Wird die Bibel umgeschrieben?

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Katholiken wollen neue Details über das Leben Jesu Christi aufnehmen


Turin/Tübingen (idea)
Katholische Theologen planen eine Revision der ”Jerusalemer Bibel”. Darin sollen neue Erkenntnisse aus der Qumran-Forschung berücksichtigt werden. Dies teilte ein Dozent an der päpstlichen Universität ”Heiliger Thomas von Aquin” in Rom, der Dominikaner Gianluigi Boschi, der Tageszeitung ”La Stampa” (Turin) mit. Koordinator des neuen Bibelprojekts sei der französische Historiker Etienne Nodet (Jerusalem) von der ”Ecole biblique” (Bibelschule) in Jerusalem. Er werde bei einer internationalen Tagung vom 26. bis 30. September in Modena die wichtigsten geplanten Textänderungen erläutern. ”La Stampa” zufolge handelt es sich um eine Neufassung der Bibel mit neuen Details über das Leben Jesu Christi. Insbesondere werde die Bedeutung radikaler jüdischer Gruppen herausgestellt, was die Interpretation Christi als einen politischen Revolutionär unterstützen könnte.

”Weder fünftes Evangelium noch Neufassung der Bergpredigt”

Die von der ”Ecole biblique” erstellte ”Jerusalemer Bibel” erschien 1946 in französischer Sprache und wurde wegen ihrer klaren Formulierungen auch ins Deutsche übersetzt. Bis 1980 fand sie weite Verbreitung, danach wurde sie von der für alle deutschen Diözesen verbindlichen ”Einheitsübersetzung” abgelöst. Gegenüber idea bezeichneten evangelische und katholische Wissenschaftler die Ankündigung einer Umschreibung als ”maßlose Übertreibung”. Die Qumran-Funde hätten wiederholt Anlaß zu gewagten Spekulationen gegeben, die sich jedoch nach wenigen Jahren stets als haltlos erwiesen hätten, sagte der Cheflektor des Katholischen Bibelwerks, Wolfgang Hein (Stuttgart). ”Es wird weder ein fünftes Evangelium noch eine Neufassung der Bergpredigt geben.” Angesichts der zahlreichen Handschriften zu einzelnen Bibelstellen müßten sich Forscher immer entscheiden, welche Fassung ihnen am plausibelsten erscheine. Dies habe zu unterschiedlichen Übersetzungen und zahlreichen Fußnoten geführt, wie sie heute in allen Bibelausgaben üblich seien.

Neue Bewertung von Abweichungen möglich

Nach Angaben des evangelischen Theologen Hartmut Schmid (Tübingen) weichen die Handschriften meist nur minimal voneinander ab. Bibelleser könnten zu Recht davon ausgehen, daß die Bibel weithin sehr zuverlässig überliefert ist. Eine ”Neufassung der Bibel” aufgrund der Qumran-Funde, wie es in Medien hieß, hält der Studienleiter am Albrecht-Bengel-Haus für ausgeschlossen. Da die Funde schon veröffentlicht seien, sei nicht mit Sensationen zu rechnen. Die Auswertung könne an einzelnen Stellen zu einer neuen Bewertung der Abweichungen führen, so daß die Wissenschaftler der ”Ecole biblique” den Texten von Qumran künftig mehr Bedeutung zumessen könnten.


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