Das Papsttum der Vergangenheit und der Zukunft

20. Juli 2020 in Aktuelles


„Acht Päpste probierten verschiedene Wege aus, um mit der Krise umzugehen, ja, mit mehreren Krisen in Welt und Kirche. Die Ergebnisse waren, gelinde gesagt, gemischt.“ Kolumne in „The Catholic Thing“ von Robert Royal


Washington D.C. (kath.net/The Catholic Thing/mb) Soweit wir wissen, erfreut sich Papst Franziskus einigermaßen guter Gesundheit und wird noch für einige Zeit das Oberhaupt der Kirche bleiben. Ein schlimmer Fall der Grippe Anfang dieses Jahres – von der einige fürchteten, sie COVID-19 sei, was ziemlich gefährlich für einen älteren Mann mit nur anderthalb Lungen ist – scheint ihn nur geringfügig gebremst zu haben.

 

Aber vor kurzem sind drei Bücher erschienen, die – wenn auch nur, um uns von unserer Besessenheit von Viren, Rasse, Unruhen, umstürzenden Statuen und Politik abzulenken – einige Aufmerksamkeit verdienen: Russell Shaws „Eight Popes and the Crisis of Modernity“, Edward Pentins „The Next Pope. The Leading Cardinal Candidates“ und George Weigels „Der nächste Papst. Das Amt des Petrus und eine missionarische Kirche“. Die große Tugend aller drei Bücher besteht darin, nicht einfache Lösungen oder Prognosen anzubieten. Sie versuchen vielmehr, die gegenwärtige Situation und die Rolle zu verstehen, welche die Kirche in einer Welt zu spielen hat, die, noch mehr als sonst, verrückt geworden ist.

 

In einer prägnanten, aber reichhaltigen Abhandlung lässt Shaw gewissermaßen die gesamte Papstgeschichte des 20. Jahrhunderts von Pius X. bis Johannes Paul II. Revue passieren. Die „Krise der Moderne“ im Buchtitel setzt sich bis in die Postmoderne fort: „In der für diese Ära des Blutvergießens und des Aufruhrs typischen Weise verlief die Moderne nicht ruhig, aber sie ist zweifellos vergangen. Jetzt leben wir in einer Zeit des Übergangs, die als ‚Postmoderne‘ bezeichnet wird – ein unscheinbares Wort, das eine Lücke füllt, bis ein Begriff auftaucht, der den besonderen Charakter dieses neuen Zeitalters einfängt, was immer das auch sein mag.“

 

Acht Päpste – und man könnte die frühere thomistische Wiederbelebung und Einführung der modernen katholischen Soziallehre unter Leo XIII. ergänzen – probierten verschiedene Wege aus, um mit der Krise umzugehen, ja, mit mehreren Krisen, nicht nur in der Welt, sondern auch in der Kirche. Die Ergebnisse waren, gelinde gesagt, gemischt. Selbst Päpste mit einem klaren Verständnis für die Situation sowie dem Mut und dem Willen, sie anzugehen, waren nicht in der Lage, den Lauf der Dinge wesentlich zu ändern: Die Rolle Johannes Paul II. beim Sturz des Kommunismus war die große Ausnahme. Aber der Marxismus ist nicht verschwunden, auch nicht in jenen Nationen, welche die Sowjets besiegt haben, was die tieferen Kämpfe über die Natur der Welt und des menschlichen Lebens widerspiegelt, die noch zu führen sind.

 

Shaw bringt eine ruhige und vorsichtige Stimme in die Papstgeschichte ein – und der Leser, der einfache Lösungen für das sucht, was die Kirche und die Welt plagt, wird sie hier nicht finden. Aber er findet etwas Wertvolleres: eine zuverlässige Aufzeichnung darüber, worin mehrere Päpste auf verschiedene Weise erfolgreich waren – und worin sie versagt haben. Angesichts der großen historischen Fragen, vor denen wir heute in der Postmoderne stehen, ist dieser Ansatz nützlicher als das, was direkter und tröstlicher erscheinen mag.

 

Shaw zitiert den britischen Historiker Lord Macauley im Nachwort: „[Die katholische Kirche] sah den Beginn aller Regierungen und aller kirchlichen Einrichtungen, die es heute in der Welt gibt; und wir fühlen keine Gewissheit, dass sie nicht dazu bestimmt ist, das Ende von ihnen allen zu sehen.“ Zweifellos wahr, vor allem für einen Katholiken, der glaubt, dass die Pforten der Hölle sich nicht durchsetzen werden, auch wenn unsere gegenwärtige Erneuerung vielleicht lange dauern wird.

