Ich glaube an … Engel?

7. August 2020 in Kommentar


Engelskult und Esoterik haben überall in den vergangenen 20 Jahren enormen Aufwind bekommen. „Alles, nur nicht Gott“, scheint auf den Fahnen zu stehen - BeneDicta am Freitag von Dorothea Schmidt


Linz (kath.net)

Es war einmal eine gut aussehende ältere katholische Frau mit einer besonderen Heilungsgabe, wie sie fand. Sie zog Menschen magnetisch an, hatte ein Herz für Kinder und: Sie verkehrte mit Engeln. Ich sehe mich jetzt noch eine Augenbraue hochziehen als sie erzählte, wie sie morgens die Engel an der Tür begrüßte, einen vor die Tür stellte, damit er das Haus bewache und dem anderen andere Anweisungen erteilte.

 

Diese Dame, man musste eigentlich schon Diva sagen, leitete eine Eltern-Kind-Gruppe in Den Haag. Sie war selbstbewusst, gescheit und sie organisierte wissenschaftlich fundierte Referate zu Themen rund um Erziehung – psychologische, physiologische, soziologische Aspekte kamen an Bord und gaben den Eltern wichtige Einblicke und Orientierung. Eine gute Sache. Wäre da nicht die Sache mit den Engeln.

 

Ich liebte diese Gruppe, vor allem, weil sie mir in dem für mich neuen Land, den Niederlanden, Halt gab. Ich hatte etwas gefunden, wo ich mit meiner Tochter hingehen konnte, und das war dort keine Selbstverständlichkeit. Eltern-Kind-Gruppen sind Mangelstware, denn die meisten Frauen gehen wieder arbeiten, sobald ihre Kinder das Alter von 6 Wochen erreicht haben – oder höchstens doppelt so alt sind. Ich war neu in Den Haag, lernte gerade die niederländische Sprache, musste mich völlig neu orientieren und zurechtfinden in diesem Nachbarland, das weit verschiedener von Deutschland war als ich erwartet hatte. In dieser Gruppe habe ich Anschluss gefunden – und meine damals 2jährige Tochter eine Freundin.

 

Die Gruppe war für mich eine Oase in einem fremden Land. Bis die Gruppenleiterin von „ihren“ Engeln berichtete erzählte. Und damit nicht genug: Sie zog ein Pendel heraus und fragte, wem sie heute helfen könne. Nahrungsmittelunverträglichkeiten waren das Thema. Diese Frau glaubte mit Hilfe des Pendels sagen zu können, welches Nahrungsmittel jemand essen könne, welches nicht. Sie konnte sogar sagen, wie oft und in welcher Menge man welche Nahrung zu sich nehmen müsse, damit es einem gut ginge: Einmal am Tag, in der Woche, im Monat. Damit warb sie und hatte Erfolg bei vielen Müttern. Aber aus meiner Oase wurde ein kahler Ort. Ich wusste so sicher wie schmerzlich, dass ich diese Oase, die keine war, verlassen musste.

 

Esoterik und New Age sind nichts Ungewöhnliches in diesem Land. Aber konsequent : Wo Gott immer weniger gebraucht wird und die Kirche zu wenig von der Wahrheit über die Engel als Boten Gottes predigt, suchen Menschen bald neue Götter oder Ersatzreligionen und erklären sie die Engel auf ihre Art. Die Kirchen haben die Engel verbannt, die Menschen haben sie in die säkulare Welt aufgenommen. Denn die Suche nach dem ganz Anderen wie auch die Suche nach Übernatürlichem generell ist in die menschliche DNA eingeschrieben. Christentum und Esoterik können aber nicht vermischt werden, sie sind miteinander nicht vereinbar, was die Gruppenleiterin aber sehr wohl glaubte.

 

Engelskult und Esoterik haben überall in den vergangenen 20 Jahren enormen Aufwind bekommen, nicht nur in den Niederlanden. „Alles, nur nicht Gott“, scheint auf den Fahnen zu stehen. Besonders die Engel scheinen Gott bei vielen Menschen ersetzt zu haben. Es gibt Engel-Workshops, Engelgebete und –gedichte, Kreuze, die Engel statt Jesus zeigen, Engel als Glücksbringer, Engelausstellungen. Auch in Gemeinden. Engel boomen – haben aber mit der Realität des Glaubens nichts mehr zu tun. Noch vor rund 200 Jahren wurden sie als Kinderkram, Phantasiegestalten höchstens abgetan, jedenfalls waren sie nichts für einen gebildeten, aufgeklärten Europäer.

 

Wo damals Rationalität, Nüchternheit, Vernunft und Wissenschaft das Sagen hatten, begannen Menschen nach alten Weisheiten zu kramen. Die Ur-Sehnsucht des Menschen wurde getriggert durch diese ach so rationale Welt – und verfing sich in esoterischen und magischen Seilen. 

