Belarus: Nun bahnt sich auch kirchenpolitische Konfrontation an

21. August 2020 in Weltkirche


Präsident Lukaschenko und russisch-orthodoxe Stimmen gegen Forderungen nach einer unabhängigen weißrussischen orthodoxen Kirche


Minsk (kyath.net/KAP) Im Windschatten der politischen Auseinandersetzung in Weißrussland bahnt sich auch eine kirchenpolitische Konfrontation an. Wie der "Pro Oriente"-Informationsdienst am Donnerstag berichtete, hat der umstrittene Präsident Aleksandr Lukaschenko in einer Rede vor dem Nationalen Sicherheitsrat (Dienstag) darauf verwiesen, dass es der Opposition darum gehe, die russische Präsenz im "wirtschaftlichen, militärischen, linguistischen und kirchlichen Bereich" zurückzudrängen. Im kirchlichen Bereich wolle die Opposition eine "autokephale" orthodoxe Kirche als Gegengewicht zum russisch-orthodoxen Exarchat schaffen.

Lukaschenko betonte, dass man in Weißrussland immer auf den "interreligiösen Frieden" stolz gewesen sei, "weder Orthodoxe noch Katholiken haben einander gestört, Muslime und Juden leben hier glücklich miteinander". Es bestehe die Gefahr, dass Weißrussland jetzt in eine interkonfessionelle Auseinandersetzung hineingezogen werde, deren Ziel es sei, "die Dinge auszuradieren, auf die wir stolz sind".

Die düstere Perspektive Lukaschenkos wurde vom Pressesprecher des (vom Moskauer Patriarch Kyrill I. geleiteten) "Weltrates des Russischen Volkes", Jurij Kot, vertieft. Er stellte im Gespräch mit der russischen Nachrichtenagentur "Interfax" fest: "Das prowestliche Projekt für Weißrussland braucht die weißrussische Wirtschaft nicht, dieses Projekt braucht das Volk von Belarus nicht, und vor allem nicht die weißrussischen orthodoxen Gläubigen". Wer noch Zweifel habe, solle auf das noch andauernde prowestliche ukrainische Projekt schauen und werde verstehen, dass es "in Belarus noch schlimmer kommen wird, viel schlimmer".
Stimmen aus der Ukraine

Die scharfen Formulierungen aus Minsk und Moskau sind auf eine Erklärung des Oberhaupts der neuen "Orthodoxen Kirche der Ukraine", Metropolit Epifanij (Dumenko), zurückzuführen, in der es u.a. hieß, die "orthodoxe Kirche von Belarus" habe die gleiche Situation wie die orthodoxe Kirche der Ukraine und das gleiche Recht, von der "Mutterkirche von Konstantinopel" einen "Tomos" zu erbitten, der ihre Autokephalie bestätige. Metropolit Epifanij publizierte seine Erklärung - in ukrainischer und weißrussischer Transskription - am 13. August auf Facebook.
Im Hinblick auf die ukrainische Erfahrung meinte der Metropolit, seine Kirche könne nicht gleichgültig bleiben, wenn es um die "Zukunft des Volkes von Belarus" gehe, die "Unabhängigkeit des Staates, Freiheit und Sicherheit der Bürger, deren Leben in Gefahr ist". Abschließend schloss sich Metropolit Epifanij den vielfältigen Forderungen nach dem Ende der Gewalt in Belarus, nach Freilassung der Gefangenen und einem "konstruktiven Dialog zwischen der Staatsführung und der Zivilgesellschaft mit dem Ziel eines friedlichen Weges aus der Krise" an.

Der Kanzler der ukrainischen orthodoxen Kirche (des Moskauer Patriarchats), Metropolit Antonij (Pakanitsch) von Boryspol, äußerte sich dieser Tage hingegen überaus zurückhaltend. Angesichts der politischen Krise im brüderlichen Nachbarland gebe es in der Ukraine unterschiedliche Stimmen, die "die eine oder andere Gruppierung unterstützen" und ihre "mitunter herrischen Bewertungen" und ihre "unpassenden Ratschläge" abgeben.
Wörtlich sagte der Metropolit: "Mir scheint, dass wir am besten schweigen sollten. Nicht nur deshalb, weil auch bei uns die Situation fern von Harmonie und Frieden ist, sondern auch deshalb, weil sich gläubige Christen nicht in die Konflikte von anderen einmischen sollen, um sie - trotz bester Absichten - zu verschlimmern". Das einzige und wichtigste, was die ukrainischen Christen für die weißrussischen Geschwister tun können, sei es, von Christus zu erflehen, dass es nicht zur Zunahme von Hass und Zorn, zur Verschlimmerung des Konflikts oder gar zu Blutvergießen kommt.

Enge Beziehungen Minsk-Moskau

Die autonome orthodoxe Kirche in Weißrussland gehört zum Patriarchat von Moskau, regelt ihre internen Angelegenheiten aber weitgehend selbstständig, darunter etwa die Wahl der Bischöfe, die dann von Moskau noch bestätigt werden. Nur der Metropolit von Minsk, also der ranghöchste Geistliche im Land, wird von Moskau aus entsandt.

Die Beziehungen zwischen der orthodoxen Kirche in Weißrussland und der russischen Mutterkirche gelten als eng und gut. Im Oktober 2018 hatte der Heilige Synod der russisch-orthodoxen Kirche sogar demonstrativ in Minsk getagt und dabei wegen des Ukraine-Konflikts den Abbruch der Beziehungen mit dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel beschlossen.


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