„Gesellschaftliche Entscheidung darüber, wieviel Töten wir gerade noch ethisch zulassen wollen?“

11. September 2023 in Prolife


Marsch für das Leben in Berlin und in Köln: „Einzigartig. Leben wagen“ – „Keine Bundesregierung hat sich bislang derart aktiv gegen das Recht auf Leben gestellt wie die Ampel-Regierung.“ Gastkommentar von Susanne Wenzel


Berlin-Köln (kath.net/pl) Die Zeiten für das Lebensrecht in der Bundesrepublik waren nie einfach seit dem Aufkommen der Abtreibungsdebatte in den 70er Jahren. Bisherige Regierungen haben im Zweifel wenig getan für das Lebensrecht. Aber keine Bundesregierung in der 74-jährigen Geschichte unserer Republik hat sich bislang derart aktiv gegen das Recht auf Leben gestellt wie die Ampel-Regierung unter Olaf Scholz. Gelegentlich spreche ich auch von der Koalition der „Kultur des Todes“, die doch eigentlich eine Unkultur ist.

Unter dem Titel „Mehr Fortschritt wagen“ hatte uns die Ampel ja einiges angekündigt in ihrem Regierungsprogramm. Nach der Abschaffung des § 219a StGB soll nun auch der § 218 StGB weg. Die von der Regierung eingesetzte Kommission zur „Reproduktiven Selbstbestimmung“ soll ein Konzept erarbeiten, wie man Abtreibungen „außerhalb des Strafgesetzbuches“ regeln kann. Das heißt übersetzt: Aus dem ehemaligen Abtreibungsstrafrecht wird ein Abtreibungsrecht gemacht. Damit wird der Lebensschutz aufgegeben und das Lebensrecht des Ungeborenen nun komplett dem Zustimmungsvorbehalt und der angeblichen Selbstbestimmung der Mutter untergeordnet. Der Koalitionspartner FDP und auch die Unionsparteien stellen sich gegen eine Abschaffung und betonen immer wieder den „gut austarierten Kompromiss“.

Die Regierungskommission hat übrigens eine zweite Arbeitsgruppe, die sich u. a. mit der Legalisierung von Eizellspenden und Leihmutterschaft befassen soll. Rein zufällig erschien In der vergangenen Woche die Zusammenfassung eines von der Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Konrad-Adenauer-Stiftung initiierten Dialoges über eine mögliche Novellierung des Embryonenschutzgesetzes. Merke: Die Leopoldina fordert dies schon seit einiger Zeit. Und hier war wieder die Rede von einem notwendigen „biopolitischen Kompromiss“, also der gesellschaftlichen Entscheidung darüber, wieviel Tötung wir gerade noch ethisch zulassen wollen. Man argumentiert damit, dass man berücksichtigen müsse, welche „Interessen, Bedürfnisse und Werthaltungen“ die Menschen haben, die eine Lockerung oder die Aufgabe des Lebensschutzes – hier Embryonenschutzes – rechtfertigen könnten. Haben wir eigentlich beim Thema Steuerhinterziehung auch schon einmal über eine Lockerung nachgedacht, weil sich die „Interessen, Bedürfnisse und Werthaltungen“ der Menschen verändert haben?

Die Debatte wird in allen Bereichen wegeführt vom eigentlichen Punkt: Nämlich der moralischen Überlegung, dass die Tötung eines unschuldigen Menschen etwas in sich Schlechtes und damit verboten ist. Wieviel Tötung sind wir bereit zuzulassen für die angebliche Selbstbestimmung und die Wunscherfüllung anderer? Keine einzige!

Wo bleibt das Recht auf Leben für alle? Ist der „biopolitische Kompromiss“ ein fauler Kompromiss? Ja, natürlich. Erst recht, weil er über die Köpfe der Betroffenen hinweg gefunden wurde. Das Lebensrecht des Menschen ist grundlegend und wiegt schwerer als das Selbstbestimmungsrecht.

Was auf uns zukommt in den nächsten Monaten, spätestens mit Vorlage des Ergebnisses der Regierungskommission im Frühjahr, wird nicht gerade ein Waldspaziergang. Umso wichtiger ist es, dass wir Kraft sammeln, uns gegenseitig stärken und uns melden. Wir dürfen nicht schweigen zu dem, was diese Regierung über uns bringen will. Wir müssen hörbar werden, Stimme der Stimmlosen und Schwachen sein, wie es seit Jahren in unserer Bewegung immer heißt. Wir haben im Moment die Möglichkeit, die Menschen für die Bedrohungen denen das Recht auf Leben ausgesetzt ist zu sensibilisieren. Nutzen wir sie!

In wenigen Tagen ist es wieder so weit. Am kommenden Samstag findet der Marsch für das Leben statt. Das Motto in diesem Jahr lautet „Einzigartig. Leben wagen“ und zeigt, dass wir der Kultur des Todes etwas entgegensetzen, eine Kultur des Miteinanders und des Lebens, die in jedem von uns die Einzigartigkeit erkennt und ein großes Ja zum Leben sagt. Erstmals gehen wir in zwei Städten am selben Tag auf die Straße, in Berlin und Köln.

Die großen Kundgebungen für das Leben und gegen die Abtreibung in den 70er Jahren waren konzertierte Aktionen von engagierten Bürgern, Politik und Kirche. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nicht verstreichen lassen und auch an die Kirchen und die Politiker, die unserer Position folgen, appellieren: Stellen Sie sich deutlich und hörbar auf die Seite der Ungeborenen! Unterstützen Sie die Kampagnen der Lebensrechtsbewegung. Canceln Sie uns nicht auf Ihren Kirchen- und Katholikentagen. Lassen Sie uns gemeinsam nach Lösungen suchen. Setzen Sie gemeinsam mit uns in Köln und Berlin ein deutliches Zeichen gegen diese Kultur des Todes. Es ist nicht mehr die Zeit für hasenfüßige Rechtfertigungen, nicht am Marsch teilzunehmen, weil sie möglicherweise diesen oder jenen Teilnehmer für nicht respektabel halten. Lassen Sie nicht tausende gute und aufrechte Kämpfer im Stich!

Zeigen wir gemeinsam Gesicht und bringen wir den Einsatz für das Leben in die Mitte der Gesellschaft! Friedlich und friedfertig bleiben wir auch weiterhin, wir kleben uns nicht auf die Straße, wir beschmieren kein Kulturgut und wir bedrohen auch niemanden. Unsere Botschaft für das Leben und gegen das Töten ist deutlich: Leben ist nicht verfügbar, auch nicht für eine bestimmte Frist. Der Staat, der das Recht des Stärkeren über dem des Schwächeren in seinen Gesetzen verankert, wird zum Unrechtsstaat, der letztlich verrohen wird. Stehen wir gemeinsam vor den Ungeborenen und den schwangeren Frauen, die unsere Hilfe und Unterstützung brauchen.

Sehen wir uns am kommenden Samstag?

MARSCH FÜR DAS LEBEN - erstmals in ZWEI Städten!
Herzliche Einladung: Samstag, 16.09.2023, ab 13:00 Uhr in Berlin: Brandenburger Tor und in Köln: Heumarkt

Die Autorin Susanne Wenzel ist Diplom-Betriebswirtin und die Vorsitzende der Christdemokraten für das Leben.

Foto: Marsch für das Leben 2022 (c) Bundesverband Lebensrecht


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