Das Priestertum in Deutschland leidet an kranken Strukturen

13. Juli 2020 in Kommentar


Priesterausbildung und sakramentales Priestertum leiden an kranken Strukturen. An dieser Stelle sind vor allen die Bischöfe als Väter der Priester gefordert. Es braucht mehr als ein paar lauwarme Lippenbekenntnisse - Montagskick von Peter Winnemöller


Linz (kath.net)

Auf den Alarmruf des Vorsitzenden der Regentenkonferenz im Jahr 2016 hat niemand hören wollen. Von einer Nulllinie der Priesterausbildung und damit dem Herztod der Sakramentalität des kirchlichen Handelns, sprach der der Sprecher der Regentenkonferenz damals. Nun sind es in diesem Jahr 57 Priesterweihen, die deutsche Diözesen zu verzeichnen haben. Das ist bei 27 Bistümern knapp über 2 Priester im Durchschnitt. Das bedeutet aber auch, dass eine ganze Zahl Bistümer in diesem Jahr exakt Null Priesterweihen haben.

 

Rechnerisch kommen auf etwa elf ausscheidende Priester ein neuer Priester pro Jahr. Selbst der Vorsitzende des „ZdK“ ist alarmiert und konstatiert man brauche 200 bis 300 Weihen im Jahr. Im Grunde muss man sich zahlenmäßig gar nicht festlegen, da wir Gott nicht vorschreiben können, wieviele Priester er seiner Kirche schenkt. Nicht zuletzt deshalb darf man die Zahl, die Sternberg nennt, ruhig kritisch hinterfragen. Immerhin gehören Frauenweihe und Zölibatsabschaffung zur Agenda der Organisation der Laienfunktionäre. Da darf man die Krokodilstränen gerne als Bestandteil des Agendasettings betrachten, denn sie werden mit dem Taschentuch der altbekannten Reformforderungen fix abgewischt werden.

 

Ein kurzer Blick zeigt, dass besonders reformfreudige Bischöfe nicht besonders viele Berufungen haben. Doch auch der Umkehrschluss wäre ein Trugschluss. Nur weil ein Bischof etwas mehr der Tradition verbunden ist, wird er nicht massiv Berufungen anziehen. Was ist, wenn der Nachfolger in fünf oder zehn Jahren in die Gegenrichtung steuert? Darum ist das Problem grundsätzlicher.

 

Ein junger Mann, der sich heute auf den Weg macht, um Priester zu werden, bekommt massiven Gegenwind aus seinem sozialen Umfeld. Oft genug kommt der Widerstand sogar aus seiner Familie. Wäre das Theologenkonvikt oder Priesterseminar ein angemessener Schutzraum, um einen jungen Mann zu einer starken Priesterpersönlichkeit reifen zu lassen und ihn sowohl in Frömmigkeit als auch in Theologie in aller Ernsthaftigkeit auf den sakramentalen Dienst vorzubereiten, wäre diese eine angemessene und nötige Kompensation.

 

Stattdessen setzen die Bischöfe junge Männer, die den Ruf zum Priesteramt verspüren an den Fakultäten sehr fragwürdigen Lehrern und Lehren aus. In den Konvikten sind die geringen Jahrgangsstärken ein Hasardspiel für den Kandidaten. Findet sich kein Kamerad für den gemeinsamen Weg droht bittere Einsamkeit in der angeblichen Hausgemeinschaft. Passt die Frömmigkeit des Kandidaten nicht zu den aufgeklärten Vorstellungen des Spiritual, dann wird der Rosenkranz nicht zur Halteschnur in schweren Stunden, sondern womöglich zum Strang verdreht, der die Berufung erstickt.

 

In der öffentlichen Diskussion versteht es die Kirche nicht, den Kandidaten vor dem Generalverdacht der Unreife, sexuellen Verdrehung und Weltflucht zu bewahren. Der junge Kandidat sieht sich auch innerhalb einer dem Priestertum sich immer weiter entfremdenden Kirche irgendwie fehl am Platz. Letztendlich stellt sich die Frage, wie sich ein junger Mann ehrlich auf den Zölibat vorbereiten soll, wenn seine Vorgesetzten sich im Geiste längst davon verabschiedet haben und es zunehmend an älteren Vorbildern fehlt, die einem jungen Mann zeigen, wie das gottgeweihte Leben unter Verzicht auf die Ehe dennoch erfüllt und voller Freude sein kann.

 

In einem Umfeld, in dem sich junge Männer nicht sicher sein können, ob die Oberen der Kirche auf dem Weg zum Priestertum aber auch später als Priester sich solidarisch zeigen und zu ihnen und ihrem Lebensweg stehen, kann Berufung nicht gedeihen. Es nützt an dieser Stelle nichts auf die Gemeinschaften der Tradition zu verweisen, die in der Tat erheblich mehr Berufungen verzeichnen können als die Bistümer. Geistliche Gemeinschaften und Orden gehören in die Kirche und haben dort ihren Platz und ihre Funktion. So ist die große Zahl der Berufungen bei traditionellen Gemeinschaften ein Grund zu Freude und ein Segen für die Kirche. Aber weder die Petrusbruderschaft noch Piusbruderschaft, noch das Institut Philip Neri können diözesane ersetzen, auffangen oder retten. Statt einen Gegensatz zu konstruieren, freuen wir uns lieber, dass sie ihren Aufgaben so gut nachkommen können.

 

Was erlaubt ist, ist auf die Strukturen der Ausbildung und des priesterlichen Alltags hinzuweisen, von der die Bistümer lernen können. Klar gegliederte straffe Ausbildungsstrukturen geben auch heute noch jungen Leuten halt. Eine gesunde und froh machende, wenn auch fordernde geistliche Ausbildung sorgt für ein gutes geistliches Standing in dieser Welt voller Anfechtungen. Gemeinschaftsbildende Strukturen sorgen später im Alltag für tragfähige Netzwerke der gegenseitigen Unterstützung. Im Diözesanklerus sucht man solche Netzwerke heute vergeblich. Oft genug haben Priester nicht einmal ein regelmäßiges Konveniat.

 

Priesterausbildung und sakramentales Priestertum leiden an kranken und krank machenden Strukturen. An dieser Stelle sind vor allen die Bischöfe als Väter der Priester gefordert. Es braucht mehr als ein paar lauwarme Lippenbekenntnisse. Es braucht ein klares Bekenntnis zum Zölibat als der dem Priestertum angemessenen Lebensform. Es braucht ein klares Bekenntnis zu Ordinatio sacerdotalis. Es braucht eine solide rechtgläubige theologische Ausbildung der Kandidaten. Es braucht für die Kandidaten wie für die Priester nicht zuletzt eine offene Tür zum Haus des Bischofs. Ein Bischof, der sich nur noch mit Bürokraten umgibt und nicht sein Ohr am Herz seiner Priester hat, wird selber zum Bürokraten. Solche Bischöfe brauchen wir nicht.

 

Das leidende Priestertum wird dann und nur dann wieder erwachen, wenn die Kirche den Menschen vermittelt, dass wir Priester brauchen und wenn die Menschen von Gott Priester erbitten und alles dafür tun, jungen Männern den Weg zu ebnen. Die Gnade wirkt mit der Natur. Derzeit vermittelt die real existierende Kirche in Deutschland, Priester und Laien, den Eindruck wir bräuchten keine Priester. Warum sollte Gott uns gerade in dieser Frage nicht ernst nehmen, wo Er seine zur Freiheit berufenen Geschöpfe doch sonst immer sehr ernst nimmt?

 

Foto: (c) pixabay


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