 

Lieblich und süß, scheinbar harmlos kommen magische Feen und liebe Engelchen daher und verdrängen unseren Herrgott, der vielen zu weit weg ist, zu groß, zu gewaltig, zu wenig vorstellbar und manchmal auch unverständlich; er lässt ja Schmerz und Leid zu. Das tun Engelchen nicht. 

 

Aber warum ist es leichter an Engel zu glauben als an Gott? Gott spricht in der Bibel, Jesus als sein Sohn ist in der Bibel präsent – und das mehr als Engel, die zudem nur Sprachrohr Gottes sind, Diener Gottes. Und Dienen ist heutzutage doch out, das hat etwas Archaisches, Unmodernes, Abhängiges…. Groß, toll und frei muss alles sein, aber doch nicht dienerhaft! Und doch: Diese Diener und gehorsame Boten Gottes (hebräisch Bote=malach) haben in einer neuinterpretierten Form das menschliche Herz erobert.

 

Hier gilt es einiges klarzustellen: Jesus sagt: „Glaubt an Gott und glaubt an mich“ (Joh 14,1). Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. „Niemand kommt zum Vater außer durch mich“, sagt Jesus (Joh 14,6). Glaubt man, dass das Zum-Vater-Kommen einem In-den-Himmel-kommen gleichkommt, also vom Glauben an Gott und seinen Sohn unserm Leben im dies- und im jenseitigen Leben abhängt, kann der Engelsglaube keine Alternative sein. Denn von einem solchem muss schon die Rede sein bei dem Engelkult, denn er trägt religiöse Züge. 

 

Darum müssen wir einen Blick in das Glaubensbekenntnis und die Bibel werfen: Im Glaubensbekenntnis heißt es an keiner Stelle „Ich glaube an den Engel Gottes“. Wir beten Gott an, sonst niemanden - hoffentlich. Selbst Engel wie die Seraphim gehören zum Thronrat Gottes und beten Gott an. Darum sind Engel bedeutsam für die kirchliche Liturgie.

 

Heilige und Engel können unsere Fürsprecher sein. Der heilige Erzengel Michael ist unser Beschützer vor dem Feind der Seele. Sicher sind Engel ganz nah bei Gott, aber sie sind von sich aus gar nichts. Wie wir alle wären sie ohne Gott nichts. Wenn Gott nicht jeden Tag sein „Ja“ sprechen würde, damit wir weiterleben, würden wir sterben. Ohne Gott können wir nichts, nullkommanichts. Ohne Engel können wir durchaus leben, aber vielleicht nicht einfach so auskommen. Denn Gott sendet sie zu unserm Schutz und Wohl.

 

Gott sendet seine Boten – Engel, aber auch Menschen -, um uns zu helfen, den Weg zu weisen. Josef empfing Gottes Weisung, nach Ägypten zu fliehen, durch einen Engel im Traum. Als Adam und Eva gesündigt hatten, „ließ Gott der Herr lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert“ (1Mose 3,24). Gleich drei Engel kündigen Abraham die Geburt seines Sohnes und den Untergang von Sodom und Gomorra an (1 Mose 18). Hier zeigt sich die enge Verbundenheit zwischen Gott und den Engeln: Er sendet Engel, spricht dann aber selber, so auch bei Mose (2Mose 3): „Der Engel des Herrn erschien ihm“, aber dann redet Gott selber. Engel dienen Jesus in der Wüste. Besonders eindrucksvoll ist auch die Szene, in der der Erzengel Gabriel zu Maria kommt. Engel sind es, die über dem Hirtenfeld: „Ehre sei Gott in der Höhe“ singen, nachdem ein weiterer Engel die Weihnachtsbotschaft verkündigt hat: „Euch ist heute der Heiland geboren“ (Lk 2). Wir haben Schutzengel, die auch unsere Freunde sein möchten. So könnte man lange fortfahren. 

 

Wenn wir aber nun Geschöpf und Schöpfer verwechseln, laufen wir Gefahr, Gott aus dem Blick zu verlieren. Das ist Esoterik. Für den katholischen Theologen Thomas Ruster ist der Engelskult Folge Konsumdenken und einer übersteigerten Bedürfnisbefriedigung.

 

Der Engelskult ist wie eine Schatzkiste ohne Inhalt. Sie hat ihren Reiz, bringt uns aber nichts, führt uns höchstens von Gott weg. Darum müssen wir tun, was Jesus in der Wüste getan hat als der dem Teufel entgegnete: „Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.“ (Mt 4,10). Andernfalls suchen die Menschen ihr Heil und Glück vergeblich in weißen Gewändern, Flügeln und Lichtgestalten. Dann heißt es am Ende wie im Märchen: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann suchen sie noch heute.


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