in Köln-Ehrenfeld geborene und am 25. Februar 2024 in Köln-Lindenthal Verstorbene zunächst in einem bildungsstarken Elternhaus, in dem der Glaube etwas ganz Selbstverständliches war. Vater und Mutter waren beide promoviert. Aufgrund der politischen Verhältnisse und des Zweiten Weltkrieges hatte er, wie der spätere Bischof es einmal formulierte, eigentlich keine Jugend und keine Gelegenheit, der wesentlichen Frage nach dem Sinn des Lebens auszuweichen. Er erkannte früh: Entweder, das was ich glaube, stimmt – oder aber es hat sowieso keinen Sinn. Seine für ihn so typische Klarheit, aus der sich eine liebenswürdige Sicherheit meldete, drückte er gerne nach solchen Mitteilungen mit einem fröhlichen Schmunzeln verbunden aus mit „Punkt. Aus. Ende.“

Klaus Dick entschied sich daher schon früh für den Glauben an Gott und das Leben in und aus Seiner Gegenwart. Seine Berufung wurde der Dienst am Menschen im Auftrag des göttlichen Herrn in geradezu unzerstörbarer Treue und Liebe, was sich auch und vor allem darin zeigte, dass er jeden Tag das heilige Messopfer feierte und dem eucharistischen Herrn voller Ehrfurcht begegnete. Einen „freien Tag“ für Priester konnte er nicht verstehen. „Eine Mutter oder ein Vater nimmt sich auch keinen freien Tag vom Mutter- oder Vatersein“, sagte er einmal. Und wenn man Priester sei, sei man es voll und ganz – und mache da keine Pause vom Wesentlichen.

Klaus Dick wurde am 24. Februar 1953 von Josef Kardinal Frings zum Priester geweiht, promovierte 1958 mit einer Arbeit über das Analogieprinzip bei John Henry Newman in München bei dem aus Köln stammenden Dogmatiker Gottlieb Söhngen, war Studentenpfarrer in Bonn, Direktor des Collegium Albertinum in Bonn und später Pfarrer an St. Michael in Bonn und St. Antonius in Wuppertal-Barmen. Papst Paul VI. ernannte ihn zum Weihbischof in Köln, wo er am 19. Mai 1975 von Joseph Kardinal Höffner  in Anwesenheit des greisen Konzilskardinals Josef Frings zum Bischof geweiht wurde. Er war Titularbischof des untergegangenen Bistums Guzabeta und war im Erzbistum Köln zuständig für den Pastoralbezirk Ost. Zudem war er Domdechant an der Hohen Domkirche. In unzerstörbarem Gottvertrauen, das er unzähligen Menschen weiterzureichen verstand, gab der Kölner Klaus Dick einen Tag nach seinem 71. Jahrestag der Priesterweihe und zwei Tage vor seinem 96. Geburtstag friedvoll am 25. Februar 2024 um 13 Uhr 40 sein Leben endgültig in die Hand des himmlischen Vaters zurück. An einem Tag des Herrn. Am Fastensonntag. An jenem Sonntag, an dem die Frohe Botschaft von der Verklärung des Herrn verkündet wird, den Klaus Dick so klar bekannte und so geistvoll verkündete.

Klaus Dick wurde vielen Menschen zu einem kostbaren Freund im irdischen Leben. Auch und gerade Joseph Ratzinger, seinem Studienfreund aus Münchner Tagen, mit dem ihn eine lichtvolle Freude in der Liebe zum Gottessohn verband. Dass sein Freund auf die Cathedra Petri gerufen wurde und als Petrusnachfolger Benedikt XVI. war, zählte für Klaus Dick, der nicht einmal im Traum an einen Disput mit dem vertrauten Weggefährten denken konnte, zu den größten Geschenken in seinem Leben. Nicht zuletzt in der Theologie waren sich beide stets einig. Aber auch und gerade in der Liebe zu einer mit Ehrfurcht gefeierten objektiven Liturgie, in der niemand anders die Mitte und der Einladende war als der Herr selbst. Wer beide in der Begegnung erlebte, konnte die zum Greifen nahe Herzensverbundenheit spüren und ein Cor ad Cor loquitur erahnen.

Von Klaus Dick, der seinen köstlichen Humor nie verlor und noch auf dem Sterbebett zu erkennen gab, dass er sich selbst nicht zu wichtig nahm, sondern vielmehr ganz aus der gesicherten Hoffnung auf die barmherzige Begegnung im Hause des Vaters lebte, gibt es viele Aussagen, die sein inneres Wesen und sein Denken erahnen lassen. Er relativierte nichts. Er war ein kluger Realist. Und jemand, der aus der Sicherheit des Glaubens lebte. „Die größte List des Teufels nach der Sünde ist die Unruhe“, sagte er einmal. Deshalb verhalf er vielen, die sein Vertrauen suchten, zu der Kraft, dieser List des Satans zu widerstehen.

Wer Klaus Dick aus theologischen Debatten kannte, denen er schon als Studentenpfarrer nicht auswich wie etwa in einem kontroverstheologischen Kreis in Bonn, wusste auch, dass er die Kunst des Dialogs beherrschte. „Wenn es eine vorkonziliare und eine nachkonziliare Kirche gibt, dann macht Kirche keinen Sinn. Dann hat es Kirche nie gegeben“, ist eine für den sauber theologisch Argumentierenden typische Aussage. Aber auch jene, die der einstige Vorsitzende der Ökumenischen Bistumskommission mit einem rheinischen Schmunzeln ein Jahr vor seinem Heimgang machte, und die eben auch zu seinem ehrlichen Charakter gehört: „Wenn der Reformator Luther sich allein auf die Heilige Schrift beruft („sola scriptura“), dann irrt er. Denn dann hätten die Apostel gar nicht glauben können, weil zu deren Zeit es noch keine Heilige Schrift gab.“

Klaus Dick meinte es niemals böse oder verletzend. Aber er regte stets an zum Denken und Klären. Vor allem aber war er eine lebendige Einladung zur Suche nach der Wahrheit. Der bischöfliche Wahlspruch seines Freundes Joseph Ratzinger, den sich dieser als Erzbischof von München und Freising wählte, war wohl auch ein gelebtes Motto für Klaus Dick: Cooperatores Veritatis – Wir sind Mitarbeiter der Wahrheit. Klaus Dick verkörperte das „Bitten an Christi statt“ ebenso wie die Einladung, sich durch die Begegnung mit der Wahrheit zur Freiheit führen zu lassen. Der friedvolle Ausdruck, der sich auf das Gesicht des Heimgegangenen legte, scheint wie ein Siegel der Bestätigung zu sein. Klaus Dick war ein Zeuge der Wahrheit, der Freude und des Lebens. Viele, die für sein segensreiches Wirken dankbar sind, wissen jetzt auch um einen starken und unerschrockenen weiteren Fürsprecher im himmlischen Jerusalem.  

R.I.P.
Deo gratias.

Dr. h.c. Martin Lohmann ist Theologe, Historiker und Publizist. Er war mit Bischof Dr. Klaus Dick ein Leben lang vertraut und wurde von diesem in Glaube und Theologie geprägt. 1962 empfing er als Fünfjähriger vom damaligen Studentenpfarrer Dick die Erstbeichte und die Frühkommunion. Unser Autor begleitete den Verstorbenen dankbar auch in der Sterbestunde.

Archivfoto Weihbischof Dick (c) Martin Lohmann


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