Traurigkeit: Freundin und hinterhältiger Dämon

7. Februar 2024 in Aktuelles


Franziskus: Die Dynamik der Traurigkeit - verbunden mit der Erfahrung des Verlustes. Die Traurigkeit ist das Vergnügen des Nichtvergnügens. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Wie lange noch, Herr, vergisst du mich ganz? Wie lange noch verbirgst du dein Angesicht vor mir?  Wie lange noch muss ich Sorgen tragen in meiner Seele, / Kummer in meinem Herzen Tag für Tag? Wie lange noch darf mein Feind sich über mich erheben? […] Ich aber habe auf deine Güte vertraut, mein Herz soll über deine Hilfe jubeln. Singen will ich dem Herrn, weil er mir Gutes getan hat“ (Ps 13,2-3.6).

Sechste Generalaudienz des Jahres 2024. Papst Franziskus setzte seine Katechsenreihe zum Thema der Tugenden und Laster fort. Der Papst befasste sich in der siebten Katechese mit dem Laster der Traurigkeit.

Die Wüstenväter unterschieden dabei zwei Arten: Einerseits sei eine gewisse Traurigkeit, etwa angesichts der eigenen Schuld, dem Christen durchaus angemessen. Sie könne zu einem Sinneswandel und zur Bekehrung führen und damit zum Heil gereichen.

Ganz anders verhalte es sich mit jener lasterhaften Traurigkeit, die auf enttäuschte Hoffnungen und unerfüllte Träume zurückgehe und die sich auf Dauer zu einem üblen Geisteszustand auswachsen könne. Sie erfülle das Herz mit Bitterkeit und Missmut und nehme einem die Fähigkeit sich zu freuen.

Am besten bekämpfe man dieses Laster im gläubigen Gedenken an unsere Rettung und Erlösung durch die Auferstehung Christi, die der tiefste Grund unserer Hoffnung und unserer Freude sei.

Zunächst einmal sei also festzustellen, dass die Väter in Bezug auf die Traurigkeit eine wichtige Unterscheidung getroffen hätten. Es gebe in der Tat eine Traurigkeit, die dem christlichen Leben angemessen sei und die sich mit der Gnade Gottes in Freude verwandle. Aber es gebe auch eine zweite Art von Traurigkeit, die sich in die Seele einniste und sie in einen Zustand der Niedergeschlagenheit stürze: „Diese zweite Art von Traurigkeit muss entschlossen und mit aller Kraft bekämpft werden, denn sie kommt vom Bösen“. Diese Unterscheidung fänden wir auch beim heiligen Paulus: „Die gottgewollte Traurigkeit verursacht nämlich Sinnesänderung zum Heil, die nicht bereut zu werden braucht; die weltliche Traurigkeit aber führt zum Tod“ (2 Kor 7,10).

Es gebe also eine Traurigkeit, die „Freundin“ sei, welche uns zur Erlösung führe: „Denken wir an den verlorenen Sohn im Gleichnis: Als er auf den Grund seiner Degeneration stößt, empfindet er große Bitterkeit, die ihn zur Besinnung bringt und ihn dazu veranlasst, zum Haus seines Vaters zurückzukehren“. Es ist eine Gnade, über die eigenen Sünden zu seufzen, sich an den Zustand der Gnade zu erinnern, aus dem wir gefallen sind, zu weinen, weil wir die Reinheit verloren haben, in der Gott uns erträumt hat.

Doch es gebe eine zweite Traurigkeit, die eine Krankheit der Seele sei. Sie entstehe im menschlichen Herzen, wenn ein Wunsch oder eine Hoffnung verschwinde. Hier könnten wir uns auf den Bericht über die Emmausjünger im Lukasevangelium beziehen. Diese beiden Jünger „verlassen Jerusalem mit enttäuschtem Herzen, und dem Fremden, der sie begleitet, vertrauen sie an. Die Dynamik der Traurigkeit ist mit der Erfahrung des Verlustes verbunden“. Im Herzen entstünden Hoffnungen, die manchmal enttäuscht werden würden. Es könne der Wunsch sein, etwas zu besitzen, das man nicht bekommen könne, aber auch etwas Wichtiges, wie der Verlust einer Zuneigung. Wenn dies geschehe, sei es, als ob das Herz des Menschen in einen Abgrund stürze, und die Gefühle, die er erlebe, seien Entmutigung, Schwäche des Geistes, Depression, Angst.