 

Im Gegensatz dazu konzentriert sich Edward Pentins „The Next Pope“ (Der nächste Papst) auf die unmittelbare Zukunft. Er bietet neunzehn aussagekräftige Porträts der plausibleren Kandidaten, wie man sie nennen könnte. Und das ist nicht nur für Katholiken und andere am Papsttum interessierte Laien von nicht geringem Wert, sondern für das gesamte Kardinalskollegium. Gewöhnlich lernen sich die Kardinäle der Welt bei verschiedenen Veranstaltungen im Vatikan kennen, insbesondere in den Konsistorien, wenn neue Kardinäle ernannt werden. Papst Franziskus hat sich entschieden, die Kardinäle seit Anfang 2014 nicht mehr als Kollegium einzuberufen – manche sagen, aus Angst, dass sie sich zusammenschließen und sich gegen ihn stellen könnten.

 

In jedem Fall ist Pentin ein klarer und nützlicher Wegweiser. Einige der Persönlichkeiten stehen auf fast jeder Liste: die Kardinäle Tagle, Parolin, Bagnasco und Ouellet. Andere sind stark, aber unwahrscheinlich: Burke, Müller, Sarah. Wieder andere scheinen weit hergeholt: O’Malley, Ravasi, Turkson und Zuppi. Pentin kann auf eine lange Erfahrung in Rom zurückblicken und gibt Einblicke in die Geschichte und den Charakter der einzelnen Personen. Aber es ist immer gut, sich an das alte römische Sprichwort zu erinnern, wonach derjenige, der das Konklave als „papabile“ betritt, es als Kardinal wieder verlässt.

 

George Weigel ist ehrgeizig in seiner eigenen relativ kurzen Beschreibung dessen, was der nächste Papst leisten muss. Es gibt nicht die geringste Andeutung, wer diese Anforderungen vielleicht erfüllt, was die Analyse eher mehr als weniger relevant macht, wer auch immer der nächste Papst sein mag.

 

An erster Stelle steht für den nächsten Papst die persönliche Heiligkeit und die Fähigkeit, der Welt zu zeigen, dass ihr Heil und ihre Hoffnung nur in Jesus liegt – dem ganzen Jesus, nicht nur dem „netten“ Jesus, den die Menschen, sogar einige in der Kirche, seit der Aufklärung hervorheben. Weigel argumentiert auch, der nächste Papst müsse es zu einem zentralen Bestandteil seines Papsttums machen, dass die „Gestalt“ der Kirche stets „missionarisch“ sei.

 

Dazu gehört ein erneuertes und neu ausgerichtetes Wirken eines Papstes, der das Petrusamt in Verbindung mit Bischöfen, Priestern und Laien versteht und der die Neuevangelisierung, den christlichen Humanismus und das moralische Zeugnis der Kirche in den Weltangelegenheiten neu beleben wird. In der letzten Kategorie rät Weigel dem Vatikan zu Recht, sich nicht zu so vielen politischen Fragen zu äußern, in denen es wenig Sachkenntnis gibt – eine Gewohnheit, welche seine Wirkung mindert, wenn es sich um eine öffentliche Frage handelt, in der die Kirche moralische Kompetenz besitzt.

 

Es ist natürlich gut, wenn alles gesagt wird. Das Scheitern der Neuevangelisierung – größtenteils ein Versuch, ehemals christliche Nationen neu zu evangelisieren – legt jedoch nahe, dass eine Welt, in der Materialismus und Szientismus vorherrschen, eine radikale und grundlegende Bildungsarbeit in grundlegenden spirituellen und moralischen Wahrheiten braucht, auch häufig innerhalb der Kirche selbst, bevor die großen Ideen überhaupt Gehör finden werden. Keine leichte Aufgabe angesichts der Beschaffenheit von Bildungseinrichtungen.

 

Aber Gott ist entscheidend, und er handelt. Unser langer geistlicher Niedergang bereitet etwas vor, das teilweise unvorhersehbar, aber eine unvermeidliche Wiedergeburt ist, die nicht nur die Mission des nächsten Papstes, sondern auch mehrerer seiner Nachfolger sein wird.

 

Robert Royal ist Präsident des „Faith & Reason Institute“, katholischer Autor und Experte bei EWTN.

Diese Kolumne erschien im englischen Original am Donnerstag, 16. Juli 2020, bei The Catholic Thing (https://www.thecatholicthing.org/). Alle Rechte vorbehalten. Die deutsche Übersetzung von Martin Bürger erfolgte mit freundlicher Genehmigung von The Catholic Thing - (c) für die deutsche Übersetzung: kath.net


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