Fünf Tage voller Abschiede für Benedikt XVI. - diesmal für immer?

21. Juni 2020 in Aktuelles


Nach 14 Jahren ist der emeritierte Papst erstmals wieder in seine alte Heimat zurückgekehrt. Für den 93-Jährigen wie für seinen kranken Bruder scheint die Reise geradezu ein Lebenselixier zu sein – Korrespondentenbericht von Christoph Renzikowski


München (kath.net/KAP) Der Papst kommt nach Hause. Mit dieser Nachricht überraschte Benedikt XVI. (Archivfoto) am Donnerstag die Öffentlichkeit. Dass es sich nicht um den aktuellen Amtsinhaber, sondern den ehemaligen handelte, und dass die Reise als rein privat deklariert wurde, tat der Aufmerksamkeit keinen Abbruch. Wobei privat angesichts der Prominenz des Reisenden ein relativer Begriff ist. Das zeigte bereits die Anwesenheit des bayerischen Staatskanzleichefs Florian Herrmann (CSU) bei der Landung des Landsmanns mit einer Maschine der italienischen Luftwaffe auf dem Franz-Josef-Strauß-Flughafen.

 

Der letzte Besuch des früheren Kirchenoberhaupts in Bayern liegt 14 Jahre zurück. An sich war überhaupt nicht mehr damit zu rechnen, dass Joseph Ratzinger noch einmal seinen Altersruhesitz im Vatikan verlassen würde. Seine zunehmende körperliche Gebrechlichkeit ist schon länger kein Geheimnis mehr. Viel Zeit verbringt er inzwischen im Rollstuhl. Deswegen war die Reise an sich schon eine Sensation.

 

Zwangsläufig schossen die Spekulationen ins Kraut, warum der 93-Jährige diese Strapaze noch auf sich nimmt. Dann müsse es um seinen drei Jahre älteren Bruder Georg wirklich schlimm stehen. Doch die Mutmaßung, dieser liege bereits im Sterben, erwies sich als voreilig, auch wenn alles darauf hindeutet, dass der Gesundheitszustand des früheren Regensburger Domkapellmeisters Georg Ratzinger ernst ist.

 

Die Ratzingers sind Familienmenschen. Und weil das auch für Papst Franziskus gilt, war es folgerichtig, dass er seinem Vorgänger diesen Ausflug ans Krankenlager seines letzten engen Verwandten bereitwillig gestattete.

 

In Regensburg hatten die Gebrüder Ratzinger gemeinsam ihren Lebensabend verbringen wollen, das Grab der Eltern 1974 eigens von Traunstein dorthin umbetten lassen. Auch später noch, als der Theologieprofessor längst zum Münchner Erzbischof und dann zum Glaubenspräfekten in Rom befördert worden war, hielten sie daran fest. Die Pläne zerschlugen sich erst mit der Papstwahl des Jüngeren im Jahr 2005.

 

Streng abgeschirmt von der Polizei ließ sich Benedikt XVI. in den vergangenen Tagen jeweils vormittags und am späteren Nachmittag für einige Stunden von seinem Quartier im Regensburger Priesterseminar durch die Altstadt in die Luzengasse eskortieren. Es galt, unter Aufbietung aller Kräfte so viel Zeit wie möglich miteinander zu verbringen - auch im Gebet und bei der Feier der Messe.

 

Georg sei wach, Gespräche seien nur noch eingeschränkt möglich, aber was zähle, sei einfach das Zusammensein, hieß es aus Diözesankreisen. Und dass dies für beide geradezu ein Lebenselixier sei.

 

Eine zweite Spekulation machte die Runde, je länger Benedikts Visite am bayerischen Donauknie dauerte: Vielleicht zieht er ja gleich ganz um. Das, versicherte Diözesansprecher Clemens Neck gegenüber der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur KNA am Sonntag, sei aber "nie ein Thema" gewesen. Es sei nur darum gegangen, ob der Besuch drei, fünf Tage oder zwei Wochen dauere.

 

Benedikt nutzte seinen Aufenthalt auch für einige Ausflüge an Orte, die ihm sehr viel bedeuten: das Familiengrab auf dem Ziegetsdorfer Friedhof, in dem auch seine ältere Schwester liegt, und sein früheres Wohnhaus im Vorort Pentling, das vom Institut Papst Benedikt XVI. inzwischen behutsam zu einer Stätte der Begegnung und Dokumentation umgestaltet worden ist.

 

All diese Stationen hatte der 93-Jährige schon 2006 absolviert, in der vermeintlichen Gewissheit eines Abschiedes für immer. War's das jetzt also endgültig? Schaun mer mal, würde "der Kaiser" sagen.

 

Bis zum vergangenen Jahr hatte sich regelmäßig Georg Ratzinger nach Rom auf den Weg gemacht. Dass ihm dies noch einmal möglich sein wird, lässt sich ausschließen. Wie viel Zeit den beiden hochbetagten Brüdern auf dieser Erde noch bleibt, weiß niemand. Klar ist nur: Wollen sie sich treffen, muss sich nun Benedikt XVI. in Bewegung setzen. Und der weiß jetzt: Es geht.

 

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Archivfoto: Benedikt XVI. in seiner Zeit als Kardinal Ratzinger

 

Bayrischer Rundfunk - Papst em. Benedikt XVI. in Bayern


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