„Wir alle machen Prüfungen durch“, so der Papst, „die in uns Traurigkeit hervorrufen, weil das Leben uns Träume erweckt, die dann zerbrechen“. In dieser Situation verließen sich die einen nach einer Zeit des Aufruhrs auf die Hoffnung. Die anderen jedoch schwelgten in Melancholie und ließen sie in ihrem Herzen gären. Die Traurigkeit ist das Vergnügen am Nichtvergnügen.

Der Mönch Euagrios sage, dass alle Laster auf Vergnügen abzielten, auch wenn es nur von kurzer Dauer sei, während die Traurigkeit das Gegenteil wolle: sich in endlosem Schmerz zu wiegen. Bestimmte langwierige Trauer, bei der der Mensch die Leere desjenigen, was nicht mehr da sei, immer weiter vergrößere, gehört nicht zum Leben im Geist. Bestimmte nachtragende Bitterkeit, bei der ein Mensch immer einen Anspruch im Kopf habe, der ihn in die Rolle des Opfers schlüpfen lasse, bringe kein gesundes Leben in uns hervor, geschweige denn ein christliches. In der Vergangenheit eines jeden Menschen gebe es etwas, das geheilt werden müsse. Die Traurigkeit, die ein natürliches Gefühl sei, könne sich in einen bösen Geisteszustand verwandeln.

Es sei dies ein hinterhältiger Dämon, der Dämon der Traurigkeit. Die Wüstenväter hätten sie als einen Wurm des Herzens beschrieben, der diejenigen, die sie beherbergten, aushöhle und entleert.

Aber sie könne leicht bekämpft werden, indem man den Gedanken an die Auferstehung Christi hege. Wie voll das Leben auch sein möge von Widersprüchen, besiegten Sehnsüchten, unerfüllten Träumen und verlorenen Freundschaften, "dank der Auferstehung Jesu können wir glauben, dass alle gerettet werden“. Jesus sei nicht nur für sich selbst, sondern auch für uns auferstanden, um all das Glück zu erlösen, das in unserem Leben unerfüllt geblieben sei. Der Glaube vertreibe die Angst, und die Auferstehung Christi vertreibe die Traurigkeit wie den Stein aus dem Grab. Der Tag eines jeden Christen sei so eine Übung in Auferstehung.

Georges Bernanos lasse in seinem berühmten Roman „Tagebuch eines Landpfarrers“ den Pfarrer von Torcy Folgendes sagen: „Die Kirche hat Freude, all die Freude, die dieser traurigen Welt vorbehalten ist. Was ihr gegen sie getan habt, habt ihr gegen die Freude getan“. Ein anderer französischer Schriftsteller, León Bloy, habe uns diesen wunderbaren Satz hinterlassen: „‚Es gibt nur eine Traurigkeit, [...] die, nicht heilig zu sein‘. Möge der Geist des auferstandenen Jesus uns helfen, die Traurigkeit durch Heiligkeit zu überwinden“.

Die Pilger und Besucher aus dem deutschsprachigen Raum grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Liebe Brüder und Schwestern deutscher Sprache, nehmen wir im Kampf gegen die Traurigkeit vertrauensvoll Zuflucht zum Heiligen Geist, dem höchsten Tröster. Er befreit uns von der Einsamkeit, indem er in unsere Herzen die Liebe Gottes eingießt, welche uns befähigt, auch unsererseits die Trauernden und Bedürftigen zu trösten.

Die Pilger und Besucher aus Polen grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Ich grüße die Polen herzlich. Jeder trägt in seinem Herzen den Wunsch nach Glück, Geborgenheit und Selbstwertgefühl. Mögen die Treue zu Gott und seinen Geboten und die Pflege eines reinen, für Gott und die anderen offenen Herzens eure Hoffnung und euren Mut im persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Leben stärken. Ich segne euch von Herzen.

Foto (c) Vatican Media

 


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