Hat Kardinal Marx für EKD-Flüchtlingsschiff einen "namhaften Betrag" zur Verfügung gestellt?

18. August 2020 in Aktuelles


Erster Einsatz für von deutscher Kirche mitfinanzierte "Sea Watch" – Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte Rettungsschiffen mehrfach vorgeworfen, gewollt oder ungewollt mit Schlepperbanden Hand in Hand zu arbeiten


Rom/Berlin (kath.net/KAP) Das deutsche Flüchtlingsrettungsschiff "Sea-Watch 4" ist zu seiner ersten Mission im Mittelmeer aufgebrochen. Das ehemalige Forschungsschiff, das von dem Berliner Verein "Sea Watch" betrieben und von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mitfinanziert wird, legte am Wochenende im spanischen Hafen Burriana ab. Ziel der 30-köpfigen Schiffscrew ist die Suchzone vor der libyschen Küste. Dort will der laut eigenen Angaben einzige noch verbliebene private Seenotretter im Mittelmeer Bootsflüchtlinge vor dem Ertrinken retten.

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen, die den Einsatz medizinisch unterstützt, erklärte, in dem betreffenden Seegebiet hätten in den vergangenen sechs Wochen mehr als 3.500 Menschen die Flucht aus Libyen versucht, obwohl dort keine Rettungsschiffe unterwegs seien. Andere private Rettungsschiffe sitzen aktuell zumeist in Italien oder Malta fest, teils wegen angeblicher Mängel.

Der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, erteilte den Crew-Mitgliedern einen Reisesegen. Das Auslaufen des Schiffes sei für ihn nach der Schiffstaufe in Kiel auch persönlich "ein ganz besonderer Moment", erklärte er. Aber auch tausende andere Menschen seien jetzt mit dem Herzen dabei. "Sie haben das Geld dafür gespendet, dass die Sea-Watch 4 überhaupt gekauft werden konnte."
Bereits im Vorfeld kündigte der Ratsvorsitzende an: "Sollte die Mission behindert werden, werden wir uns für die Crew und die geretteten Menschen einsetzten." Denn, so die Begründung: "Jedes einzelne Leben, das gerettet wird, ist diese Anstrengung wert."

Die "Sea-Watch 4" soll nach offiziellen Angaben rund 1,3 Millionen Euro gekostet haben, plus mindestens eine halbe Million für den Umbau des früheren Forschungsschiffs. Finanziert wird das Schiff, das von 1976 bis Ende 2019 zur Meeresforschung eingesetzt wurde, durch das Bündnis "United4Rescue". In dem 2019 auf Initiative der EKD gegründeten Verein haben sich mehr als 550 Organisationen und Institutionen zur Unterstützung der zivilen Seenotrettung zusammengeschlossen. "Sie alle eint die Überzeugung, dass man Menschen nicht ertrinken lassen darf", sagte Bedford-Strohm in seiner Videobotschaft.

Positive Reaktionen

Begrüßt wird die Aktion auch von Europaparlamentspräsident David Sassoli: "Kein Mann, keine Frau und kein Kind sollen auf dem Meer sterben bei dem Versuch, Europa zu erreichen", twitterte der italienische linksdemokratische Politiker am Sonntag. Die EU habe "die Pflicht, denen zu Hilfe zu kommen, deren Leben auf dem Mittelmeer in Gefahr ist", schrieb Sassoli. Dem privaten Rettungsschiff wünschte er "günstigen Wind".

Zum Start am Samstag schrieb die Betreiberorganisation Sea-Watch ebenfalls auf Twitter: "Solange die EU Menschen an ihren Grenzen zum Tode verurteilt, kämpfen wir weiter. Für Bewegungsfreiheit und das Recht auf Leben!"

Nach Angaben des italienischen Innenministeriums vom Wochenende erreichten seit Jahresbeginn mehr als 15.400 Migranten die italienische Küste, mehr als dreieinhalb Mal so viel wie im entsprechenden Zeitraum des Vorjahrs. Gegenüber 2018 liegt die Zahl der Ankünfte 20 Prozent niedriger. Seit 1. Jänner registrierte die Internationale Organisation für Migration 443 ertrunkene Migranten im Mittelmeer; 262 starben demnach auf der Zentralen Mittelmeerroute Richtung Italien und Malta.

Die katholische Kirche in Deutschland reagierte zwischen Wohlwollen und Zurückhaltung zu den Plänen des evangelischen Rettungsschiffes. So will sie ihre Flüchtlingsarbeit fortführen, aber nicht selbst ein Schiff anheuern. Allerdings soll der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx für das Projekt einen "namhaften Betrag" zur Verfügung gestellt haben. Solange die Politik jedoch keine menschenwürdige Lösung für den Krieg in Syrien und für die Lager auf Lesbos finde, "solange müssen wir handeln", betonte Marx kürzlich. Und auch Papst Franziskus liegt die Seenotrettung am Herzen, wie er Europas Staaten immer wieder ins Gewissen redet.

Politische Lösung nicht in Sicht

Italiens Innenministerin Luciana Lamorgese kündigte an, am Montag mit Außenminister Luigi Di Maio nach Tunesien zu reisen, um mit Präsident Kais Saied über Maßnahmen gegen Schlepperei zu beraten. An dem Treffen sollen auch die EU-Kommissare Ylva Johansson and Oliver Varhelyi teilnehmen.

Eine dauerhafte politische Lösung zeichnet sich jedoch noch nicht ab. Aktuell entsteht ensteht meist ein unwürdiger Handel, welcher Staat wie viele der Geretteten aufnimmt. Ob die neue EU-Marineoperation Irini für Besserung sorgt, lässt sich noch nicht absehen. Ihr Hauptziel ist es, das Waffenembargo gegen Libyen durchzusetzen und Schleuserkriminalität zu bekämpfen.

Kritiker privater Seenotrettung äußern regelmäßig die Sorge, kreuzende Rettungsboote übten eine Sogwirkung auf Flüchtlinge aus. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz etwa warf ihnen mehrmals vor, gewollt oder ungewollt mit Schlepperbanden Hand in Hand zu arbeiten.

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