Die Heilige der Einsamen: Gemma Galgani

25. April 2004 in Spirituelles


"Jesus, ich möchte, dass meine Stimme die Grenzen der ganzen Welt erreicht", wünschte sich die junge italienische Heilige.


Rom (kath.net/Zenit.org)
Die heilige Gemma Galgani könnte man als “Heilige der Einsamen” bezeichnen. Die Heilige, die von 1878 bis 1903 lebte, sei ein Mittel gegen die Einsamkeit, erklärten P. Bruno Moriconi und Armida Pezzini in einem neuen Buch über die junge italienische Heilige.

In einem Interview mit ZENIT erklärt P. Moriconi, der dem Orden der Unbeschuhten Karmeliten angehört, was hinter dem bekannten Lächeln von Gemma Galgani steckte – eine Heilige, die ihre Heiterkeit immer bewahrte, obwohl sie oft nicht verstanden wurde und viele Leiden ertrug.

P. Moriconi ist Mitautor des Buches „Oltre la Solitudine. Il Messaggio di Gemma Galgani“ (“Jenseits der Einsamkeit. Die Botschaft von Gemma Galgani“), das im Verlag „Città Nuova” erschienen ist. Er lehrt Exegese und Christologie an der Päpstlichen Fakultät Teresianum in Rom und unterrichtet am Internationalen Institut für Gesundheitspastoral „Camillianum“.

ZENIT: Was steckt hinter dem Lächeln der heiligen Gemma Galgani, der Heiligen der Passion? P. Moriconi: Die heilige Gemma war wirklich ein attraktives Mädchen. Aber hinter ihrem Lächeln, das wir im ersten Kapitel des Buchs behandeln, steckte viel mehr: Ihre freundliche und liebende Haltung und ihre Heiterkeit, die aus dem Glauben kam. Trotz der traurigen Vorfälle in ihrem Leben opferte Gemma alles, was sie durchmachte, zugunsten anderer auf. Hinter ihrem Lächeln war die Liebe Jesu Christi für die ganze Menschheit.

„Jesus, ich möchte, dass meine Stimme die Grenzen der ganzen Welt erreicht“, sagte sie. Tatsächlich hat die heilige Gemma Christus gesagt, dass sie im Gebet „alle rufen und ihnen sagen würde, in sein Herz einzutreten“.

Trotz der Tatsache, dass sie als die „Heilige der Passion“ gilt, ist Gemma nicht vom Leiden als solchem angezogen, sondern von der Liebe, die den Herrn dazu gebracht hat, alles zu geben und sogar hinzunehmen, dass er selbst gekreuzigt würde, um allen die Liebe des Vaters zu schenken.

ZENIT: Warum „bereichert Gemma die Welt mit der Kraft der Liebe“, wie Sie feststellen?

P. Moriconi: Weil man, sobald man entdeckt, was sie wirklich bewegt und trägt, Gemma als eine jener Figuren erkennt, die wir so dringend brauchen. Obwohl heute so viel über die Liebe gesprochen wird, ist die praktizierte Liebe in unserer Welt oftmals nur eine andere Seite des Egoismus und der Sehnsucht, alles um jeden Preis zu haben.

Stattdessen ist die Liebe der Heiligen, so wie jene von Gemma, wirklich stärker als der Tod, da sie eine so transparente und selbstlose Liebe ist, die wir alle brauchen, egal, in welcher Situation wir uns befinden.

ZENIT: Wie lernt man, so zu vertrauen wie Gemma, um die Einsamkeit zu überwinden?

P. Moriconi: Wir haben den Titel „Jenseits der Einsamkeit“ für das Buch gewählt, weil es uns scheint, dass das Gemmas Hauptbotschaft für unsere Zeit ist. Zuallererst, weil sie allein geblieben ist und nicht fähig war, in einen Orden einzutreten und die Isolation der Einsamkeit bis aufs Äußerste erfuhr.

Zweites, weil sie die Gnade hatte, die Stärke zu finden, um fröhlich zu leben, obwohl die Umstände für sie so waren, dass sie verzweifeln oder deprimiert werden konnte. Dank ihrer Mutter, die sie gelehrt hatte, auf Jesus und Maria zu vertrauen, ging sie tief in sich und fand diese Gegenwart, die ihr niemand jemals wieder nehmen konnte.

Sie beschäftigte sich intensiv mit dem einfachen Gebet, das jeder von uns zusätzlich zum Gebet in der Kirche verrichten kann, verborgen in unseren Herzen, zuhause, auf der Straße, in der Schule, in der Arbeit, bei jeder Gelegenheit. Tatsächlich ist es die einzige Waffe gegen die Einsamkeit, immer ein Du zu haben, zu dem man gehen kann.

ZENIT: Hat sich Gemma fehl am Platz gefühlt, da sie eine Ordensfrau sein wollte, jedoch aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes dazu nicht fähig war?

P. Moriconi: In einen Orden einzutreten war das einzige, was sie wirklich wollte. Obwohl ihr mehr als nur einmal ein Heiratsantrag gemacht wurde, fühlte Gemma, dass sie zu einem geweihten Leben in einem Orden berufen war.

Als sie zum x-ten Male vom Kloster in Tarquinia abgewiesen wurde, wo sie glücklich gewesen wäre, die einfachsten Dienste zu verrichten, konnte Gemma nicht anders als ihre Enttäuschung zum Ausdruck bringen.

„Sie wollen mich nicht, während ich lebe, aber wenn ich sterbe, werden sie mich suchen“, sagte sie zu einer Tante. Worte, die sich als prophetisch erwiesen angesichts der Tatsache, dass der Orden der Passionisten-Schwestern in Lucca um das St. Gemma-Heiligtum errichtet wurde.

Obwohl sie nicht an dem Platz war, wo sie sein wollte, gab Gemma ihre täglichen Verpflichtungen nicht auf. Anstatt zu fragen, warum ihr diese Dinge - wie die Zurückweisung durch den Orden - passierten, lebte sie ihr Leben dort, wo sie war.

Als ihr Bruder Tonino sie eines Tages ein wenig enttäuscht vorfand wegen der Zurückweisung durch die Nonnen, sagte er zu ihr: „Reg dich nicht auf; wenn du eine Heilige werden willst, kannst du das außerhalb des Klosters werden.“

Sein Rat war weise und ist wertvoll für jeden, angesichts dessen, dass es keine idealen Bedingungen für ein bestes Leben gibt, sondern jeder aus allen Bedingungen das Beste machen kann, wie der heilige Johannes vom Kreuz es mit seiner Maxime der absoluten Wirksamkeit lehrte: „Wenn du keine Liebe findest, dann gib Liebe, und du wirst Liebe bekommen.“

ZENIT: Ist Gemmas Botschaft attraktiv für junge Menschen? P. Moriconi: Es könnte scheinen, dass die Botschaft es nicht ist, weil es eine bestimmte einseitige Art gibt, ihre Person vorzustellen, die voll von außerordentlichen Phänomenen ist, die ihr kurzes Leben erfüllt haben.

Aber die Botschaft ist attraktiv, wie wir es versucht haben, in diesem kleinen Buch zu zeigen. Wir sprechen wirkliches Leben in seiner Tiefe an, seine Ideale und Ängste. Sogar ein Jugendlicher von heute kann die heilige Gemma als Reisegefährtin und als Patronin entdecken.


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