Gottes guter Führung trauen

30. Juli 2020 in Spirituelles


Müssen wir manchmal vergeblich auf Gottes Weisung für unser Leben warten? Oder sind wir nicht ganz frei für den Plan des Herrn? - Ein Kommentar von Michael Koder


Linz (kath.net)

„Väterlich führst du mich auf des Lebens Wegen meinem Ziel entgegen.“ So lautet ein Vers eines alten Kirchenliedes, der mir vor Entscheidungen immer wieder in den Sinn kommt. Gott führt uns durch‘s Leben - das sagt sich so leicht. Aber wie kann ich Gottes Plan für meinen Weg erkennen?

Oft wünsche ich mir, Gott würde einen Engel vorbeischicken, wie es im Alten (Raphael bei Tobias) und Neuen Testament (Gabriel bei Maria, der „Engel des Herrn“ bei Josef und Zacharias) immer wieder beschrieben ist. Doch vielleicht verwendet er dieses Mittel bewusst sehr sparsam und versucht uns seinen Plan eher Schritt für Schritt und behutsam zu vermitteln. Denn er weiß um unsere Angst, er könnte von uns etwas verlangen, was uns überfordert oder nicht entspricht. Diese Angst kommt immer wieder, auch wenn der Verstand darauf antwortet, dass Gott nur das Beste für uns möchte und uns zu nichts zwingt – nach unserem freien Willen antworten wir auf seine ausgestreckte Hand.

Zu Engeln im weiteren Sinn können auch unsere Mitmenschen werden, wenn Gott durch sie zu uns spricht. Ein unerwartetes Lob, aber auch eine schmerzhafte Kritik bringen uns zum Nachdenken, auf neue Gedanken, zu neuen Sichtweisen und schließlich zu Entscheidungen. Ich bin sicher, dass Gott auch uns selbst Gedanken eingeben oder schmackhaft machen kann, und uns andererseits schlechte Gedanken verleidet. Eine Richtschnur dafür ist die „Unterscheidung der Geister“ des heiligen Ignatius von Loyola: Er spricht von Gefühlen und Empfindungen, die uns begleiten, mal aufrüttelnd, mal wie ein sanftes Säuseln, entsprechend der aktuellen Phase des geistlichen Lebens.

Auf eine wesentliche Voraussetzung, um Gottes Stimme wahrzunehmen, verweist Kardinal Robert Sarah in seinem Buch „Kraft der Stille“: Er spricht von der Stille des Himmels, der Ewigkeit, als unserem letzten Ziel. Der Mensch werde dann zu keinem einzigen Wort mehr fähig sein, zu keinem gesprochenen Gebet, das aufgehen werde im Blick der Liebe und der Anbetung. Auch auf dieser Welt sei es wichtig, auf den Heiligen Geist zu hören, der eben in der Stille zu uns spreche.

 

Mein Inneres ab und zu still werden zu lassen dient mir als Kompass für meinen Lebensweg. Dabei betrachte ich manchmal ein Wort aus der Heiligen Schrift oder einen Satz aus einem erbaulichen Buch. Ich denke, dass man durch beständiges Hinhören Gott die Möglichkeit gibt, einem immer wieder neue, bessere Wege aufzuzeigen.

 

Aber was ist, wenn man nichts hört, obwohl man sich nach Gottes Weisung sehnt? Manchmal liegt das vielleicht daran, dass wir noch nicht richtig hingehört haben. Oft sind wir aber auch nicht ganz frei für den Plan Gottes, weil wir uns innerlich in einer bestimmten Weise gebunden haben. Etwa weil wir einen gewissen Zustand um jeden Preis beibehalten wollen, oder für einen bestimmten Weg prinzipiell gar nicht offen sind, oder eine Entscheidung treffen wollen, die noch nicht reif ist. Auch die heute oft anzutreffenden Maximen „leb deinen Traum“ oder „du kannst alles erreichen, wenn du nur willst“ sind unter diesem Gesichtspunkt zu sehen: Sie sind nicht an sich falsch, schließlich hat schon der heilige Augustinus gesagt: „Liebe und tu was du willst.“ Aber sie setzen die innerliche Offenheit und Bereitschaft für Gottes gute Führung voraus.

 

Dazu gehört auch das Wissen, dass die eigenen Möglichkeiten begrenzt sind, durch Gegebenheiten, Verpflichtungen und Fähigkeiten. Schon allein das Aufwachsen zu einem bestimmten geschichtlichen Zeitpunkt, an einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Familie und mit einem bestimmten Geschlecht grenzt unser Potenzial ein. Wir sind von Gott in eine bestimmte Zeit und an einen bestimmten Ort gestellt, sozusagen eingebettet in Umstände, in deren Rahmen wir uns verwirklichen und in der Liebe wachsen dürfen.

 

Schließlich werden durch Gott alle irdischen Ziele und Entscheidungen relativ, berufliche wie private. Das bedeutet keine Abwertung, sondern eine Betrachtung in einem größeren Kontext: Das Leben ist nicht gescheitert, wenn man einen Traum nicht verwirklichen kann; das perfekt geplante Leben verläuft „unperfekt“, und darf es sein.

 

Nicht immer haben wir diese Wahrheiten so klar vor Augen, etwa dann wenn ein Lebenstraum zerbricht oder man gerade keine Perspektive für die Zukunft sieht. Doch der Herr führt uns auch durch die Nacht, möge uns zumindest das immer bewusst bleiben. „Guter Hirt, du Brot des Lebens, wer dir traut, hofft nicht vergebens, geht getrost durch diese Zeit.“


© 2020 www.kath.net