Papst Franziskus: Dante hilft in den ‚dunklen Wäldern’ des Lebens

16. Oktober 2020 in Aktuelles


Der ‚Prophet der Hoffnung’ und das Dante-Jahr. Die Anziehungskraft über die Jahrhunderte hinweg. Ankündigung eines päpstlichen Dokuments zum ‚höchsten Dichter’. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Am 10. Oktober 2020 hatte Papst Franziskus eine Delegation des Erzbistums Ravenna anlässlich des „Dante-Jahres“ zum Gedenken des 700. Todestages des großen Dichters (* Mai oder Juni 1265 in Florenz; † 14. September 1321 in Ravenna) empfangen.

Der Papst rief in seiner Ansprache in Erinnerung, dass Dante in Ravenna seine irdische Reise beendet habe: „Und er beendete das Exil, das seine Existenz so sehr geprägt und auch sein Schreiben inspiriert hatte“. Der Dichter Mario Luzi habe den Wert des Umbruchs und der überlegenen Entdeckung hervorgehoben, die die Erfahrung des Exils Dante vorbehalten war. Dies lasse sofort an die Bibel denken, an das Exil des Volkes Israel nach Babylon, das sozusagen eine der „Matrizen“ der biblischen Offenbarung darstelle. In ähnlicher Weise sei das Exil für Dante so bedeutsam gewesen, dass es zu einem Schlüssel zur Interpretation nicht nur seines Lebens, sondern der „Reise“ jedes Menschen in der Geschichte und darüber hinaus geworden sei.

Dantes Tod in Ravenna, so Franziskus, der Boccaccio zitierte, „fand an dem Tag statt, an dem die Erhöhung des Heiligen Kreuzes von der Kirche gefeiert wird“. Der Gedanke gehe zu jenem goldenen Kreuz, das der Dichter sicherlich in der kleinen mitternachtsblauen, mit neunhundert Sternen übersäten Kuppel des Mausoleums der Galla Placidia gesehen habe, „oder zu jenem mit Edelsteinen besetzten und ‚blitzendem’ Christus – um das Bild des ‚Paradieses’ zu verwenden – (vgl. XIV, 104) des Apsisbeckens von Sant'Apollinare in Classe.

1965 habe Paul VI. anlässlich des 700. Jahrestages der Geburt Ravenna ein goldenes Kreuz für sein Grab überreicht, das bis dahin ‚ohne ein solches Zeichen von Religion und Hoffnung’ geblieben sei. Dasselbe Kreuz werde nun anlässlich dieses Jubiläums wieder an dem Ort erstrahlen, an dem die sterblichen Überreste des Dichters aufbewahrt würden: „Möge es eine Einladung zur Hoffnung sein, jene Hoffnung, deren Prophet Dante ist“.

So bleibe zu hoffen, dass die Feierlichkeiten zum 700. Jahrestag des Todes des „höchsten Dichters“ dazu anregten, seine „Komödie“ zu überdenken, „damit wir uns, wenn wir uns unseres Zustandes als Exilanten bewusst werden, auf diesem Weg der Umkehr ‚von der Unordnung zur Weisheit, von der Sünde zur Heiligkeit, vom Elend zum Glück, von der schrecklichen Betrachtung der Hölle zur seligmachenden Betrachtung des Himmels’ (Paul VI., Apostolisches Schreiben m.p. Altissimi cantus, 7. Dezember 1965) provozieren lassen“. Dante lade uns in der Tat dazu ein, den verlorenen oder getrübten Sinn unseres menschlichen Weges wiederzuentdecken.

Zuweilen könne es den Anschein haben, gab der Papst zu, als hätten diese sieben Jahrhunderte eine unüberbrückbare Distanz zwischen uns, Männern und Frauen der postmodernen und säkularisierten Ära, und ihm, einem außergewöhnlichen Vertreter eines goldenen Zeitalters der europäischen Zivilisation, gegraben. Doch etwas sage uns, dass dies nicht der Fall sei.

Jugendliche zum Beispiel – auch von heute – fänden, wenn sie die Möglichkeit hätten, sich der Dichtung Dantes auf eine für sie zugängliche Weise zu nähern, unweigerlich einerseits die ganze Distanz zwischen dem Autor und seiner Welt, andererseits aber auch eine überraschende Resonanz. Dies geschehe vor allem dort, wo die Allegorie Raum für das Symbol lasse, wo das Menschliche offensichtlicher und nackter hindurchleuchte, wo die zivile Leidenschaft intensiver vibriere, wo die Faszination der Wahrheit, Schönheit und Güte, letzlich die Faszination Gottes, seine mächtige Anziehungskraft spürbar mache.

Der Papst beschloss seine Ansprache: „Dann werden auch wir – wie der heilige Paul VI. uns eingeladen hat – diese über die Jahrhunderte hinausgehende Resonanz nutzen und uns mit der Erfahrung Dantes bereichern können, um die vielen ‚dunklen Wälder’ unserer Erde zu durchqueren und glücklich durch die Geschichte zu pilgern, um das von jedem Menschen erträumte und erwünschte Ziel zu erreichen: ‚die Liebe, die die Sonne und die anderen Sterne bewegt’ (Paradies XXXIII, 145)“.

Am Ende der Audienz kündigte Franziskus zum Erstaunen der Anwesenden die Vorbereitung eines päpstlichen Dokuments über Dante an, das noch in diesem laufenden „Dante-Jahr“ veröffentlicht werden soll.

 


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