Schottland: Kirche und Polizei sind gegen Gesetzesvorschlag „Hassverbrechen“

4. August 2020 in Chronik


Katholische Bischöfe: Sogar Besitz einer Bibel könnte illegal werden – Polizei: Gesetzesentwurf würde dazu führen, dass Polizisten die freie Rede polizeilich überwachen


Edinburgh (kath.net/LifeSiteNews.com)
Die Katholische Bischofskonferenz von Schottland befürchtet, dass der neue Gesetzesvorschlag zu „Hassverbrechen“ die bürgerlichen Freiheiten einschränkt und sogar so weit gehen könnte, den Besitz einer Bibel oder des katholischen Katechismus zu kriminalisieren. Auch der Polizeiverband sieht die freie Rede und die Legitimation der Polizei selbst in den Augen der Bevölkerung in Gefahr.

 

Die schottische katholische Bischofskonferenz hat eine eigene Einrichtung, die sich mit politischen Fragen befasst, das Catholic Parliamentary Office, geleitet von einem Juristen. Zwei der vorgeschlagenen neuen Straftatbestände sind „Schüren von Hass“ und „Besitz von aufrührerischem Material“. In einem offiziell eingereichten Schreiben an die schottische Regierung zum „Hate Crime and Public Order (Scotland) Bill“ zeigten sich die schottischen katholischen Bischöfe besorgt, dass die Schaffung dieser neuen Straftatbestände innerhalb der aus mehreren Teilen bestehenden Gesetzgebung die bürgerlichen Freiheiten beeinträchtigen könnte.

 

Die Bestimmungen des Straftatbestands „Schüren von Hass“ (stirring up hatred) sind zweifach, aber ungenau. Erstens muss das Verhalten oder die Kommunikation bedrohlich oder beleidigend sein. Zweitens muss der Akteur entweder „beabsichtigen“, „Hass“ gegen eine geschützte Gruppe zu „schüren“, oder es besteht eine „Wahrscheinlichkeit“, dass sein Verhalten oder seine Kommunikation „Hass“ gegen eine geschützte Gruppe schürt.

 

Die Bischöfe wandten ein, dass die Definition von „Hass“ so unklar sei, dass sie „eine weite Auslegung“ zulasse. „Die vorgeschlagene Schwelle für eine Straftat nach den Aufwiegelungsbestimmungen könnte als unverhältnismäßig niedrig angesehen werden“, schrieben die Bischöfe.

 

Sie brachten ein hypothetisches Beispiel: Jemand fühlt sich von einem Transgenderisten beleidigt, der gegen seinen biologischen Realismus, dass ein Mann keine Frau werden könne, in sozialen Medien schimpft. Eine Gruppe um den Realisten erachtet die Kommentare als Absicht, Hass gegen sie als Gruppe zu schüren, und somit sei auch der zweite Teil erfüllt.

 

Die Bischöfe erklärten dann, dass das Verhalten des Transgenderisten in ihrem Beispiel nicht kriminalisiert werden dürfe und dass kriminelles Verhalten nicht allein nach „dem Subjektiven“ bestimmt werden dürfe. „Die Überprüfbarkeit muss stärker sein und muss es dem Gesetz erlauben, konsistent zu sein und nicht ständig in mehrfacher Hinsicht dehnbar zu sein, um den kapriziösen Empfindlichkeiten und Gewohnheiten der gegenwärtigen Kultur und der öffentlichen Meinung entgegen zu kommen“, schrieben sie.

 

„Besitz aufrührerischen Materials“

 

„Wir sind auch besorgt, dass Abschnitt 5 des Gesetzes einen Straftatbestand des Besitzes von aufrührerischem ("inflammatory") Material schafft, was, wenn es so niederschwellig aufgefasst wird, Material wie die Bibel, den Katechismus der katholischen Kirche und andere Texte wie die Eingaben der Bischofskonferenz von Schottland bei Regierungskonsultationen nach der neuen Bestimmung als aufrührerisch darstellen könnte“, schreiben sie.

 

Diesmal brachten die Bischöfe als Beispiel ihre eigene Vorlage zur der von der Regierung vorgeschlagenen Reform des „Gender Recognition Acts 2004“. Darin hatten sie erklärt, dass die katholische Kirche lehre, dass das Geschlecht nicht „liquid und veränderlich“ sei und dass „Mann und Frau sich ergänzen und auf die Schaffung neuen Lebens ausgerichtet sind“. „Solche Äußerungen, die weit verbreitet sind, könnten von anderen als eine Beleidigung ihrer eigenen, persönlichen Weltanschauung und als wahrscheinlich Hass schürend empfunden werden“, warnten sie.
Die genannten Meinungen benötigten im vorgeschlagenen Gesetz eine „Bestimmung über die freie Meinungsäußerung“, um vor Strafverfolgung geschützt zu sein.

