Eklat um Ökumenischen Kirchentag: Aleviten ziehen ihre Mitarbeit zurück

27. Oktober 2020 in Deutschland


Grund: Mitarbeit von Vertretern des Zentralrats der Muslime und des Islamrates, „von diesen Verbänden geht eine Gefahr für Alevit_innen und andere Minderheiten in Deutschland aus“.


Frankfurt a.M. (kath.net) Es ist ein Eklat: Der Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland (BDAJ) ist aus der Projektkommission „Forum Muslime und Christen“ des Ökumenischen Kirchentages (Mai 2021) ausgetreten. In einer Presseaussendung gibt der Bundesvorstand der Alevitischen Jugend bekannt: „Grund dafür ist die Zusammensetzung der Projektkommission, die auch Vertreter_innen des Zentralrats der Muslime in Deutschland und des Islamrates beinhaltet. Dabei geht es nicht um individuelle Mitglieder der Kommission, sondern um die Verbände und die entsprechenden abwertenden und menschenfeindlichen Ideologien, die sie vertreten. Von diesen Verbänden geht eine Gefahr für Alevit_innen und andere Minderheiten in Deutschland aus.“ Im Islamrat stellt Milli Görüş die Mehrheit dar, erinnert wiederum die „Welt“.

Die Aleviten weisen in ihrer Presseaussendung eigens darauf hin, dass die Zusammensetzung der Projektkommission „kein Zufall“ sei, sondern „auf den Wünschen der evangelischen und katholischen Kirche“ beruhe.

„Die IGMG ‚Islamische Gemeinschaft - Milli Görüş‘ (dt: Nationale Sicht) vertritt eine islamistische, im Besonderen antisemitische und anti-demokratische Ideologie und hat sich nie glaubhaft von ihrem Gründer und Vordenker dieser ‚Nationalen Sicht‘, Necmettin Erbakan, distanziert. Die ATIB ‚Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa‘, ist ein Teil der völkisch-nationalistischen Ülkücü-Bewegung in Deutschland, deren Anhänger_innen sich als ‚Graue Wölfe‘ bezeichnen.

Wörtlich heißt es in der Pressemeldung weiter: Anlässlich der Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichtes 2019, in dem unter anderem die ATIB (im Kapitel „Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern“) und IGMG (im Kapitel „Islamismus/ islamistischer Terrorismus“) als Mitgliedsvereine der vertretenen Dachverbände genannt werden, haben wir unsere Irritation der Leitung der Projektkommission mitgeteilt und sind traurig über die Ignoranz, die uns hier entgegenschlug. Offenbar gibt es ein Bewusstsein dafür, dass die genannten Verbände „problematisch“ sind. Ziel der Projektkommission sei es aber, „Vielfalt“ darzustellen. Das Projekt an sich zähle und solange sich in Rahmen der Projektkommission niemand falsch verhalte, würde an den Partnerorganisationen festgehalten. Die beteiligten Vertreter_innen des Zentralrats der Muslime in Deutschland und des Islamrates seien fest verankert in der Landschaft des christlich-muslimischen Dialogs.

Offenbar ist die Darstellung von Offenheit und „Vielfalt“ auf dem Ökumenischen Kirchentag wichtiger als Minderheitenschutz und Menschenrechte. Darüber hinaus wird mit zweierlei Maß gemessen, wenn man davon ausgeht, dass für die Kirchen eine Zusammenarbeit mit vom Verfassungsschutz beobachteten Verbänden aus dem klassisch-deutschen rechtsradikalen Milieu ausgeschlossen wäre.

Als Verband, der für Demokratie und Menschenrechte einsteht, rufen wir alle kirchlichen und politischen Akteure dazu auf, ihre Zusammenarbeit mit den genannten Organisationen, die im Übrigen bei weitem nicht repräsentativ für die Muslime in Deutschland sind, kritisch zu prüfen. Die Zusammenarbeit mit den genannten Organisationen ist kein Ausdruck von Weltoffenheit oder Antirassismus. Antirassismus bedeutet im Gegenteil, politische Akteure mit ihren Werten und Zielen ernst zu nehmen und sich entsprechend zu positionieren - und nicht per se als integrationsbedürftige oder integrationswürdige „Menschen mit Migrationshintergrund“ einzubeziehen.

Die Aleviten stellen die zweitgrößte Religionsgruppe der Türkei dar, etwa 15 Prozent der türkischen Bevölkerung gehören ihr an. Ob sie dem Islam angehören und falls ja, wie, wird diskutiert. In der türkischen Geschichte wurden sie mehrfach verfolgt, erst seit der Gründung der modernen Türkei haben sie Religionsfreiheit. Bis heute sind sie in der Türkei allerdings Ziel zahlreicher Anschläge, es kommt sogar zu Pogromen, Diskriminierungen sind möglicherweise sogar mit Zustimmung des türkischen Staates möglich.

 


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