 

Die Bischöfe stellen fest, dass „prominente Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“ des „Hasses“ und der „Transphobie“ beschuldigt worden seien, weil sie argumentierten, dass ein Mann nicht zur Frau werden könne und umgekehrt. Personen wurden auch des „Hasses“ beschuldigt, weil sie Pronomen benutzten, die dem biologischen Geschlecht einer Person entsprechen. Sie beklagten das Aufkommen einer „cancel culture“, die es bestimmten Gruppen ungerechterweise erlaube, andere zum Schweigen zu bringen.

 

„Kein einzelner Teil der Gesellschaft hat die Herrschaft über akzeptable und inakzeptable Sprache oder Ausdrucksweise“, schrieben sie.

 

Legislative und Jurisdiktion müssen beim Schaffen und Auslegen der Gesetze zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung „sorgfältig“ sein, indem sie die „Grundfreiheiten beachten und vernünftige Ansichten zulassen, deren Äußerung nicht darauf abzielt, Schaden anzurichten".

 

Die Entscheidung für Zensur statt für die Förderung respektvoller Debatten und Toleranz berge die Gefahr in sich, Schottland in eine „intolerante, illiberale Gesellschaft“ zu verwandeln.  

 

Anthony Horan, Jurist und Direktor des katholischen Parlamentsbüros, erklärt, warum die schottischen Bischöfe das Beispiel von biologischen Realisten, die von einem Transgenderisten verfolgt werden, gewählt haben: „Die Bischöfe sind der Meinung, dass die Kriminalisierung von jemandem, der eine andere Person als ‚transphob‘ bezeichnet, genauso falsch ist wie die Kriminalisierung von jemandem, der eine unangemessene, aber ansonsten relativ harmlose Bemerkung gegen jemanden richtet, der eine gleichgeschlechtliche Anziehung hat oder für die Abtreibung ist.“

 

Gerade Katholiken sind in Schottland seit dem 16. Jahrhundert Opfer von Vorurteilen und Hass. Obwohl die Beziehungen zwischen den Glaubensgemeinschaften in Schottland inzwischen gut sind, kommt es immer noch zu einzelnen Angriffen auf Katholiken und katholische Kirchen.

 

„Die Bischofskonferenz beschäftigt sich seit langem mit dem Thema des antikatholischen Hasses und wird dies auch weiterhin tun, obwohl das Problem nicht so sehr in der Gesetzgebung oder deren Fehlen liegt, sondern sowohl in der tiefgreifenden Reformationskultur, die die schottische Gesellschaft durchdringt, als auch in dem aggressiven Element der entstehenden säkularen Kultur“, sagte Horan gegenüber LifeSiteNews.  

 

„Wir haben bei vielen Gelegenheiten auf die unverhältnismäßig hohe Zahl an anti-katholischen Hassverbrechen unter den religiös verstärkten Straftaten hingewiesen“. „Es muss jedoch noch viel Arbeit geleistet werden, und wir werden weiterhin alles in unserer Macht Stehende tun, um Druck auf die Regierung auszuüben und mit den Interessenvertretern zusammenzuarbeiten, um dieses Problem anzugehen.“

 

Kritik von Polizei und Freikirche

 

Auch der schottische Polizeiverband gab eine beachtliche kritische Erklärung heraus: „Wir sind fest davon überzeugt, dass dieser Gesetzesentwurf dazu führen würde, dass Polizeibeamte die freie Rede polizeilich überwachen, und er würde die Legitimität der Polizei in den Augen der Öffentlichkeit zugrunde richten“, sagte Calum Steele, Generalsekretär des schottischen Polizeiverbandes. „Das kann niemals ein akzeptables Ergebnis sein - und wir sollten nie vergessen, dass die Polizei in Schottland nur mit der Zustimmung des Volkes tätig ist.“

 

Auch die Freie Presbyterianische Kirche Schottlands hat sehr ähnliche Sorgen wie die katholische Kirche vorgebracht, nämlich dass die vorgeschlagenen neuen Straftaten der Redefreiheit in der schottischen Gesellschaft abträglich sein könnten und die Bibel kriminalisiert werden könnte. „Insbesondere sind wir besorgt darüber, dass es an Klarheit darüber mangelt, was mit dem Schüren von Hass gemeint ist, und beide Vergehen sind unglaublich subjektiv, was die Entscheidung betrifft, wann Material tatsächlich missbräuchlich oder aufrührerisch ist“, schrieben sie. „Wenn Menschen der Polizei wegen potenzieller Hassverbrechen angezeigt wurden, weil sie Bibelverse zitiert haben, könnten die säkularen Gerichte entscheiden, dass die Bibel selbst Hetzmaterial ist, das beschlagnahmt und vernichtet werden sollte?“   

 
Die in Schottland wohnende Harry Potter-Autorin J. K. Rowling ist derzeit die prominenteste Beschuldigte in Sachen „Hass“ und „Transphobie“. Die gebürtige Engländerin hat sich den Zorn von Transgender-Aktivisten zugezogen, indem sie auf die geschlechtsbasierten Frauenrechte auf Privatsphäre in Gefängnissen, Frauenhäusern und wo immer Frauen körperlich angreifbar sind, bestanden hat. Rowling hat sich in letzter Zeit auch für die Verteidigung von Kindern gegen medizinische transgenderistische Experimente eingesetzt.

 

 


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